Digitale Urlaubstipps von der Schwarmintelligenz

Muss man sich 2013 noch einen Reiseführer kaufen oder reicht das Internet? Webseiten wie Yelp, Foursquare, TripAdvisor oder auch die neuen Google Maps schicken sich an, Lonely Planet, DuMont und Co. abzulösen – und das noch dazu kostenlos.

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Der Umstieg auf Internet-Dienste hat Folgen, wie sich auf meinen jüngsten Reisen nach Neuseeland, New York und in die Karibik zeigte. Denn statt bei den Experten von Lonely Planet, DuMont und Co. holt man sich seine Urlaubstipps bei der Masse – mit all seinen Vor- und Nachteilen. Ein Erfahrungsbericht.

Yelp: Restaurants suchen

Die börsennotierte Lokalempfehlungs-Plattform Yelp.com, zuletzt eigenen Angaben zufolge mit 102 Mio. Nutzern pro Monat, ist vor allem, was Restaurants angeht, eine nützliche Quelle für Tipps. Man kann einzelne Stadtteile (z.B. “Lower East Side” in New York oder “Neubau” in Wien) nach Lokalen (gefiltert z.B. nach “Steak”, “Italienisch” oder “Vegetarisch”) absuchen und sich nach Bewertung listen lassen. Mit den Smartphone-Apps geht das unterwegs übrigens auch sehr gut: Man sucht sich im Ausland ein Gratis-WLAN (z.B. bei Starbucks), findet das gewünschte Restaurant in der Nähe, macht sich einen Screenshot von der Kartenansicht und marschiert los. In New York haben wir so etwa Bareburger in Greenwich Village entdeckt und sind nicht enttäuscht worden.

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Wichtig bei Yelp ist, die anderen Nutzer richtig einzuschätzen. Sie sind mehrheitlich jung, urban, hip und westlich, dementsprechend fallen ihre Bewertungen aus. Das merkt man etwa daran, dass neue, stylische Restaurants oft viele hunderte Reviews bekommen, während alt eingesessene Wirtshausklassiker nur spärlich besprochen werden. Spannend ist aber auch jeden Fall, dass sich viele Nutzer echte Mühe geben und ausführliche Erfahrungsberichte auf Yelp veröffentlichen, die einen guten Eindruck von Essen, Bedienung und Atmosphäre liefern können.

Yelp.com hat auch klare Nachteile: Es gibt immer wieder Probleme mit gefälschten Reviews, Vorwürfe bezüglich einer Bevorzugung von zahlenden Werbekunden sowie regionale Einschränkungen. Yelp ist derzeit in 20 Ländern vertreten (und dort stark auf die Großstädte fokussiert), insofern gibt es viele weiße Flecken. In exotischeren Ländern oder abgelegenen Gegenden findet man bei Yelp oft nichts, wie wir etwa auf der Karibikinsel Aruba feststellen mussten.

TripAdvisor: Aktivitäten finden

Ebenfalls börsennotiert, ist die Touristik-Webseite TripAdvisor 200 Mio. Internetnutzer pro Monat einen Besuch wert. Neben Hotels, Flügen, Restaurants und Ferienunterkünften ist besonders spannend, dass sich bei TripAdvisor auch Freizeitaktivitäten in der Urlaubsregion finden lassen. Dazu tippt man einfach ein Land oder seinen Urlaubsort ein (z.B. Aruba, Russell in Neuseeland, New York) und kann sich dann unter “Aktivitäten” die am besten bewerteten Ausflüge, Strände, Parks etc. anzeigen lassen. Die Liste für Aruba, die durch tausende Nutzerbewertungen zustande gekommen ist, passt ganz gut – wer die Destinationen besucht, wird nicht enttäuscht werden.

