Wasteland 3 Test: Das echte Fallout ist zurück

Wasteland ist zurück und bringt euch mit Wasteland 3 nicht etwa ins staubige Ödland, sondern ins eisige Colorado. Während das Setting des Rollenspiels frisch ist, bleibt der typische Wasteland-Humor allerdings erhalten. Doch kann das postapokalyptische Abenteuer mit einem Baldur’s Gate 3 am Horizont bestehen? Oder ist es doch nur ein Lückenfüller bis zum vermeintlich nächsten „Big Thing“ ? Wir nehmen euch mit ins eisige Colorado und das sehr zeitgemäße politische Chaos, das dort vorherrscht.

Wasteland – die Wurzel der Fallout-Spiele

1988 war nicht nur das Jahr, in dem ein gewisser Autor dieses Tests das Licht der Welt erblickte. Wenige Monate zuvor veröffentlichte Electronic Arts das Spiel Wasteland und ließ Spieler in eine vorher noch nie so lebendige, virtuelle postnukleare Welt abtauchen. Dass das Spiel zu der Zeit an mir vorbei ging, muss ich wohl kaum erklären. Sein Erbe kenne ich aber umso besser. Wegen eines Rechtsstreits um die Marke Wasteland entstand der inoffizielle Nachfolger Fallout. Damals noch mit rundenbasiertem Kampfsystem, kennt man die Reihe ab Teil 3 unter Bethesda eher als Shooter-Rollenspiel.

Warum erzähle ich das Ganze? Zum einen, weil die Wurzeln solcher Reihen spannend sind, zum anderen aber auch, damit nicht der falsche Gedanke entsteht, Wasteland 3 würde von der Fallout-Reihe abkupfern. Denn auch wenn die Benennung der Attribute nach ihren ersten Buchstaben als CLASSIC ein ganz klarer Seitenhieb auf das SPECIAL-System von Fallout ist, bleibt Wasteland 3 in erster Linie seiner eigenen Herkunft treu. Dafür sorgt auch Chef-Entwickler Brian Fargo, der bereits für das erste Wasteland mit verantwortlich war.  

Hier kannst du Wasteland 3 übrigens kaufen (Provisionslink)

Gnadenloses Colorado

Wir befinden uns in den USA im 22. Jahrhundert. Nach den Geschehnissen aus Wasteland 2 (das man aber nicht gespielt haben muss), zieht es ein Trupp von Desert Rangern von Arizona nach Colorado. Der dort herrschende „Patriach“ Saul Buchanan verspricht uns Hilfe, wenn wir uns im Gegenzug um ein kleines Familienproblem kümmern. Doch die Desert Ranger geraten in einen Hinterhalt, bei dem nur zwei Ranger überleben und sich aus der Gefahr kämpfen können.

Der Patriach gesteht nach diesem Vorfall sein eigenes Versagen ein und bietet uns Hilfe beim Aufbau einer neuen Ranger-Basis in Colorado. Selbstverständlich geschieht das nicht ohne eigene Interessen. Schließlich ist da noch das besagte Familienproblem. Seine Kinder sägen nämlich bereits eifrig am Thron des Patriachen und wir sollen uns darum kümmern. Nebenbei müssen wir aber auch unsere Basis stärken und uns mit den Interessen unterschiedlichster Parteien rumschlagen. Colorado ist ein Pulverfass und wir müssen es irgendwie durch den Feuersturm bekommen.

Trotz einer Menge abgefahrenen Humors bei dem wir Toaster reparieren, mit eingefrorenen Frettchen schießen und Clowns während einer YMCA-Performance angreifen, ist die Welt knüppelhart und verzeiht wenig. Schon am Anfang wird man mit schwierigen Entscheidungen konfrontiert, beispielsweise wenn zwei Funksprüche zugleich reinkommen, die Zeit aber nur reicht, um einem nachzukommen. Auch so manche Entscheidung, die man aus gutem Herzen trifft, kann später eine gewaltige Blutspur nach sich ziehen.

Der Casino-Besitzer Faran Brygo
Casino-Besitzer Faran Brygo ist nicht nur eine Anspielung auf Chef-Entwickler Brian Fargo, sondern fordert uns auch schwierige Entscheidungen ab. Screenshot by Stefan Reismann.

 

Ich bastel mir einen Charakter? Nein – Ich bastel mir vier!   

