Web-Highlights 2012 – Im Gespräch mit Deutschlands Webbies (Teil 3)

Im aktuellen Netzpiloten Boarding Call fragen wir Experten, was deren Web-Highlight im Jahre 2012 gewesen ist. Heute mit dabei: Jürgen Vielmeier und Dirk von Gehlen.

Das Jahr 2012 war wieder einmal ein bewegendes Jahr. Der Viral „Kony 2012“, war das erste Internetvideo, das innerhalb von fünf Tagen 70 Millionen Mal aufgerufen wurde. Facebook hat die Nutzer-Milliarde durchbrochen und Redbull zusammen mit Felix Baumgartner sämtliche YouTube-Rekorde auf einen neuen Höchststand katapultiert. Doch was hat deutsche Webbies, neben diesen Meldungen der Superlative noch so bewegt? Wir haben einige Web-Influencer gefragt: „Was war dein diesjähriges Highlight im Web?“


 

Jürgen Vielmeier (Neuerdings, Netzwertig)

Früher, damals, 2009, als es noch cool war, „Web 2.0“ zu sagen, gab es natürlich schon Überlegungen, wie eigentlich die nächste Generation aussehen würde. Web 3.0, das war das semantische Web, mobil war es auch, etwas, das Dienste verknüpft, gar mitdenkt. Und Ende 2012? Da ist es ganz plötzlich da, dieses Web 3.0. Das Netz, das uns immer einen Schritt voraus ist. Nokia Drive checkt morgens selbständig die Verkehrslage und sagt dem Pendler, wie lange er noch schlafen kann. Der Organizer im neuen Blackberry 10 scannt den Posteingang und listet auf, wer an einem Termin teilnimmt. Sidekick findet selbst heraus, ob der Nutzer gerade zu Hause oder am Arbeitsplatz ist und passt die Einstellungen eines Laptops automatisch an.

Wir haben in diesem Jahr die ersten Ansätze gesehen, wie Informationen intelligent verknüpft werden und schon wirkt die einzelne App total passé, die jahrelang das Highlight mobiler Systeme war. Dish.fm sammelt Informationen von Foursquare und Yelp, um Nutzern anzuzeigen, was sie am besten essen können. Die bald startende Mailbox App für das iPhone lässt E-Mails direkt in Tasks umwandeln. Microsoft verknüpft Chat, Kalender, Bilder, Dokumente für Windows Phone 8 in virtuellen Räumen. Startups zur Papiervermeidung wie Smarchive und Doo wollen mein Mailpostfach nach Rechnungen durchkämmen und mir dabei helfen, sie mit einem Mausklick zu bezahlen. Und Google Now (direkt imitiert von Grokr) setzt derzeit allem die Krone auf, indem es Interessen und Verpflichtungen erkennt und uns ohne Nachfrage im Vorfeld mit passenden Informationen versorgt.

Das Schöne ist, dass wir erst am Anfang dieser neuen Ära stehen. In den nächsten Jahren werden solche Mitdenk-Dienste wie Pilze aus dem Boden schießen mit Ideen, von denen wir nicht einmal zu träumen wagten. Mein Highlight 2012 ist also an sich kein einzelnes Ereignis, sondern vielmehr der Beginn einer spannenden Entwicklung. Ich freue mich sehr darauf.


Jürgen Vielmeier bekam 1998 seinen ersten eigenen Internetanschluss und ist seitdem nicht mehr offline gegangen. Erst lernte er „was Anständiges“, dann studierte er was mit Internet und Kommunikation, bloggte zum ersten Mal 2001 und verdient seitdem seine Brötchen online. Heute ist er Redakteur und stellvertretender Redaktionsleiter bei Neuerdings.com und schreibt außerdem für Netzwertig und sein Privatblog JuergenVielmeier.de. Angesichts der rasanten Entwicklungen der vergangenen Jahre wundert er sich bis heute, warum es noch immer kein Tool gibt, das seine Steuererklärung automatisch erstellt.


 

Dirk von Gehlen (Süddeutsche/jetzt.de)

Mein persönliches Web-Highlight des Jahres war – das muss ich so selbstbezogen bekennen – das unfassbar tolle Feedback auf mein Crowdfunding-Projekt “Eine neue Version ist verfügbar”. Es hat mir gezeigt, dass es sich lohnen kann, neue Wege zu gehen und in andere Richtungen zu denken. Und das geht auch über meine private Perspektive hinaus: Das Jahr 2012 war aus Netzperspektive hochpolitisch gerade deshalb blicke ich besonders gern auf die Geschichte des Dudel-Hits “Call Me Maybe” zurück, der im Laufe des Jahres durch die Mashup- und Möglichkeits-Maschine des Netzes gejagt wurde – mit zum Teil begeisternden Ergebnissen von z.B. Barack Obama, der Sesamstraße oder Jimmy Fallon.

Die (Versions-)Geschichte des Songs zeigt: Wir brauchen im Netz nicht mehr Regulierung, sondern eine gestaltende Kultur, die die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzt statt sie zu blockieren. Acta, Pipa, Sopa und die Einzäunungen der großen Anbieter und Netzwerke sind direkte Angriffe auf die Grundstruktur eines freien und interoperablen Internets. Die Aufgabe fürs kommende Jahr lautet: Genau das zu schützen!


Dirk von Gehlen leitet bei der Süddeutschen Zeitung die Abteilung “Social Media / Innovation”, zu der auch das mehrfach ausgezeichnete junge Portal jetzt.de zählt. Aktuell arbeitet er an dem Buchexperiment “Eine neue Version ist verfügbar”, das die Ideen aus seinem 2011 bei Suhrkamp veröffentlichten “Mashup” weiter entwickelt. Privt bloggt @dvg unter digitale-notizen.de.


 


schreibt seit 2011 für die Netzpiloten und war von 2012 bis 2013 Projektleiter des Online-Magazins. Zur Zeit ist er Redakteur beim t3n-Magazin und war zuletzt als Silicon-Valley-Korrespondent in den USA tätig.


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