Web-Highlights 2012 – Im Gespräch mit Deutschlands Webbies (Teil 1)

Im aktuellen Netzpiloten Boarding Call fragen wir Experten, was deren Web-Highlight im Jahre 2012 gewesen ist. Heute mit dabei: Dennis Horn und Victoria Gorgs.

Das Jahr 2012 war wieder einmal ein bewegendes Jahr. Der Viral „Kony 2012“, war das erste Internetvideo, das innerhalb von fünf Tagen 70 Millionen Mal aufgerufen wurde. Facebook hat die Nutzer-Milliarde durchbrochen und Redbull zusammen mit Felix Baumgartner sämtliche YouTube-Rekorde auf einen neuen Höchststand katapultiert. Doch was hat deutsche Webbies, neben diesen Meldungen der Superlative noch so bewegt? Wir haben einige Web-Influencer gefragt: „Was war dein diesjähriges Highlight im Web?“


 

Dennis Horn (ARD)

Das Jahr 2012 hat mich dazu gebracht, über Macht nachzudenken. Die großen Player haben uns zu viel „Friss oder stirb“ vorgesetzt: Facebook schafft die Mitbestimmung ab, Google führt unsere Daten aus all seinen Diensten zusammen, Amazon sperrt einer Nutzerin ihr digitales Bücherregal, Twitter verwandelt sich vom Online-Dienst in ein Medienunternehmen. Und was machen wir? Wir halten uns im Klein-Klein auf, diskutieren über Datenschutz und Privatsphäre – aber nicht über das große Ganze.

Facebook, Google, Amazon, Twitter – all diese Anbieter sind sehr mächtig geworden. An Facebook hängen nicht nur die Chatfreundschaften von Teenies. An Google nicht nur die schnellen Suchergebnisse. An Amazon nicht nur die Weihnachtsgeschenke. An Twitter nicht nur 140 Zeichen. Diese Dienste sind Plattformen, die in unserem Leben jeden Tag eine große Rolle spielen: Über Facebook organisieren sich ganze Vereine oder Schulen, an Google hängen Industrien und Geschäftszweige, auf den Servern von Amazon liegt die halbe Start-up-Welt, und Twitter bestimmt das Nachrichtengeschehen mit.

Wir brauchen Lösungen gegen dieses „Friss oder stirb“. Wir könnten über Macht und über Eigentum nachdenken. Wem gehört Facebook? Mark Zuckerberg und seinen Aktionären? Oder eher den Nutzern und Firmen, die daran hängen? Wir könnten über Plattformneutralität nachdenken. Darf Google alles? Oder brauchen wir eine Regulierungsbehörde, die es in die Schranken weist? Wir könnten über Zerschlagung nachdenken. Sollten unsere Daten wirklich weiter bei diesen Konzernen liegen? Oder sollten wir sie woanders speichern – und ihnen nur noch den Zugriff gewähren?

Ich fände es spannend, einmal über diese Fragen und über Lösungen nachzudenken – und weniger Zeit mit dem x-ten hysterischen Beitrag in Sachen Datenschutz und Privatsphäre zu verbringen. Vielleicht schaffen wir das. 2013.


Dennis Horn arbeitet seit über zehn Jahren für die ARD. Er ist unter anderem für den WDR als Online-Experte im Radio und im Fernsehen tätig, ist Mitglied der Sportschau-Redaktion und arbeitet für die Hörfunk-Nachrichten im Hessischen Rundfunk. Horn ist an Hochschulen und Akademien unterwegs, um Journalisten das Internet zu erklären. Und hofft, dass eines Tages die Angst vor dem „bösen Internet“ stirbt. Anzutreffen auf Facebook und Twitter.


 

Victoria Gorgs (Focus Online)

Mein persönliches Web-Highlight 2012 ist die US-Wahl im November: Die Online-Communitys waren nie zuvor repräsentativer. Schon 2008 war Obama ein Social-Media-Vorreiter mit seiner virtuellen Wahlkampfzentrale „My BarackObama“, einem Obama-eigenen sozialen Netzwerk und der Unterstützung von Facebook-Mitbegründer Chris Hughes. Damals gaben 66 Prozent der 18- bis 29-jährigen US-Bürger Obama ihre Stimme.

Vier Jahre später ist aus dem Social-Media-Kenner ein Experte geworden, ein „President der Memes“, der mit dem meistgetweeteten Foto jemals – „Four more Years“ – Twitter-Geschichte geschrieben hat. Auch auf Facebook empfahlen mehr als 4,4 Millionen Menschen die Botschaft. Viele Nachrichtenseiten und Blogs haben bereits im Voraus den Sieg Obamas vorhergesagt und sich dabei auf eindeutige Hinweise gestützt: Die Suchanfragen für Obama waren um ein Vielfaches höher als bei Romney und nicht zuletzt sprachen sämtliche Net-Sentiment-Analysen mehr als eindeutig für den amtierenden Präsidenten.

Wie oft ich in meinen Newsfeeds Fotos von einem freundlichen, emotionalen Obama gesehen habe, der selbst der Putzkraft im Weißen Haus High-Five gibt! Solche Statements kursierten nicht erst unmittelbar vor der Wahl im Netz, sie waren bereits in den vergangenen zwölf Monaten konstant sichtbar. Romney hätte diese Online-Trends noch früher erfassen müssen, um sich in den sozialen Netzwerken auf Augenhöhe des Präsidenten bewegen zu können. Obama hat die US-Wahl durch Social Media gewonnen – das ist für mich eins der Highlights 2012 – ein Jahr, in dem Follower erneut zu Wählern wurden.

Auch deutsche Politiker erkennen das nach und nach, pünktlich zum Wahlkampfstart legen hier hartnäckige Social Media Verweigerer wie Peer Steinbrück oder vielmehr deren PR-Manager Twitter-Accounts an. Wie glaubwürdig und erfolgreich das ist, bleibt abzuwarten. Auch wenn unsere Social Media Monitoring Tools bisher kaum mit amerikanischen mithalten können, wird dieses Thema besonders interessant zur Bundestagswahl 2013 werden.


Victoria Gorgs ist Social Media Manager bei FOCUS Online, bekennender Facebook UND Google+ Fan (ja, gibt´s auch ab und zu). Die Düsseldorferin fühlt sich seit 1 1/2 Jahren wohl in München und genießt dort das bayerische Essen und die Nähe zu den Bergen. Sie freut sich über spannende Kontakte auf Twitter, Facebook und Google+, ist dort gut zu erreichen und probiert im Social Web gerne Neues aus.


 


schreibt seit 2011 für die Netzpiloten und war von 2012 bis 2013 Projektleiter des Online-Magazins. Zur Zeit ist er Redakteur beim t3n-Magazin und war zuletzt als Silicon-Valley-Korrespondent in den USA tätig.


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4 comments

  1. Es ist und bleibt eine wichtige Aufgabe des Staats, Unternehmen mit Monopolmacht aufzubrechen in kleinere Teile. Unser Modell vom Kapitalismus hat Konkurrenz als Grundlage. Ohne Konkurrenz sind wir erledigt!

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