In Wasteland 3 spielen wir eine Gruppe aus vier selbsterstellten Charakteren, die um zwei zusätzliche Gefährten aus der Story ergänzt wird. Die ersten Charaktere die wir erstellen, sind die beiden überlebenden Ranger zu Beginn. Kurz darauf folgen die nächsten beiden als unsere ersten neuen Rekruten. Im Kern ist Wasteland 3 dabei nah an Pen & Paper-Rollenspielen wir Dungeons & Dragons. Die Attribute sind dabei noch die gleichen wie beim ersten Teil und werden durch Skillpunkte ergänzt, die wir auf Fähigkeiten verteilen, die uns ihrerseits eine weitere Spezialisierung durch sogenannte Vorteile ermöglichen. Die Charaktererstellung ist komplex und man sollte sich daher mindestens eine Stunde Zeit freischaufeln, wenn man das Spiel anfängt.

Neben den Attributen wählen wir auch einen Hintergrund. Leider gibt dieser nur kleine Boni und hat keinen Einfluss auf Dialogmöglichkeiten. Hier verschenkt man einiges an Potential bei Hintergründen wie „Ziegenmörder“, „trübseliger Poet“ oder „Bettsportler“. Gleiches gilt für die Macken, die wir auswählen dürfen. Diese geben uns allerdings nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile. So bekommt der Pyromane starken Bonus auf Feuer- und Explosionsschaden – leider besteht dann auch die Chance, dass er sich im Feuereifer selbst anzündet. Es gibt sogar sehr fragwürdige Macken wie „Pantomime“. Wir dürfen unsere Charaktere zwar auch ohne Macke erstellen, aber mal ehrlich: Warum auf den Spaß verzichten?

Auch das spätere Steigern des Charakters muss überlegt sein. Anders als viele andere Spiele, erlaubt uns Wasteland 3 im Test nämlich kein Zurücksetzen verteilter Attributs- und Fertigkeitspunkte. Allerdings können wir jederzeit unsere 4 selbsterstellten Charaktere durch neue Charaktere ersetzen, die zufällig von Aussehen und Namen gleich sein können. Diese „neuen“ Rekruten haben dann auch ähnlich viele Erfahrungspunkte. 

Wasteland 3 – zwischen Fallout, Divinity und XCom

Eine umfangreiche Charaktererstellung macht aber nicht gleich ein spaßiges Kampfsystem. Und an Kampfbegegnungen mangelt es in Wasteland 3 im Test nun wirklich nicht. Das Spiel vertraut dabei auf erprobte Zutaten. Wie im Vorgänger Wasteland 2 oder den Divinity: Original Sin-Spielen verfügt jeder Charakter pro Runde über eine Anzahl Aktionspunkte, die vom Attribut „Koordination“ abhängig ist. Leider macht es das Attribut damit quasi unverzichtbar, während andere Attribute für einen Großteil der Charaktere zu vernachlässigen sind. Trotzdem habe ich mir zu Beginn des Spiels auch einen Charakter mit vollem Charisma gemacht, der dadurch anfangs in erster Linie die Gruppe stärkte.

Ein Kampf in Wasteland 3
2 Gruppenmitglieder liegen bereits am Boden. Doch mit schwerem Geschützt wird sich den letzten Gegnern gestellt. Screenshot by Stefan Reismann.

Im Gegensatz zum Vorgänger gibt es keine einzelnen Initiativen, sondern eine Angriffrunde für die komplette Gruppe. Das öffnet neue Wege zum Taktieren. Unser „Big Boy“ mit dem Flammenwerfer wird dann mal als Erster voran geschickt, damit ich nicht versehentlich meine eigenen Leute grille. Dann schwächen wir noch gezielt ein paar andere Gegner, damit unser Experte am Sturmgewehr von seiner Macke „Massenmörder“ profitiert. Er hat einen Aktionspunkt weniger zur Verfügung, bekommt aber für jeden Kill 3 Punkte gutgeschrieben. Die Bezeichnung „Massenmörder“ trifft es auch in diesem Kampf wieder sehr gut. Unser Sniper darf derweil dank aufgeladenem Spezialangriffs gezielt den Flammentank eines Gegners aufs Korn nehmen. Darüber freut sich auch unser Pyromane.

Die zweite wichtige Säule des Kampfsystems ist das simple Deckungssystem, das wir auch aus den XCOM-Spielen kennen. Charaktere können sich im Kampf hinter Objekten begeben, die volle oder halbe Deckung versprechen und damit schwieriger zu treffen sind. Natürlich ist man von anderen Seiten nicht zwingend geschützt und es gibt außerdem auch Spezialangriffe, die den Schutz durch Deckung egalisieren. Da es keine wirkliche Allzweckwaffe gibt und Munition begrenzt ist, sollte man die Gruppenmitglieder auf unterschiedliche Waffen spezialisieren.

