Candy Crush Saga: Wie ein Smartphone-Spiel süchtig macht

Mehr als eine halbe Milliarde Mal wurde das Game Candy Crush Saga von Macher King.com installiert und ist zu einer echten Geldmaschine herangewachsen // von Jakob Steinschaden

candycrushsaga

Es gibt einen neuen Zeitfresser für Smartphones: Das Spiel “Candy Crush Saga” des britischen Herstellers King.com, bei dem man bunte Zuckerl nach Farbe sortieren muss, hat 500 Millionen Downloads geschafft und wirft pro Tag mehr als 900.000 Dollar für seine Macher ab – und das, obwohl es eigentlich gratis ist. Clevere Spielmechanismen sorgen dafür, dass Candy Crush schnell süchtig macht und den Nutzern Kleingeld aus der Tasche lockt.


  • Pro Tag geben Spieler von “Candy Crush Saga” mehr als 900.000 Dollar für Bonus-Funktionen aus.
  • Macher King.com will bei einem Börsengang mehr fünf Milliarden Dollar einnehmen.
  • Eine Palette an Spielmechanismen sorgt dafür, dass Gamer nach dem Titel süchtig werden und dafür Geld ausgeben wollen.

Uff. Noch 16 Stunden und 34 Minuten warten. Erst dann kann ich ins nächste Level aufsteigen und die nächste Partie “Candy Crush” am Smartphone zocken. Soll ich mich in Geduld üben oder doch 89 Cent springen lassen, damit ich sofort gelbe, blaue oder rote Bonbons zu Dreier- Vierer- oder Fünferreihen sortieren darf, um Gelee wegzusprengen und Punkte zu sammeln? Diese Frage beantworten hunderttausende Spieler auf der ganzen Welt offenbar mit “Ja!”. Hersteller King.com wurde der Spieltitel bis dato mehr als 500 Millionen Mal geladen, und ein kleiner Prozentsatz an Spielern ist bereit, für die “Free 2 Play”-App Geld auszugeben. Der New Yorker Game-Analysedienst Think Gaming schätzt die Einkünfte von “Candy Crush Saga” pro Tag bereits auf mehr als 900.000 Dollar – bei einer täglichen Spielerschaft von mehr als 6,5 Millionen Personen und täglich mehr als 63.000 Neuinstallationen.

Eine echte Geldmaschine also. King.com soll Gerüchten zufolge bereits den Börsengang an der Wall Street planen und will dabei fünf Milliarden Dollar einnehmen, wie das Wall Street Journal kürzlich berichtete. Warum gerade Candy Crush zum Vorzeige-Spiel der Firma (mit Büros in London, Hamburg, Stockholm, Malmö, Barcelona, Malta, Bukarest and San Francisco wurde, ist und in kurzer Zeit zu anderen Smartphone-Hits wie “Angry Birds” von Rovio aus Finnland aufschließen konnte, ist bereits Gegenstand wilder Spekulationen geworden. Auf den ersten Blick ist das Spiel eine Kopie des PopCap-Klassikers “Bejeweled” aus dem Jahr 2000, bei dem man farbige Diamanten sortieren muss. Doch King.com dürfte es geschafft haben, das “Free 2 Play”-Prinzip zu perfektionieren und die Premium-Funktionen des Games so begehrt zu machen, dass die Spieler in Summe mehr Geld ausgeben, als wenn sie einmalig zwei, drei Euro für den Download bezahlt hätten.

89 Cent für den sofortigen Aufstieg ins nächste Level oder drei Farbbomben, 1,79 Euro für drei Spezialbonbons, 3,59 Euro für “mächtiges Kokos-Konfekt”? Per In-App-Purchase geben Nutzer kleine Beträge aus, und manche haben plötzlich eine große Rechnung zu berappen – etwa Gizmodo-Autorin Ashley Weinberg, die bei “Candy Crush Saga” 236 Dollar ausgegeben hat, also viel mehr Geld, als das teuerste PlayStation-4-Game kostet. Auch andere Spiele wie “Pflanzen gegen Zombies 2” funktionieren nach dem Prinzip: Zwar kommt man theoretisch gratis bis ans Ziel, aber wer alle Level freischalten und alle Pflanzen haben möchte, muss dort mehr als 50 Euro zahlen.

Warum aber macht “Candy Crush Saga” so süchtig? Der Gamification-Experte Yu-Kai Chou hat Antworten darauf; ihm zufolge arbeitet King.com mit einer ganzen Palette an Spielmechanismen, die die Nutzer an das Game binden. Eine davon etwa heißt “Anfängerglück”: Die ersten Level seien so einfach gestrickt, dass der Spieler das Gefühl bekommt, besonders gut beim Bonbon-Sortieren zu sein. Dann würde das so genannte “Free Lunch” dazukommen: Die ersten Spezialbonbons, für die man später 1,79 bis 3,59 Euro zahlen muss, sind. Zudem würde “Candy Crush Saga” mit audiovisuellen Tricks den Fortschritt des Gamers immer wieder belohnen – der Pawlow´sche Hund lässt schön grüßen – und es durch die starke Integration von Facebook schaffen, den Wettkampf mit anderen Spielern anzustiften. Und dann ist da natürlich noch die Ungeduld, die “Candy Crush Saga” weckt, indem es den Spieler aufs nächste Level oder das Zurückgewinnen von Leben warten lässt – und schon kaufen sich einige Ungeduldige von der Wartezeit frei.

Das King.com mit diesen und anderen Mechanismen arbeitet, hat der Firma bereits Kritik eingebracht. So verdächtigen Nutzer die Macher, das Game zu manipulieren. Wenn die Software etwa registriert, dass ein Spieler gewillt ist, Geld auszugeben, sollen die Levels plötzlich schwerer werden und damit die Notwendigkeit größer, sich die Power-Ups zu kaufen. Auch das “Anfängerglück” sei gesteuert – anders als etwa beim Roulette, das rein auf Zufall basiert, kann das Programm bestimmen, welche Bonbons der Spieler auf den Bildschrim bekommt. In einem Interview nahm Tommy Palm, selbst ernannter “Game Guru” bei King.com, bereits zu den Vorwürfen Stellung und sagte, dass es bei “Candy Crush Saga” kein “evil scheme” gäbe. Doch das die Firma, die bald an die Börse will, klare Monetarisierungsstrategien verfolgt und nicht einfach nur ein lustiges Spiel anbieten will, muss auch klar sein.

ist seit 2006 publizistisch auf Papier und Pixel tätig. Er arbeitet in Österreich als Journalist und hat die beiden Sachbücher "Phänomen Facebook - Wie eine Webseite unser Leben auf den Kopf stellt" (2010) und "Digitaler Frühling - Wer das Netz hat, hat die Macht?" (2012) veröffentlicht. In seinem Blog “Jakkse.com” und in Vorträgen schreibt und spricht er gerne über die Menschen und ihr Internet – von Social Media über Mobile Business und Netzpolitik bis zu Start-ups.


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