Whistleblower und Leak-Aktivisten im Kampf um die Informationskontrolle

Die Panama Papers haben die mächtige Rolle der Whistleblower zurück in das öffentliche Bewusstsein gerufen. Einige Jahre nach Cablegate und den Snowdens Enthüllungen von WikiLeaks hat der nächste große Leak nicht nur zum Sturz des isländischen Premierministers (und anderen, die ihm möglicherweise folgen) geführt, sondern gezeigt, dass die Praxis vom Enthüllen versteckter Informationen höchst lebendig ist. Der Kampf um die Kontrolle dieser Art von Informationen ist einer der großen Konflikte unserer Zeit.

Es mag auf den ersten Blick aussehen, als ob diese Leaks selten vorkommen. Die geleakte Herausgabe der Kriegstagebücher aus dem Irak und Afghanistan und der US Diplomaten-Telegramme im Jahr 2010 machten zwar  politisch ziemlich Furore, doch trotzdem ist das öffentliche Interesse an WikiLeaks seitdem gesunken. Die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden aus dem Jahr 2013 über die Massenüberwachungsprogramme der amerikanischen und britischen Geheimdienste, brachten die Macht des Leaks zurück ins Rampenlicht. Sie führten im Vereinigten Königreich zu einer neuen Gesetzgebung in Form des Gesetzes für Ermittlungsbefugnisse. Aber scheinbar setzte daraufhin keine Massenbewegung der Whistleblower ein.

Trotzdem ist viel passiert. WikiLeaks hat damit weitergemacht, versteckte Informationen zu enthüllen. Dazu gehören Akten über die Arbeitsweisen im Guantanamo Bay, geheime Notizen der kontroversen TTIP-Abkommen und, etwas aktueller, eine Aufzeichnung eines IWF-Treffens, das signifikante Einblicke in gegenwärtige Konflikte zwischen dem IWF, der EU und der griechischen Regierung in der Handhabung der Euro-Krise liefert. Zu weiteren Leaks gehören jene, die aufgedeckt haben, dass die HSBC-Bank ihren Kunden geholfen hat, ihr Vermögen zu verschleiern.

Medienorganisationen der alten und neuen Welt haben Verfahren entwickelt, um sich mit den anonymen Daten-Leaks auseinanderzusetzen und die Sicherheit der Whistleblower zu garantieren. Organisationen wie die New York Times, der Guardian und Al-Jazeera benutzen gesicherte, digitale Dropboxen, damit die Dateien dort anonym hinterlegt werden können. Große Herausgeber richteten Kollaborationen für das Teilen von Quellen und Sachkompetenzen ein, um die enorme Datenmenge schnell analysieren und verstehen zu können, so dass die Menge der internationalen Enthüllungen maximiert werden kann.

Leaken und Hacken als Formen des Aktivismus

So hat sich unter den großen Nachrichtenorganisationen eine neue Kultur des “Leak-Aktivismus” hervorgetan. “Hacktivisten-Gruppen” wie Globaleaks haben Technologien für sicheres und anonymes Leaken entwickelt. Lokale oder thematisch orientierte Initiativen bieten Whistleblowern neue Möglichkeiten, geheime Informationen zu enthüllen. Citizen Leaks in Spanien agiert beispielsweise als Vermittler und akzeptiert die Leaks, um sie anschließend zu begutachten und an Partnerzeitungen weiterzusenden. Als Untergruppe der Anti-Korruptionsgruppe Xnet, hat Citizen Leaks dazu beigetragen, schwerwiegende Fälle von Korruption in Spanien aufzudecken. Führende spanische Politiker, wie der frühere Wirtschaftsminister und Vorsitzende der größten Bank Spaniens, Rodrigo Rato, wurden daraufhin vor Gericht gestellt.

