Zeitreise: Beepworld – Schrott aus dem Baukasten

Die 2000er waren schon eine wilde Zeit. Handys eigneten sich damals nur zum telefonieren – gut es gab auch ein paar simple Spiele wie Snake und Klingeltöne, mit denen Kindern das letzte Geld aus den Taschen geleiert wurde, das noch nicht für Pokémonkarten draufgegangen war. Soziale Netzwerke standen noch in den Kinderschuhen. Stattdessen vernetzten wir uns über Chatrooms. Diese konnte man sich beispielsweise über MainChat selbst erstellen oder aber auch große Chat-Communities wie Knuddels nutzen.

Auch ich bin damals in die Internetwelt eingestiegen und verbrachte bald schon unvernünftig viel Zeit in den Chatrooms. In den Anime-Communities, in denen ich mich damals rumtrieb, gab es allerdings auch den Trend, seinem Hobby mit einer eigenen Internetseite Tribut zu zollen. Webspace war damals meist recht teuer und sonderlich viel Ahnung von HTML hatten wir auch nicht. Dafür gab es jedoch eine Lösung: Beepworld.

Mit einem Klick zur Internetseite

Beepworld war ein Produkt, das einfach genau zur richtigen Zeit da war. Es handelte sich um einen Baukasten für Internetseiten, der kinderleicht zu bedienen war und darüber hinaus nichts kostete. Zumindest galt das für das Basispaket – und mehr brauchten wir für unsere Zwecke auch nicht. Auch musste man nichts installieren. Der Editor war auf der Seite selbst und nicht schwerer zu nutzen, als Textprogramme.

Wenige Klicks und wir hatten Schriftart, -größe und –farbe unserer Texte bearbeitet. Dazu noch ein paar wenige Bilder reingesetzt, sowie den besagten eigenen Chat von MainChat in der Navigation eingebunden und die Seite war bereit für die breite Öffentlichkeit.

Schöpfer David Finkenstädt war übrigens erst 16 Jahre alt, als er 1999 seinen Homepage-Baukasten Beepworld aufs Internet losließ. Damals ahnte er noch nicht, dass er bald darauf ein Geschäft anmelden und die Beamten vor eine ganz neue Situation stellen würde. 

Auch heute noch gibt es Fanseiten, die nicht unbedingt mit gelungener Ästhetik punkten. | Screenshot by Stefan Reismann

Wild Wild Net

Ich bin da ganz ehrlich: Diese Seiten sahen meist einfach nur grottenschlecht aus. Wir waren jung und unbedarft und das Internet war damals noch ein vergleichsweise rechtsfreier Raum. Bei Bildern wurde nicht geschaut, ob sie zur Wiederverwendung erlaubt waren. Wir haben sie einfach genutzt. Was heißt genutzt? Wir haben unsere verdammten Seiten regelrecht damit tapeziert. Gerade in besagten Anime-Communities landeten Unmengen Bilder zu unseren beliebtesten Serien auf den Beepworld-Seiten. Einige davon waren zudem noch animierte Gifs.

Dazu sei gesagt, dass das Internet damals noch langsam war. Richtig langsam! Unglaublich langsam! ISDN war damals der Standard und konnte fast 8 Kilobyte pro Sekunde laden. Viele Haushalte griffen damals sogar noch auf ein Modem zurück, das nochmal deutlich langsamer sein konnte. Die mit Bildern zugepflasterten Seiten konnten da schon einige Zeit in Anspruch nehmen. Da wirkt es fast schon absurd, dass Internetseiten heutzutage viel stärker auf Schnelligkeit optimiert werden – vor allem wegen der Mobilgeräte.

Im Internet kursierten auch zahlreiche praktische Bauteile für die eigene Seite. Animierte Hintergrundbilder, Trennlinien, Mausverfolger oder andere kleine Scripts, die zum Beispiel Schnee rieseln ließen. Manche Seiten wurden zu regelrechten Gefahrenzonen für Epileptiker, wenn buntblinkende Hintergründe auf noch mehr funkelnde Bilder trafen, während die ebenfalls bunte Schrift in fettgedrucktem Comic Sans kaum mehr lesbar war. Weiteres blinkendes Zeug verfolgte unseren Mauszeiger, und im Hintergrund dudelte hektisch-fröhliche Musik.

Es war nicht so, dass wir Copyrights damals nicht ernst genommen hätten. Wir wussten davon einfach genau so wenig, wie von einer Impressumspflicht. Amüsanterweise hat trotzdem jeder unten auf seiner Seite ein „Copyrights by“ gesetzt, wenn auch eher aus dem Stolz über die eigene Schöpfung. Ein Counter zählte zudem jeden einzelnen Besuch auf der Homepage.

Auch Gaststätten können mit animierten Feuerwerk-Gifs „beeindrucken“ | Screenshot by Stefan Reismann

Beepworld existiert noch immer

Ich glaube man kann guten Gewissens sagen, dass die potthässlichen Seiten nicht am Baukasten selbst lagen, sondern vor allem an den Nutzern und ihrer sehr naiven Nutzung des Tools. In der Tat habe ich damit irgendwann vergleichsweise hübschere Ergebnisse erreicht, indem ich mehr und mehr den HTML-Modus genutzt habe.

Ich konnte damals noch immer nicht wirklich HTML, habe mir aber den Quellcode richtiger Seiten angeschaut und dreist einzelne Bausteine wie eine Navigation auf der linken Seite kopiert und auf meine eigenen Bedürfnisse angepasst.

Heute habe ich keine Beepworld-Seite mehr und mein Verständnis für gutes Design hat sich deutlich weiterentwickelt. Doch auch heute lässt mich die gestalterische Anarchie vorm geistigen Auge noch nostalgisch lächeln. Beepworld existiert noch immer. Das Logo fällt mit seinem dunklen Gelb und Magenta noch immer aus unserer Zeit, auch wenn die Seite selbst deutlich seriöser anmutet als damals.

Das Mitgliederverzeichnis lässt jedoch erkennen, dass Beepworld seinen trashigen Charme noch nicht ganz verloren hat. Aber an meine Zeit werden sie nicht mehr rankommen. Denn früher war zum Glück auch manches schlechter.

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Image by Stefan Reismann, Beepworld, Wayback Machine

Das Internet ist sein Zuhause, die Gaming-Welt sein Wohnzimmer. Der Multifunktions-Nerd machte eine Ausbildung zum Programmierer, schreibt nun aber lieber Artikel als Code.


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