Journalismus ist nicht schön. Schade, Blendle.

Anfang des Jahres ging ich an einer Buchhandlung in Berlin-Mitte vorbei und entdeckte ein mir unbekanntes Buch von Jerome D. Salinger?—?“Die jungen Leute”. Es ist eine zweiundvierzigseitige Sammlung von drei bisher nicht auf Deutsch veröffentlichten Kurzgeschichten. Preis 14,99 Euro. Die Geschichten sind unterhaltsam, zeigen einen frühen Salinger, noch nicht den von “Franny and Zooey”, trotzdem musste ich kurz über den Preis und sein Verhältnis zur Ware nachdenken.

Fast 15 Euro für nur 42 Seiten, die sich viel zu schnell durchlesen ließen, erschienen mir kurz wie kein gutes Angebot. Für die Ausgabe von “Der stille Don” aus dem Jahr 1967 zahlte ich vor ein paar Jahren keine 20 Euro und dabei handelt es sich um mehr als 1.800 Seiten russische Literatur. Scholochow ist wirklich nichts für kurz angebundene Gemüter, aber damals war ich auch noch nicht so oft online wie heute. Ich brauchte trotzdem rund zwei Jahre für sein Werk.

Warum schreibe ich über Literatur, wenn der Titel des Beitrags wie ein Rant über den neuen Liebling der deutschen Presseverlage klingt? Ich glaube, dass Blendle auf das falsche Pferd setzt?—?Literatur statt Journalismus wäre wohl die klügere Wahl gewesen. Denn langfristig hat der deutschsprachige Journalismus nicht die gleiche Qualität wie ein Essay oder eine Kurzgeschichte, für die ich, im Gegensatz zu Informationen, offensichtlich immer noch sehr viel Geld ausgeben würde.

Was Verlage bei Blendle anbieten ist das Geld nicht wert. Es sind nur Informationen. Ich habe in den letzten fünf Jahren bei höchstens fünf Artikeln gedacht (davon waren noch nicht einmal alle auf Deutsch), dass ich diese noch einmal lesen möchte, und vielleicht noch einmal, sie mir sogar ausdrucken könnte und wohl behütet aufheben würde. Journalismus ist selten schön und leider gehörte Qualität zu den ersten Opfern der vielen Einsparungen in Redaktionen. In Schönheit wird der Journalismus sicherlich nicht sterben (er wird sowieso überhaupt nicht sterben).

Um aber einen Artikel anbieten zu können, denn man ähnlich wie ein Lied besitzen und konsumieren möchte, wodurch auch Blendle dem eigentlich sehr unpassenden Vergleich als “iTunes für Journalismus” etwas gerechter werden würde, müssten die Verlage Content neu gestalten. Am besten von Autoren und nicht meldungsverliebten Journalisten verfassen lassen. Das kostet aber Geld und ich sehe es nicht kommen, dass Verlage diesen Schwenk machen. Sie werden bei Blendle einfach das alles abladen, was sie sowieso an Inhalten haben.

Es mag Geschmackssache sein, wann ein Artikel als sein Geld wert betrachtet wird. Die bisherigen Beiträge der Verlage sind es meiner Meinung nach nicht. Wer das anders sieht, möge bitte einen gekauften Artikel noch einmal in einem Monat, in drei und in sechs Monaten lesen und für sich bewerten, ob dieser Beitrag immer noch sein Geld wert war, ob man diesen Artikel immer noch aufheben muss oder ob das nur Journalismus war und jetzt weg kann.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Medium.com und steht unter CC BY-ND 4.0.


Teaser & Image “Beauty Is Forever” by J Dub (CC BY 2.0)


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ist Coworking Manager des St. Oberholz und als Editor-at-Large für Netzpiloten.de tätig. Von 2013 bis 2016 leitete er Netzpiloten.de und unternahm verschiedene Blogger-Reisen. Zusammen mit Ansgar Oberholz hat er den Think Tank "Institut für Neue Arbeit" gegründet und berät Unternehmen zu Fragen der Transformation von Arbeit. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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5 comments

  1. Es ist schon richtig. Viel von dem, was auf Blendle oder sonstwo verkauft wird, ist zu teuer. 79 Cent für einen kurze Nachricht über die vertuschten VW-Abgaswerte… nun gut.

