Videokolumne vom 8. Dezember 2013

In der Videokolumne heute unter anderem: Wo eigentlich die TV-Quoten herkommen, das Treffen zweier ungleicher Frauen und ein musikalisches Andenken zum Todestag von John Lennon. //von Hannes Richter

Lock (Bild: Screenshot Youtube)

Es ist so eine Sache mit den Mediatheken und Videoplattformen: Für viele Digital Natives sind sie schon Fernsehersatz – vieles ist überall abrufbar, manches aber nur auf Zeit: Gerade die öffentlich-rechtlichen Programme in den Mediatheken der Sender sind oft nach einer Woche wieder offline. Verlängertes Fernsehen statt digitales Archiv. Bevor sie verschwinden, fischt Hannes Richter die besten Perlen des TV-Vielfalt aus den Online-Archiven und präsentiert sie in seiner wöchentlichen Kolumne.


HINTERGRÜNDE DER QUOTENMESSUNG: Die Erfolgs-Quote

AUS DER MEDIATHEK – 3Sat +++ Sendung vom 1.12.2013: Schaue ich wirklich hin, wenn der Fernseher gerade nur nebenbei läuft? Ist egal, was ich schaue, nur weil ich kein EU-Bürger bin? Schaue ich anders fern, wenn ich weiß, dass ich beobachtet werde? Der Medienwissenschaftler Matthias Weser nennt letzteres in dem kurzen Erklärstück Die Erfolgs-Quote der 3Sat-Wissenschaftsredaktion eine Experimentalanordnung. Fernsehen sei für die 5640 Teilnehmer an der Quotenforschung keine alltägliche Praxis mehr. Und doch: Was diese super repräsentativ ausgewählten TV-Zuschauer (also ohne zum Beispiel die 2,5 Millionen in Deutschland lebenden Menschen mit einem türkischen Pass natürlich) täglich schauen bestimmt Karrieren und mitunter ganze Sender. Alle Fernsehwelt schaut auf die Quote. Sie ist vor allem ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor, der Hauptindikator für die Bestimmung der Werbepreise. Gruselig wenn man sich klar macht, auf welch wackligem Fundament die Messung der Quoten alltäglich Zustande kommt. Diese Doku ist deshalb in allererster Linie erstmal hoch interessant. Unaufgeregt und sachlich wird das System auf seine Schwachstellen abgeklopft.


2013: Smart-TV sendet Nutzerinformationen

AUS DER MEDIATHEK – NDR +++ Sendung vom 27.11.2013: Die neuen Zeiten sind es vor allem, die der klassischen Quotenforschung das Leben schwer machen, das ist eine der wichtigsten Schlussfolgerungen aus der 3Sat-Dokumentation. Wie zum Beispiel Zugriffszahlen aus den Mediatheken ausgewertet werden sollen, wird noch diskutiert. Und wäre es nicht schöner, wenn man direkt vom Zuschauer alle relevanten Informationen bekommen könnte? Wie praktisch, dass es Smart-TV gibt, der neueste Schrei aus den vorweihnachtlichen Media-Märkten. Mit dem Internet verbundene Fernseher erlauben dem Zuschauer direkten Zugriff auf verpasste Sendungen und verbinden das Sofa mit der Welt da draußen. Bisher noch wenig bekannt: Die Daten fließen in beide Richtungen. Zumindest bei LG-Fernsehern konnte das NDR-Medienmagazin ZAPP feststellen, dass Daten über das Nutzungsverhalten des Fernsehers unverschlüsselt an Server in Südkorea gesendet werden. Das schließt auch die Dateinamen von privaten Videos ein, die von USB-Sticks abgespielt werden. Der Beitrag beginnt bedeutungsschwanger mit einem Zitat aus Orwells 1984: „Der Televisor war gleichzeitig Empfangs- und Sendegerät. […] Es bestand natürlich keine Möglichkeit festzustellen, ob man in einem gegebenen Augenblick gerade überwacht wurde.“


