Wie Helsinki plant, private Fahrzeuge überflüssig zu machen

Durch den Einsatz cleverer Technologien will Helsinki bis 2015 das öffentliche Transportsystem umkrempeln und private Autos überflüssig machen. // von Daniel Kuhn

Helsinki (Bild: Anna B [CC BY-SA 2.0], via Flickr)

In Helsinki gibt es ab 2025 keine Autos mehr – zumindest keine privaten. Stattdessen soll es für die Bürger sinnvoller sein, auf das bis dahin komplett überarbeitete Netzwerk aus diversen Transportoptionen zurückzugreifen. Busse, Taxis, Trams, Ride-Sharing-Angebote, City-Bikes und vieles mehr sollen dank massivem Technikeinsatz zu einer allumfassenden Transportinfrastruktur zusammengefasst werden, die zudem so bezahlbar ist, dass ein eigenes Auto einfach keinen Sinn mehr ergibt.


Warum ist das wichtig? Der Verzicht auf das eigene Auto muss dem Nutzer durch ein flexibles und günstiges Transpostsystem schmackhaft gemacht werden, wie es in den nächsten 11 Jahren in Helsinki entstehen soll.

  • Bis 2025 sollen in Helsinki keine privaten Autos mehr fahren und stattdessen ein flexibles Transportsystem entstehen.
  • Traditionelle kommunale Transportunternehmen und private Anbieter werden auf einer Plattform vereint.
  • Ein flexibles Bezahlsystem, ähnlich dem des Telekommunikationsmarkts, soll den Nutzern den Verzicht auf das eigene Fahrzeug einfach machen.

Die Idee

Derzeit regt sich etwas im Bewusstsein der Gesellschaft – das Auto bekommt gerade bei jüngeren Menschen einen anderen Stellenwert und verliert langsam aber sicher den Status als Transportmittel Nummer eins. Dies hat auch die Finnische Transport-Ingenieurin Sonja Heikkilä beobachtet und daraus, in Kombination mit der steigenden Verbreitung von Mobile-Technologie in ihrer Masterarbeit eine Strategie erarbeitet, wie es in einer Stadt wie Helsinki in naher Zukunft sinnvoller – sprich praktischer und günstiger – ist den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen, als ein eigenes Fahrzeug zu besitzen. Finnlands Verkehrsminister Henna Virkkunen hat Finnland zu diesem Zweck bereits zum Land für offene Verkehrsexperimente – ein Traffic Lab – erklärt.

Die Vision ist, dass alle Transportarten von traditionellem öffentlichem Personennahverkehr, über Taxis, Car Sharing und City Bikes, bis hin zu Transportarten, die noch gar nicht existieren (vielleicht selbstfahrende Autos?), unter einem Portal vereint werden. Ein proaktiver Routenplaner soll dabei Reiserouten anhand von Echtzeit-Verkehrsdaten berechnen und dem Nutzer durch Unfälle oder Wetterwechsel Änderungen vorschlagen. Durch ein Tarifmodell, das dem der Mobilfunkindustrie ähnelt, sollen die Kosten für jeden Nutzer flexibel und so niedrig wie möglich gehalten werden. Denkbar sind Flatrates oder aber „Pay as you go“-Tarife.

Die Umsetzung

So eine drastische Veränderung gegenüber dem derzeitigen System ist sicher keine leichte Aufgabe, aber Helsinki hat bereits mit ersten Schritten für das Erreichen des Ziels begonnen. Im Juni hat das Finnische Ministerium für Transport und Kommunikation das Traffic Lab ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich um ein Informationssystem für Echtzeit-Verkehrsdaten, das in Zusammenarbeit zwischen den lokalen Behörden und Unternehmen entwickelt wird. Für ihre Mitarbeit an dem System erhalten diese Unternehmen Zugriff auf anonyme Verkehrsdaten, die von Privatpersonen gesammelt werden, die sich dazu bereiterklärt haben.

Das Ziel ist es, bis Ende 2015 über 60.000 Fahrzeuge mit TrafficLab-kompatiblen Geräten auszustatten. Diese Daten werden dann teilnehmenden Firmen, egal ob einheimisch oder ausländisch, bereitgestellt. Damit soll das neue System bis 2025 geplant, überprüft und erforscht werden. Damit sollen auch Fragen geklärt werden, wie zum Beispiel welches Verkehrsmittel die durch den Wegfall der privaten Autos entstehende Lücke füllen könnte.

Die Schwierigkeiten

Diese Frage auf die bisher keine Antwort existiert ist aber nicht die einzige Schwierigkeit, der sich die Planer gegenüber sehen. Eine weitere Herausforderung wird die Tatsache, dass unter dem neuen System staatliche und private Transportunternehmen kombiniert werden. Um dies zu ermöglichen muss ein ganzes Ökosystem geschaffen werden, in dem Unternehmen operieren und ihre Dienste in verschiedenen Kombinationen anbieten und neue erschaffen können. Das Vorbild ist der Telekommunikationsmarkt, auf dem der Kunde sich den Anbieter und das Service-Paket auswählen kann, das seinen Bedürfnissen entspricht.

Um dieses Ziel, eine Plattform zu schaffen auf der ein Ökosystem in nur zehn Jahren wachsen kann, zu erreichen muss allerdings auch die Politik sich bewegen. Bisher sind die finnischen Gesetze nicht gerade auf Innovation ausgelegt, so dass die Politiker sich entsprechend für Gesetzesänderungen stark machen müssen. Außerdem wird es nötig, dass die entsprechenden Unternehmen nicht stur gegeneinander konkurrieren, sondern auch Hand in Hand an der gemeinsamen Sache arbeiten. Anfang 2015 soll im Stadtteil Vallila ein erstes Pilotprojekt gestartet werden, dem mit Sicherheit noch viele folgen. Interessant ist das Vorhaben allemal und es ist zu hoffen, dass es eine Vorbildwirkung für andere Städte weltweit hat.


Teaser & Image by Anna B (CC BY-SA 2.0)


ist Wahl-Berliner mit Leib und Seele und arbeitet von dort aus seit 2010 als Tech-Redakteur. Anfangs noch vollkommen Googles Android OS verfallen, geht der Quereinsteiger und notorische Autodidakt immer stärker den Fragen nach, was wir mit den schicken Mobile-Geräten warum anstellen und wie sicher unsere Daten eigentlich sind. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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2 comments

  1. Das konnte ja nur ein Deutscher fabrizieren.(zusammenstellen)
    Bevor ein solches Konzept sich durchsetzt, werden wahrscheinlich viel eher Rentier Schlitten oder auf Rollen durch Finnland fahren…
    Die einen rüsten auf China -Indien usw. – die anderen wollen
    das Rad zurückdrehen. Letztlich dreht sich auch in Finnland alles um C02-vermeidung !

    Erich Richter

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