Wir sind alle Kriminelle – unser groteskes Urheberrecht

Ja, schon wieder einer dieser Artikel über das Urheberrecht. Lesern, Hörern und Zuschauern geht es so langsam ein wenig auf die Nerven. Urheberrecht hier, Umsonstkultur da und mitten drinnen äußern sich immer wieder Personen, deren Objektivität man nun wirklich nicht mehr einschätzen kann. Tatsächlich ist die Debatte um das Urheberrecht schon lange keine Debatte mehr, sondern verkommt allmählich immer mehr zur Schlammschlacht. „Das ist billige Propaganda“ erklärte uns Gunnar Sohn zum Beispiel vor einigen Tagen, als er sich zur Handelsblatt-Depesche „Mein Kopf gehört mir!“ geäußert hat, die sich gegen die sogenannte Umsonstkultur richten sollte. Kein Tag vergeht, an dem man nicht irgendeinen „Spezialisten“ dazu reden hört.

Angefangen mit Sven Regner, der sich fühlt als würde man ihm „ins Gesicht pinkeln“, über eine GEZ-geneigte Kolonne von Tatort-Autoren, die sich durch die „Lebenslügen“ im Internet bedroht fühlen, bis hin zu solch „Experten“ wie Hans-Peter Friedrich, Jette Joop und Philipp Rösler, die sich in der oben genannten Kampagne als „kreative Köpfe“ ihrer Interessen beraubt sehen. Der neueste Clou kam aber von DJ und Labelboss Paul van Dyk. Dieser äußerte sich im Tagesspiegel-Interview zu ACTA und der Piratenpartei kritisch:

Zu ACTA:

„Es geht dabei nur ganz am Rande darum, ob einer einen Hollywood-Film oder ein Musikstück runterlädt. Worum es geht, ist Kriminalität, um Datenklau.“

Zu den Piraten:

„Die Grünen haben zwar auch als wilder Haufen angefangen, aber die wollten wirklich was, nämlich Umweltschutz. Aber zum Internet gibt es in den etablierten Parteien längst große Arbeitsgruppen. Deshalb glaube ich, wir brauchen die Piraten nicht.“

Im Gegensatz dazu liest man kritische Stimmen wie die Markus Beckedahls häufig in Bezug auf ACTA, dem Fundament, des von der Contentlobby gewünschten Urheberrechts, sagen:

„Acta könnte zu größerer Überwachung der Nutzer führen“

      (

    ZEIT Online

      ).

    Oder:

    „ACTA ist ein intransparentes, schädliches und undemokratisch verhandeltes Abkommen auf internationaler Ebene, was das bestehende Urheberrecht zementieren wird.“

        (

      NDR/zapp

        ).

      Wem soll man denn da noch glauben? Und vor allem, was geht mich das an denken sicherlich viele. Wie unser derzeitiges Urheberrecht gestrickt ist, geht jedoch nicht nur Künstler und Produzenten etwas an. So wurde vor einigen Stunden zum Beispiel bekannt, dass es eine erste Abmahnung für ein gepostetes Lichtbild an eine Facebook-Pinnwand durch Dritte gegeben habe. Man schätzte vorab schon, dass die durchschnittliche Pinnwand eines 16-Jährgen einen Abmahnwert von 10.000 Euro habe. Wenn man sich dann noch vorstellt, dass die überragende Mehrheit der deutschen Jugendlichen auf Facebook ist und ohne Bedenken jederzeit in solch eine Abmahnfalle treten kann, dann sollten den Menschen klar sein, wie schlecht das Urheberrecht derzeit nicht nur Urheber, sondern auch Konsumenten schützt. Wir erinnern uns, ACTA fundamentiert das derzeitige Urheberrecht. Wollen wir das?

      Wer dem Geschwafel einiger Experten nicht mehr glauben mag bzw. der Schlammschlacht leid ist, der möge sich doch fortan einfach fragen, wie es denn im eigenen Lebensmodell aussieht. Wie das Gesetz das eigene Leben beeinflusst und was es mit einem macht. Das groteske Urheberrecht macht uns zu Kriminellen. Manchmal sogar dann, wenn wir gar nicht direkt am „Verbrechen“ beteiligt sind, sondern uns nur in der Nähe des Tatortes befinden, wie man am obigen Beispiel sehen kann.


       


      schreibt seit 2011 für die Netzpiloten und war von 2012 bis 2013 Projektleiter des Online-Magazins. Zur Zeit ist er Redakteur beim t3n-Magazin und war zuletzt als Silicon-Valley-Korrespondent in den USA tätig.


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      2 comments

      1. Vielleicht sollte man auch darüber nachdenken, den 16-jährigen Schüler in der Schule darüber aufzuklären, was im Internet zulässig und was unzulässig ist. Hiermit will ich allerdings nicht erklären, dass ich eine „Fair-Use“ Regel bzw. Änderungen des UrhG an entscheidenden Stellen für überflüssig halte.

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