Wie ist eigentlich das Leben als Gründer?

Work-Life-Blending statt vermeintliche Balance – Das Leben als Gründer ist härter als es von außen wirkt, doch auch genauso lohnenswert. Sieben von zehn Startups überleben nicht. Das schreckt viele junge Europäer ab, so eine aktuelle Studie zu Arbeitsmarkt, Karriere und Digitalisierung des internationalen Vodafone Instituts. Gründer, die den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt haben, bereuen ihn nicht. Das Unbekannte sehen sie als Chance, Scheitern als Zwischenschritt zum Erfolg.

Das ist der letzte Aufruf für alle Passagiere des Fluges…„. Peter Langmar, Gründer des internationalen Tech-Startups Brickflow, kennt dies nur zu gut. Der 28-Jährige ist fast das ganze Jahr „on the road„, um Investoren zu treffen, Kontakte zu potenziellen Partnern zu knüpfen und sich über neue Technologien zu informieren. 2013 lebte er auf drei Kontinenten – in Paris, Tallin, Santiago de Chile, Budapest und New York. In seiner Heimatstadt Budapest, in der das Brickflow-Team derzeit arbeitet, verbringt er nur wenig Zeit. Nur jede dritte oder vierte Woche ist er in der ungarischen Hauptstadt. Vor allem im Herbst, wenn große internationale Startup-Festivals der IT-Branche, wie das Pioneers Festival in Wien, die Web Summit in Dublin oder Slush in Helsinki stattfinden, ist er bis zu 20 Tage pro Monat unterwegs. Arbeit und Freizeit verschmelzen dabei oft.

Was ist Arbeit, was Freizeit?

Statt Work-Life-Balance diskutiert die Branche nun Work-Life-Blending – für viele engagierte Gründer längst Lebensmotto. Auch Johann Huber, 28-jähriger Mitgründer des Startups Soma Analytics, ist wie Peter Langmar oft unterwegs. SOMA Analytics misst, managed und reduziert Stress in Firmen mit einer Smartphone-App auf wissenschaftlich validierter Basis. Mitarbeiter erhalten durch die App personalisiertes Feedback, Tipps und Übungen um besser mit Stress umgehen zu können. Das gesamte Geschäftsmodell ist auf das Work-Life-Balance-Problem ausgerichtet. Gerade auf Startup Veranstaltungen wird er daher oft mit anderen Gründern angesprochen. Mindestens einmal im Monat nimmt er an einer internationalen Veranstaltung teil. In der Londoner Startup-Szene, in der Soma Analytics beheimatet ist, netzwerkt Johann jeden zweiten Abend. Mit gesunder Ernährung, Sport und gezielter Organisation meistert er das Startup-Leben und das mit Leidenschaft.

Ich kann und will nicht wirklich zwischen Work und Life differenzieren. Ich brenne für meine Arbeit, verstehe ‚Arbeit‘ nicht unbedingt als ‚Arbeit‘ im herkömmlichen Sinn.“ ?Für sein junges Startup, das er gemeinsam mit drei Freunden vor rund 18 Monaten gegründet hat, weil ein Bekannter durch mangelnde Work-Life–Balance kurz vor dem Burnout stand, legte er sogar sein Ingenieurstudium vorübergehend auf Eis, obwohl nach dem Studienende hohe Einstiegsgehälter und ein sicherer Job in Aussicht standen. Dass es gut läuft, Johann und seine Mitgründer haben Bestätigung und Investitionen durch Wettbewerbe wie die EIT ICT Labs Idea Challenge erhalten, reduziert den Stress, nimmt den Druck aber nie ganz heraus. Das junge Team arbeitet noch immer mehr als 12 Stunden pro Tag.

Mut zur Unsicherheit

100 prozentige Erfolgsgarantien gibt es in der Gründerszene nicht. Unsicherheit ist der ständige Begleiter eines Entrepreneurs. Die IT-Branche unterscheidet sich dabei kaum von anderen Bereichen. Laut dem Startups R.I.P.-Report des Analytics- und Research-Unternehmen CB Insights straucheln mehr als die Hälfte der jungen Unternehmen noch vor der Erreichung der ersten Million. Sieben von zehn Startups überleben nicht. Diese Unsicherheit schreckt viele junge Europäer ab. Eine aktuelle Studie des Vodafone Institute belegt, dass jeder dritte 18 bis 30jährige keine Karriere in der Digitalindustrie anstrebt. Nur 13 Prozent wollen in der IT-Branche durchstarten. Jedoch nicht in Startups. 70 Prozent der deutschen Befragten sagen „Nein“ . Sie schrecken die Arbeitsmenge (46 Prozent), die schwierige Work-Life-Balance (43 Prozent) sowie die fehlende Berufserfahrung (40 Prozent), die Berufsanfänger oft mitbringen. Auf der anderen Seite der Medaille schätzen junge Gründer vor allem, dass sie sich selbst verwirklichen und eigene Ideen umsetzen können (44 Prozent), ihr eigener Chef sind (38 Prozent) und im Idealfall mehr verdienen als Angestellte (29 Prozent), so die Ergebnisse der aktuellen Vodafone Studie.

Die Unsicherheit über Zukunft, Märkte, Mitarbeiter, Geld, Beziehungen, Unsicherheit, keine Pläne machen zu können„, ist daher Johann Hubers größter Stressfaktor, aber auch sein größter Motivator. „Man muss lernen, mit Unsicherheit umzugehen und daraus eine Stärke zu machen!“ Für Peter Langmar, Johann Huber und all die mehr als 3.000 Gründer, die sich auf dem Pioneers Festival, der Web Summit und der Slush präsentiert haben, ist das Leben eines Angestellten keine Alternative. Sie leben für ihre Ideen, werden diese auch im kommenden Jahr präsentieren, um Investoren und Kunden von ihrem Produkt, dem Geschäftsmodell und dem Team zu überzeugen. „Sollte das aktuelle Produkt von Brickflow nicht funktionieren, richten wir das Unternehmen neu aus. Wir haben viele Ideen und einige sind bereits gescheitert. Das hat uns nur motiviert, mit frischen Ansätzen neu durchzustarten.


Image (adapted) „Creative Company Conference 2011“ by Sebastiaan ter Burg (CC BY-SA 2.0)


ist eine Bloggerin und Social Media Expertin. Maren hat Medienwissenschaften in Deutschland, den USA und Australien studiert und arbeitet seit 2012 in der Berliner Startup-Szene. Maren ist am Israelischen Startup VoiceItt beteiligt und pitcht deren App TalkItt regelmäßig in Europa. Sie engagiert sich bei den Geekettes und den Digital Media Women für mehr Women in Tech und spricht auf Konferenzen über Storytelling und erfolgreiches Networking. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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