Da sie eher Vermittler und eben nicht Herausgeber sind, bleiben Organisationen wie Citizen Leaks weitgehend unsichtbar für die Öffentlichkeit. Aber ihre Rolle ist entscheidend, wenn es um das Aufdecken von Korruption und anderen Verbrechen geht und sie sind ein wichtiger Bestandteil der Veränderung in der Medienlandschaft. Im Anschluss an die WikiLeaks-Enthüllungen aus den Jahren 2010 und 2011 benannte der US Wissenschaftler Yochai Benkler dieses sich entwickelnde Nachrichtenumfeld als eine “vernetzte, vierte Macht”, in dem klassische Nachrichtenorganisationen mit Bürgerjournalisten, alternativen und Community Medien, Online-Nachrichtenplattformen und neuen Organisationen wie WikiLeaks und Citizen Leaks interagieren. Im Fall Snowden hat er (der Whistleblower) mit der Dokumentar-Filmemacherin Laura Poitras, dem unabhängigen Journalisten und ehemaligen Rechtsanwalt Glenn Greenwald und dem Guardian, einer traditionellen Medienorganisation, zusammengearbeitet.

Leak-Aktivisten-Gruppen und Plattformen werden immer relevanter, weil es die Digitalisierung einfacher macht, riesige Datenfunde zu sammeln und zu übermitteln. Die 7000 Seiten der Pentagon-Papiere, die Daniel Ellsberg 1971 fotokopieren musste, wären heute nur eine kleine PDF-Datei, während die große Anzahl der Dokumente, die die Panama Papers ausmachen, in vor-digitaler Zeit unmöglich zu leaken gewesen wären.

Whistleblower unter Druck

Wenn Organisationen anfälliger für Leaks werden, versuchen sie sich mit anderen Mitteln zu schützen. Das Insider-Bedrohungsprogramm, das von öffentlichen Verwaltungsbehörden der USA übernommen wurde, erwartet von den Mitarbeitern, dass sie ihre Vorgesetzten über jedes “verdächtige” Verhalten der Kollegen informieren.

Unter der Obama-Regierung wurden mehr Whistleblower strafrechtlich verfolgt als unter allen vorhergehenden Präsidenten zusammengenommen. Chelsea Manning wurde zu 35 Jahren Gefängnis verurteilt, Julian Assange hält sich in der Ecuadorianischen Botschaft in London versteckt, und Snowden lebt im Exil in Russland. Während Leaks immer häufiger werden, wird die Antwort der Staaten und Kooperationen immer härter.

Whistleblower enthüllen die Geheimnisse der Mächtigen und die Fundamente, auf denen zeitnahe politische und wirtschaftliche Machtbeziehungen aufgebaut werden. Aktivismus, der sich auf das Hacken, das Leaken und das Veröffentlichen von Daten stützt, hat die Instrumente zur Beeinflussung der Weltpolitik in die Hände derer gelegt, die außerhalb der klassischen Macht- und Einflussstrukturen stehen. Aber wie vorherige öffentlich gewordene Leaks gezeigt haben, sind der Grad und die Richtung der Veränderung weit davon entfernt, eindeutig zu sein. Und es gibt keine Zweifel, dass die Konsequenzen das Leben der Whistleblower gravierend verändern können. Bei so vielem, das auf dem Spiel steht, wird das Ringen um die Kontrolle der Informationen wohl auf die oberste Priorität der politischen Tagesordnung haben.

Dieser Artikel erschien zuerst auf “The Conversation” unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.


Image “Pfeife” (adapted) by makamuki0 (CC0 Public Domain)


The Conversation

ist Dozent an der Schule für Journalismus-, Medien- und Kulturstudien in Cardiff und Leiter des Masterstudiengangs Digitale Medien und Gesellschaft. In der Forschung verbindet er Themen wie Kommunikationsmethoden, Medienaktivismus und technologischer Wandel miteinander. Zudem veröffentlicht er als Autor und arbeitet in verschiedenen Projekten und Vereinigungen.


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