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Auch auf Reisen in Neuseeland oder New York habe ich TripAdvisor immer wieder zu Rate bezüglich Freizeitaktivitäten gezogen und bin so z.B. auf Hubschrauberflüge oder Segelschifffahrten gestoßen. Bei TripAdvisor ist aber wie auch bei Yelp die Nutzerschaft zu beachten: Bewertungen verfassen offenbar hauptsächlich US-Bürger im mittleren Alter, oft Familienurlauber – ganz ausgefallene Tipps für Individualreisende bekommt man hier eher nicht.

Die neuen Google Maps: Die Umgebung entdecken

Wohl kein Zufall ist, dass Google seine neuen Maps (anmelden dafür kann man sich hier) zur Hauptreisezeit startet – denn die neuen, Bildschirm füllenden Karten sind stark rund um das Entdecken von Orten in der Umgebung und Nutzerbewertungen aufgebaut. Man kann sich etwa die Kartenansicht von der Lower East Side in New York zeigen lassen und dann nach “dinner” suchen – und schon poppen kleine rote Punkte mit “Messer&Gabel”-Symbol auf der Karte auf, die passende Restaurants markieren.

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Wählt man eines mit einem Klick aus – z.B. “Katz´s Delicatessen” – bekommt man Adresse, Telefonnummer, Bilder und eine Sternebewertung. Diese generiert sich aus Nutzerbewertungen des Ortes, entsprechende Reviews kann man ebenfalls abrufen – diese werden auf einer entsprechenden Google+-Seite dargestellt. Auch hier ist wieder zu beachten, wie die Reviews zustande kamen. Für “Katz´s Delicatessen” etwa finden sich tausende, teilweise vier Jahre alte Nutzerbewertungen, die gar nicht von Google+ stammen können (der Facebook-Rivale wurde erst 2011 gestartet). Vielmehr handelt es sich dabei größtenteils um Bewertungen von Zagat, das Google sich 2011 um etwa 60 Mio. Dollar eingekauft hat. Zagat ist ein 1979 gegründeter US-Restaurantbewerter, dessen Online-Content jetzt bei Google Maps integriert ist und dementsprechend US-lastig ist. Wie gut die Lokalempfehlungen bei Google Maps werden, hängt künftig stark mit dem Erfolg von Google+ zusammen.

Foursquare: Quantitativ statt qualitativ

Eine interessante Möglichkeit zum Entdecken der Urlaubsumgebung ist natürlich auch der Location-Dienst Foursquare, der im Web oder in der Smartphone-App rund 50 Millionen “Points Of Interest” listet. Man kann entweder nach bestimmten Kategorien suchen (z.B. Seafood, Breakfast, Cocktails) oder sich das “Beste in der Nähe” anzeigen lassen. Positiv im Vergleich zu Yelp ist bei Foursquare, dass der Dienst nicht auf bestimmte Länder beschränkt ist und sich deswegen auch auf kleinen Karibikinseln Orte finden lassen.

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Mit etwa 30 Millionen Nutzern hat Foursquare allerdings ein vergleichsweise kleines Publikum, was sich in den Bewertungen niederschlägt. Ausführliche Reviews sind selten, die User belassen es – auch aufgrund der mobilen Nutzung – bei kurzen Tipps. Die interessanteren Daten, die Foursquare bieten kann, sind quantitative Zahlen. Zum einen ist das die totale Anzahl von Check-ins der Nutzer, zum anderen die Durchschnittsbewertung auf einer Skala von 0 bis 10. Aus ihnen kann man in etwa ableiten, ob sich ein Besuch eines Ortes auszahlt oder nicht. Auch hier gilt: junge, urbane, Internet-affine Nutzerschaft aus der Nerd-Ecke mit entsprechenden Präferenzen. Außerdem liegt die Zukunft von Foursquare meiner Ansicht nach eher in der Rolle als Daten-Dienstleister für andere Internet-Firmen denn der als eigenständiger Location-Service.

