Wieso das Weltraumwetter ein Risiko für die Finanzindustrie darstellt

Die üblichen Risikos in der Finanzbranche – Zinssatzänderungen, Wechselkursschwankungen oder einfach das Ergebnis eines nicht verpflichtenden Referendums – sind weithin bekannt. Aber es gibt noch einen anderen Faktor, der das Bankwesen und Investmentfonds beeinflussen kann, ein Faktor dessen sich die meisten von uns wenig bewusst sind: das „Weltraumwetter“. Die Konsequenz daraus, dass man in der Nähe eines dynamischen Sterns wie der Sonne wohnt, sind – abgesehen davon, dass sie unseren Planeten auf genau der richtigen Temperatur hält, damit dieser existieren kann – die Eruptionen und die Explosionen, die sie verursacht. Dies kann Störungen im magnetischen Feld der Erde und der Atmosphäre bewirken, was wiederum Störungen bei einer weiten Spanne von technologischen Systemen, auf die sich die Gesellschaft verlässt,  hervorrufen kann. Das bezieht auch die Technologie ein, die die Finanzindustrie nutzt. Im 19. Jahrhundert war es das Telegraphensystem, das betroffen war. Das System erfuhr Störungen während seines Betriebes und es gab ein Feuer im Büro, als das Equipment anfing, während starker Wetterstürme im All Funken zu sprühen. Seit damals hat sich unsere Techniknutzung verstärkt. Im Ergebnis kann das Weltraumwetter noch mehr Schaden anrichten. Schienenwege, Elektrizitätsnetzwerke und der Funkverkehr sind alle anfällig gegenüber dem Weltraumwetter. Und die Ankunft des Raumzeitalters, in dem wir mehr und mehr von Satelliten für alle Formen der Kommunikation abhängig sind, hat das Problem noch aktueller werden lassen. Das Problem wurde erneut akut, als die Erde einen geomagnetischen Sturm erlebte, der dazu führte, dass das Stromnetz in Hydro-Québec, Kanada, starke Spannungsschwankungen erfuhr. Das löste das Schutzsystem des Stromnetzes aus und führte dazu, dass das gesamte Netzwerk in weniger als 2 Minuten abgeschaltet wurde. Einige Millionen Menschen waren so ohne Strom und das Ganze kostete die Wirtschaft sechs Milliarden Kanadische Dollar. Eindeutig gibt es Risiken für Investment- und Vertriebsbanken, Wechselstuben, Investmentfonds und Versicherungs- und Immobilienfirmen – die alle auf Systeme angewiesen sind, die empfindlich gegenüber dem Weltraumwetter sind. Um zu verstehen, wie genau sich die Risiken manifestieren, haben sich Weltraumwetter-Experten mit Experten des Finanzsektors getroffen. Aus diesen Gesprächen erwuchs eine Einsicht darüber, wie viele Bereiche des Geschäfts genau betroffen sein könnten. Ein neuer Bericht zeigt auf, wo dieser Einfluss spürbar sein kann und schlägt Leitlinien vor, wie Unternehmen Widerstandsfähigkeit erlangen können, wenn es zur Bedrohung durch das Weltraumwetter kommt.

Die Risiken verstehen

Der Ursprung des Weltraumwetters liegt in der Atmosphäre der Sonne, die starke Winde erzeugt, große Ausbrüche von Strahlung, inklusive Röntgen- und UV-Strahlung (Sonneneruptionen) und Eruptionen von elektrisch aufgeladenem Gas und einem magnetischen Feld (koronaler Massenauswurf). Die erste Sonneneruption konnte vor mehr als 100 Jahren, im Jahr 1859, beobachtet werden. Die Entdeckung von koronalen Massenauswürfen erfolgte viel später in den späten 1970er Jahren. Gleichzeitig mit dem Emittieren von Licht und Hitze rasen die Röntgenstrahlen, hochenergetische Partikel mit einem magnetischen Feld, zur Erde und stören das magnetische Feld der Erde. Außerdem sorgen sie – neben der Entstehung von wunderschönen Polarlichtern – dort für elektrische Ströme, wo man sie möglicherweise nicht haben will. Die Lektionen, die wir aus dem Hydro-Québec-Sturm und der Dysfunktion der Satelliten über die Jahrzehnte gelernt haben, haben uns geholfen, die Gefahrenstufe, die vom Weltraumwetter ausgeht, zu verstehen und auch gezeigt, wie wir die Effekte abwehren können. Die Länder umfassenden Netze werden so konstruiert, dass sie widerstandsfähiger sind. Es werden täglich Vorhersagen für das Weltraumwetter der kommenden Stunden und Tage ausgegeben. Der erste Schritt in Richtung Entschärfung der Effekte des Weltraumwetter ist es, den Überblick darüber zu behalten. Ganz grundsätzlich wird für die verschiedenen Systeme, die gebraucht werden, um finanziellen Handel profitabler und unsere persönlichen Finanzen Schritt für Schritt papierlos werden zu lassen, eine ständige und ununterbrochene Stromversorgung gebraucht. Während mancher extremer Weltraumwettersituationen können aber Schauer durch hochenergetische Partikel und die Strahlung von Sonneneruptionen Schlüsselsysteme beeinträchtigen. Dies kann die Verarbeitung der extrem hohen Datenvolumen der Transaktionen behindern – die Übertragung von Aktien, Anteilen oder Geld zum Beispiel. Das synchronisierte Timing der Transaktionen ist unerlässlich und der Zeitstempel kommt oft von globalen Positioniersatelliten, deren Signale durch das Weltraumwetter beeinträchtigt werden können. Noch grundsätzlicher kann das Weltraumwetter auch den Flugverkehr beeinflussen, also eine zunehmend normale Funktion vieler Unternehmen. Die Unterbrechung, die das Wetter im Funkverkehr hervorrufen kann, kann dazu führen, dass Flüge unterbrochen, umgeleitet oder sogar gestrichen werden. Jetzt, wo die Anfälligkeiten identifiziert worden sind, kann eine Reihe von Lösungen entwickelt werden. Die Unternehmen haben Krisenmanagementteams vor Ort und auch das Weltraumwetter kann vorhergesehen werden. Interne Übungen können ausgeführt werden, um herauszufinden, welche Auswirkungen des Weltraumwetters für jedes einzelne Unternehmen hat. Die Prozesse können dementsprechend aufgebaut oder erweitert werden. Keine Panik also wegen des Weltraumwetters. Aber wir sollten trotzdem nicht vergessen, wie sehr es unsere Aktivitäten und die Technik, auf die wir uns täglich verlassen, beeinflussen kann. Dieser Artikel erschien zuerst auf „The Conversation“ unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.


Image (adapted) „Comet landing / Kometenlandung“ by DLR German Aerospace Center (CC BY 2.0)


ist Dozentin der Physik und Research Fellow der Royal Society am Mullard Space Science-Labor und der Abteilung für Weltraum- und Klimaforschung an der UCL. Ihr Spezialgebiet ist die Solarforschung und die Auswirkungen des Magnetismus auf die Energiefelder der Erde.


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