Das C steht für Console

Mit seinen Pen & Paper-Wurzeln gehört Wasteland 3 zum Genre das früher als CRPG bezeichnet wurde. Das C stand für Computer – und CRPG damit für „Computer-Rollenspiele“. Obwohl mittlerweile auch viele Spiele wie Divinity: Original Sin 2 auf Konsolen großen Erfolg feierten, wird der Begriff CRPG trotzdem weiterhin genutzt. Bei Wasteland 3 habe ich allerdings mehr das Gefühl, dass das „C“ für Console steht. Man merkt nämlich schon, dass hier Cross-Plattform entwickelt wurde und der Fokus damit auf Controller-Steuerung lag.

Das Inventarslots etwas großzügiger bemessen sind, ist schon seit Jahren nichts neues, doch hätte ich mir das Inventar mit der Maus etwas reaktiver gewünscht. Es braucht immer einen Moment, ehe beim Mouseover Informationen zum Gegenstand eingeblendet werden. Gerade wenn man das Inventar aufräumen möchte, ist die Verzögerung schon ein Ärgernis. In Dialogen sind es ähnliche Kleinigkeiten wo man das Gefühl bekommt, dass beim Design der Boxen wenig an Mausnutzer gedacht wurde. Es kommt weniger Feedback vom Interface, als man es gewohnt ist.

Erfreulicher ist da die Akustik. Zwar gibt es nur eine englische Sprachausgabe, doch diese ist diesmal durchgängig und Qualität der Sprecher auf gutem bis hervorragendem Niveau. Da macht sich vermutlich doch das Budget von Microsoft bemerkbar, denen das Studio inXile seit November 2018 angehört. Grafisch ist das Spiel dann aber doch noch eher „Indie“. Im Vergleich zum Vorgänger gibt’s allerdings deutlich mehr optische Charakteranpassungen, schönere Animationen und sogar einige Nahaufnahmen in wichtigen Dialogen.

Dem Papagai Polly wird ein Keks angeboten.
Träume werden wahr. Ich darf dem vorlauten Papagai Polly (vom Sprechblasen-Symbol etwas verdeckt) tatsächlich einen Cracker anbieten. Screenshot by Stefan Reismann.

Fazit – Wasteland 3 ist mehr als nur ein Lückenfüller

Wasteland 3 kann man zugegeben neben den kommenden Giganten Baldur’s Gate 3 und natürlich Cyberpunk 2077 übersehen. Dabei ist das Ödland-Abenteuer nicht nur eine kleine Vorspeise. Der Umfang selbst ist nämlich schon immens und unterhält einen mehr als 50 Stunden.

Die Spielzeit besteht dabei größtenteils aus Kämpfen – was auch an dem taktischen Kampfsystem liegt, das wir irgendwo zwischen XCOM und Divinity verorten dürfen. Dabei taktieren wir immer mit unseren Aktionspunkten, den Spezialfähigkeiten unserer Charaktere und dem Deckungssystem, um am Ende maximale Verwüstung anzurichten. Unterstützt werden wir von einem riesigen Arsenal klassischer Waffen, die durch einige etwas ungewöhnlichere Meinungsverstärker ergänzt werden, die selbst vor gefrorenen Frettchen keinen Halt machen. Dass wir dabei vier von sechs Charakteren selbst erstellen, kommt dem taktischen Aspekt sehr entgegen.

Die Kämpfe sind aber auch Teil einer unerbittlichen Welt, in der sich meist jeder selbst der Nächste ist. Oder zumindest jede Gruppierung, von denen es im Spiel so einige gibt. Nicht selten müssen wir uns im Verlauf des Spiels für die eine oder andere Seite entscheiden und können damit das Machtgefüge ganzer Orte gehörig durcheinander wirbeln. Trotzdem können es durchaus auch Nebenquests sein, die uns solche Entscheidungen im Kleinen oder Großen abverlangen, uns aber auch mit Fraktionsruf, Geld oder zusätzlichem Personal in unserem Ranger-HQ belohnen.

Wasteland 3 schafft den Spagat, auf der einen Seite völlig absurd und abgedreht zu sein, auf der anderen Seite auch ernste Konsequenzen zu zeigen, selbst wenn wir moralisch richtig gehandelt haben. Überhaupt bekommen wir eher moralische Grautöne vorgesetzt, hinter denen oft nachvollziehbare Motive stehen. Einige sind aber auch schlicht wahnsinnig – und das gehört schließlich auch zu jeder guten Dystopie.

Wasteland 3 jetzt als Key auf MMOGA kaufen (Provisionslink)


Image by inXile via Koch Media


Artikel per E-Mail verschicken
Schlagwörter: , ,