Facebook Graph Search: Freunde als Scheuklappen

Mit der neuen Suchfunktion, die ich hier ausführlich getestet habe, will sich Facebook in Konkurrenz zu Yelp, Google und Foursquare ebenfalls als Lokalempfehlungsmaschine aufspielen, die interessante Orte in der Umgebung aufspüren kann. Der Suchbefehl “Restaurants nearby” etwa listet entsprechende Treffer in der eigenen Umgebung, die auf die zugehörige Facebook-Seite weiterleiten. Das kann mühsam sein: Man sieht zwar, wie viele Likes das Lokal hat und bekommt eine Sterne-Bewertung zu sehen, doch ausführlichere Reviews muss man erst auf der Facebook-Seite aufstöbern, die voll mit anderem Content (Fotos, Posts, der Seitenbetreiber, Nutzerfragen, etc.) sind.

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Zu hinterfragen ist bei Graph Search die starke Personalisierung der Suchergebnisse. Facebook legt starkes Augenmerk darauf, was die Facebook-Freunde geliked bzw. besucht haben, und priorisiert entsprechende Orte. Insofern bleibt zu hoffen, dass man viele Gourmets und welterfahrene Reiseprofis unter den eigenen Freunden hat. Da Graph Search aber derzeit nur ganz wenigen Nutzern zur Verfügung steht und derzeit im Beta-Stadium ist, ist diese Funktion nur mit Vorbehalt zu empfehlen.

Fazit: Massengeschmack braucht Besserwisser

Auch wenn ich mir nach wie vor Reiseführer gekauft habe und mir eine Lonely-Planet-App für New York am iPhone installiert habe, muss ich festhalten: Die beschriebenen Online-Dienste, vor allem Yelp und TripAdvisor, können im Urlaub locker mit den Reisebüchern mithalten und sind viel besser durchsuchbar. Klar muss aber auch sein: Man liefert sich ein wenig dem Geschmack der Masse aus. Gut bewertete Restaurants, Ausflüge oder Strände haben nur deswegen vier oder fünf Sterne, weil sie eben den Geschmack der Masse getroffen haben und die Nutzer sich auf einen gemeinsamen Nenner geeinigt haben. Vor allem bei Yelp aber ist interessant, dass nicht nur Urlauber, sondern auch viele “Locals” Reviews schreiben und man dort sicher keiner Touristenfalle aufliegt. Dem gegenüber stehen bei mir einige Enttäuschungen in Paris, London und Rom, wo der gekaufte Reiseführer schlicht in ein schlechtes Lokal lotste.

Was Webseiten, die Nutzerbewertungen bieten, noch mehr in den Vordergrund rücken müssen, sind die Experten in den Reihen der User – also Reiseblogger, Restaurantkritiker, DJs, Fotografen, Musiker usw., die aufgrund ihrer Erfahrung vielleicht einen Tick besser verstehen, was sie da gerade bewerten. Yelp hat das in Ansätzen mit seinen Elite-Mitgliedern verwirklicht, Wenn man solchen Nutzern bei Yelp, TripAdvisor und Co. oder sogar Plattform-übergreifend nach dem Twitter-Prinzip folgen könnte, wäre das ein echter Mehrwert. Dann könnte man online das machen, was wir im New Yorker Washington Square Park offline gemacht haben: Zwei Jazz-Musiker fragen, welche die besten Jazzclubs in der Nähe sind. Die beiden folgenden Abende im Fat Cat und im Smalls waren super.


Dieser Beitrag ist zuerst erschienen auf Digital Sirocco.


Screenshots by Jakob Steinschaden.


ist seit 2006 publizistisch auf Papier und Pixel tätig. Er arbeitet in Österreich als Journalist und hat die beiden Sachbücher "Phänomen Facebook - Wie eine Webseite unser Leben auf den Kopf stellt" (2010) und "Digitaler Frühling - Wer das Netz hat, hat die Macht?" (2012) veröffentlicht. In seinem Blog “Jakkse.com” und in Vorträgen schreibt und spricht er gerne über die Menschen und ihr Internet – von Social Media über Mobile Business und Netzpolitik bis zu Start-ups.


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