    Dennoch denke ich, dass es nicht ganz richtig ist, den Wert von Texten (oder auch sonstigen Medien) alleine daran festzumachen, ob man ihn noch einmal lesen würde. Mitunter ist eine Information eben nur begrenzt haltbar, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aber durchaus ihr Geld wert. Gerade das kann sogar rechtfertigen, dass ein solcher Text zunächst teurer ist, als einer, der auch in zwei Jahren noch gelesen (gekauft) wird.

  2. Die hier erörterte Frage ist eigentlich nicht so einfach zu beantworten. Ja, ein Bezahlen von journalistischen Artikeln ist sinnvoll, wenn….

    Und hier scheiden sich die Geister! bDenn ich bin der Meinung, dass man den Mist, der heutzutage von Journalisten geliefert wird keinen Cent wert ist. Meldungen von Twitter- oder Facebook-Usern als journalistische Leitung zuvermarkten, YouTube-Videos mit zweifelhaften informativen Inhalten und zweifelhafter Herkunft auf den Medienwebsites zu verbreiten, hat nicht mit Journalismus zu tun — geschweige denn mit Journalismus, der für den man zusätzlich Geld hinblättern bereit sein sollte.

    Die hier getroffene Aussage „In Schönheit wird der Journalismus sicherlich nicht sterben (er wird sowieso überhaupt nicht sterben“ stimmt in sofern, dass der Journalismus schon längst tot ist. Es gibt keine fundierte Berichterstattung mehr, es erfolgen keine Recherchen. Was man uns als News verkaufen will, sind nichts als gewertete persönliche Meinungen und im Internet zusammengeklaubte (oder sollte man schon fast sagen geklaute?) Tweets.

    Wrr sich die Meldungen und Artikel der Presse mal hinsichtlich der Wortwahl ansieht, wird mir da unweigerlich zustimmen. müssen: „Soll“, „laut“, „angeblich“ etc. sind häufige Worte in den Texten. Sind das noch Informationen? Nein!

    Einst trat der Focus mit dem Slogan „Fakten, Fakten, Fakten!“ an. Hier wurde noch suggeriert, dass man recherchiert… Hierfür würde ich persönlich auch zahlen.

    Aber für Stimmungsmache, persönliche Meinungen und Abschreiben? Nein wirklich nicht.

    Daher muss man klar unterscheiden: Ist der Text wirklich handwerklich so gut, steckt hier Arbeit drin, um an die Informationen zu gelangen, etc, dass er es wert ist, dass man zahlt? — Leider meistens nicht.

  3. Es sind ja bekanntermaßen 2 Seiten, die betrachtet werden müssen.

    Zum einen ist es der Arbeitsaufwand des Autors, das Lektorat, Umschlaggestaltung und die Drucklegung bei Printmedien.
    Letztere entfallen in der Regel bei Online-Artikeln, wobei sich zuweilen das fehlende Lektorat als Nachteil erweist.

    Dennoch spielen diese Punkte eine entscheidende Rolle bei der Preisfindung.

    Auf der anderen Seite steht der Käufer, der je nach Art der Verwendung entscheiden muss, ob sich ein Kauf lohnt.

    Dient das Buch/der Artikel als Ressource für weitere Recherchen, dient es nur zur Unterhaltung?
    Schrieb der Autor Worte oder nur Wörter?
    Welcher Gattung gehört das Buch/der Artikel an?

    Mit welcher Qualität in Bezug auf die Sprachkompetenz und den wiedergegebenen Informationen gibt sich der Leser zufrieden?

    Wie viel wäre ein Leser wohl bereit, für obigen Artikel auszugeben, ungeachtet der Rechtschreibfehler und des schwachen Satzbaus?

    Ich denke, und das ist meine bescheidene Meinung, der Einzelfall entscheidet.

    Und ein kurzes Überfliegen sollte den Charakter und die Qualität schnell preisgeben.

    1. Was für Rechtschreibfehler? An einem Wort fehlte ein n, an einem anderen Wort war es zu viel („Jahren“ statt „Jahre“). Mehr Fehler finde ich nicht. Diese beiden Kleinigkeiten können doch aber nicht der Grund sein, warum sich jeder Kritiker einer sinnvollen Argumentation verweigert?

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