SPOILER ALERT: Hauptdarsteller lesen das Breaking-Bad-Finale

Bryan Cranston und Aaron Paul wissen, dass sie gefilmt werden. Die Idee zur Experimentalanordnung hatten die beiden als Meth-Köche Walter und Jessie aus der Serie Breaking Bad bekannten Schauspieler auch selbst, zumindest wenn man dem PR-Text der DVD-Produzenten glaubt. In einer Dokumentation für das Bonusmaterial der im nächsten Jahr erscheinenden Gesamtausgabe geht es um die Dreharbeiten der finalen Folge, der Fans monatelang entgegengefiebert hatten. So ging es aber auch den beiden Hauptdarstellern, die hier das erste Mal gemeinsam das Skript lesen und erfahren, welches Ende sich die Schreiber für ihre beiden Charaktere ausgedacht haben.
Eine kluge PR-Strategie und die erstaunliche Fähigkeit, Geheimnisse zu bewahren, trugen über Jahre hinweg wesentlich zum Kult um Breaking Bad bei. Während der Zuschauer zum einen die immer besser werdende Serie verfolgen konnte, vermittelten offene Interviews mit dem sympathischen Team und Clips aus dem Writer’s Room die glaubhafte Annahme, dass es den Machern in erster Linie darum geht, gutes Fernsehen zu schaffen. Insofern ist diese Szene folgerichtig und dennoch besonders. Denn die hingefläzt auf der Couch lesenden Darsteller vermitteln eine seltsam wohlige Authentizität, wenn sie vom Grande Finale des Epos‘ genauso überrascht werden, wie wir (sic!) Zuschauer es noch vor wenigen Wochen waren – als alles zu Ende ging.


DURCH DIE NACHT MIT… zwei unterschiedlich emanzipierten Frauen

AUS DER MEDIATHEK – arte +++ Sendung vom 7.12.2013:
„Durch die Nacht mit…“ ist inzwischen eine feste Marke des Kultur-Senders arte. Faszinierend wie es die Macher immer wieder schaffen, interessante Paarkonstellationen zu finden. Mal kommen die beiden Protagonisten aus der gleichen Branche, haben aber nicht viel gemeinsam, wie in der denkwürdigen Sendung, als Shooting-Star Lena den Neo-Hiphopper Casper sichtlich unterforderte. Und mal lernt man durch die lockere Atmosphäre in dem Gespräch mit Tänzer Ismael Ivo aus dem November 2003 eine ganz andere Marina Abramovic kennen, als die Ego-Maschine, die inzwischen aus ihr geworden ist.
In der aktuellen Ausgabe trifft die Ex-Pornodarstellerin Sasha Grey, die es auf einige Berühmtheit gebracht hat, weil sie auf einmal keine Lust mehr hatte und ein Buch schrieb, auf die Berliner Underground-Sängerin Mary Ocher. Während sich erstere als eher uninteressant entpuppt, überrascht Ocher mit ihrer zurückhaltenden Art. Ihr letztes Album War Songs hat erst im letzten Sommer den Weg in die Musikredaktionen gefunden, abseits des Mainstreams ist sie in Berlin schon lange ein Phänomen, ob in der Flittchenbar oder beim sonntäglichen Hipstertreff in der Darkroom-Kneipe Ficken3000. „Bekennende Exzentrikerin“ nennt die Spex das schüchterne Wesen. Aber ihre Exzentrik passt nicht wirklich zum Awesome-Glitzer der Amerikanerin. Vor Mary Ochers gelebter Andersartigkeit verblasst die Vom-Porno-zur-Kunst-Legende des „Dirtiest Girl in the World“ (Rolling Stone) zur Pose.


ERINNERUNG AN JOHN LENNON Walking on Thin Ice

Als John Lennon am 8. Dezember 1980 vor dem Dakota House in New York erschossen wurde, hielt er ein Tape in der Hand. Für die Aufnahme von Yoko Onos Song Walking on Thin Ice hatte er gerade im Studio die Lead-Gitarre gespielt, nun wollte das Paar noch schnell nach Sohn Sean schauen. Kurz nach den Aufnahmen, berichtet Yoko Ono, soll Lennon den Song als ihren ersten Hit bezeichnet haben. „No way!“ habe sie geantwortet. „I’ll make it a hit!“ antwortete John Lennon, kurz bevor er erschossen wurde. Das Video besteht aus Sequenzen aus dem Leben der beiden, gemischt mit Aufnahmen, in denen Ono allein durch’s nass-kalte New York läuft. Der Song wurde nur wenige Wochen nach dem Mord veröffentlicht.


Teaser by Paulae (CC BY 3.0)

Image by Yoko Ono’s „Walking On Thin Ice“ (Screenshot)


wanderte schon früh zwischen den Welten, on- und offline. Der studierte Kulturarbeiter arbeitete in der Redaktion eines schwulen Nachrichtenmagazins im Kabelfernsehen, produzierte Netzvideos und stellte eine Weile Produktionen im Cabaret-Theater Bar jeder Vernunft auf die Beine, bevor er als waschechter Berliner nach Wiesbaden zog, um dort am Staatstheater Erfahrungen im Kulturmarketing zu sammeln. Er baute später die Social-Media-Kanäle der Bayreuther Festspiele mit auf und schoss dabei das erste Instagram-Bild und verfasste den ersten Tweet des damals in der Online-Welt noch fremden Festivals. Seitdem arbeitete er als Online-Referent des Deutschen Bühnenvereins und in anderen Projekten an der Verbindung von Kultur und Netz. 


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