Videokolumne vom 17. November 2013

Die neue Videokolumne: Heute mit spannenden Geschichtsdokus aus und über England und zwei Frauen, die das Land wie kaum andere prägten. Jede auf ihre Weise. //von Hannes Richter

Lock (Bild: Elke Wetzig [CC BY 2.0])

Es ist so eine Sache mit Videos im Netz: Fu?r viele Digital Natives sind sie schon Fernsehersatz – vieles ist u?berall abrufbar, manches aber nur auf Zeit. Gerade die o?ffentlich-rechtlichen Programme in den Mediatheken der Sender sind oft nach einer Woche wieder offline. Verla?ngertes Fernsehen statt digitales Archiv. Bevor sie verschwinden, fischt Hannes Richter die besten Perlen aus den Mediatheken und Online-Archiven und pra?sentiert sie in seiner wo?chentlichen Kolumne.

FASZINIERENDES GENIE: Ich, Leonardo da Vinci

arte +++ Sendung vom 16. November: 6000 Seiten Tagebuchaufzeichnungen von Leonardo da Vinci werden in Mailand aufbewahrt. Nur selten haben Forscher die Gelegenheit, die mehr als 500 Jahre alten Blätter zu untersuchen. In dieser britischen Dokumentation entsteht aus der Auswertung eines Großteils der privaten Aufzeichnungen des Meisters ein faszinierendes Porträt des Universalgelehrten. Der heute hauptsächlich als Maler wahrgenommene da Vinci hielt jeden Gedankenblitz fest, in seinem Tagebuch diskutiert er Theorien zur Lichtbrechung genauso wie die Frage, warum Hunde sich zur Begrüßung gegenseitig am Hinterteil riechen. Manchmal nervt die überdramatische Musik. Sequenzen, in denen Zitate von einem sehr bemühten Schauspieler gelesen werden wirken wunderlich. Doch der Film schafft es, Interesse für die Welt des Leonardo da Vinci zu wecken, die nach ihm eine andere war.


FASZINIERENDE GESCHICHTE: Die Briten

zdf info +++ 7-teilige Serie, seit 1. November: Und noch eine pompöse Geschichtsstunde aus Großbritannien, diesmal geht es um England selbst und den Aufstieg der römischen Kolonie zum weltumspannenden Empire. Die siebenteilige Serie, gespickt mit (in englischen Dokumentationen interessanter weise nie peinlich wirkenden) Spielszenen und durchaus sehenswerten 3D-Animationen, die das alte London wieder entstehen lassen, rennt durch die Geschichte und schafft es doch, spannende Schwerpunkte zu setzen. Wie den historischen Prozess des Sklaven James Somerset, der 1772 in einem spektakulären Verfahren seine Freilassung erstreitet. Wenige Minuten später ist schon Trafalgar dran und ein blitzblankes 3D-Schiff zieht in die Schlacht gegen die Franzosen.


FASZINIERENDE… STRASSEN: Small Roads

3Sat +++ Sendung vom 17. November: Sonntag morgen, 11:15. Auf 3Sat: Straßen. Nichts mehr. 47 Straßen in den USA, nacheinander montiert für fast zwei Stunden. Langweilig? Na klar, aber auch wunderschön. In jeder Einstellung erkennt man einen geometrischen Aufbau. Ist die Anzahl der durchfahrenden Autos zufällig? Der Film beschäftigt wie ein Gemälde, wenn man sich darauf einlässt. Vielleicht sollte er wie ein Gemälde endlos auf einem Monitor im Wohnzimmer laufen, um komplett zur Wirkung zu kommen. Kaum einer wird Sonntags nach dem oder beim Frühstück die komplette Ladung amerikanischer Einöde am Stück ertragen. Der experimentelle Filmemacher James Benning ist bekannt für seine eher Videoinstallations-artigen Werke. Dabei spielt immer auch Einsamkeit als ein Zustand der Konzentration eine Rolle. Dafür baut er auch schonmal die Hütte des zurückgezogen lebenden Una-Bombers Ted Kackynski oder die des Autors Henry David Thoreau nach. Thoreau schrieb dort sein Meisterwerk Walden, eine der wichtigsten Inspirationsquellen Bennings. Ein bisschen davon findet sich auch auf den einsamen Straßen wieder, die er kommentarlos abfilmt.


FASZINATION KATE MOSS: Creating an Icon

Kaum ein Top-Model hat sich mit eigenwilliger Schönheit derart in das Gedächtnis einer ganzen Generation eingebrannt. Natürlich hat das auch mit dem ein oder anderen Skandal zu tun. In den 90ern war Kate Moss der Inbegriff des Heroin Chic, 2005 sah es so aus, als würde ein Foto, auf dem sie koksend zu sehen ist, ihre Karriere beenden. Doch wie Peter Lindbergh, einer der führenden Fashion-Photographer unser Tage, in diesem britischen TV-Porträt feststellt: Das alles gehört zu ihr, ihr Umgang mit den Skandalen ist Teil des Moss-Universums, das die Leserin eines Modemagazins genauso fasziniert wie die größten Künstler und den ein oder anderen abgehalfterten Rockstar. Kate Moss ist eine Ikone, ihr Leben wird nachgezeichnet. Dabei kommen viele Fotografen und andere Künstler zu Wort. Auch wenn der Film selbst wenig tief geht, diese Statements sind es, die ihn sehenswert machen und allesamt selbst für den Titel stehen: Sie erschaffen die Ikone.


ANDENKEN: Doris Lessing

Die britische Schriftstellerin Doris Lessing ist gestern im Alter von 94 Jahren gestorben. Am 11. Oktober im Jahr 2007 befand sich die Autorin gerade beim Einkaufen, als die Nachricht aus Stockholm um die Welt ging: Die Schwedische Akademie hat sie mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Diese Verleihung war etwas besonderes. Jahrzehntelang wurde die große alte Dame der englischen Literatur für den Preis gehandelt, immer ging sie leer aus. Bereits 30 Jahre zuvor, so wird kolportiert, hat ihr ein Insider mitgeteilt, dass sie nie Nobelpreisträgerin werden würde. Entsprechend abgeklärt reagiert Doris Lessing auf die Nachricht, die ihr ein Reporter mitteilt, der mit anderen vor ihrem Haus auf ihre Rückkehr von der Shopping-Tour wartete. Widerwillig stellt sie sich der Medienmeute, und doch vermag man ein klein wenig Genugtuung in ihren Augen zu erkennen. Selten findet man große Momente der Literaturgeschichte auf Youtube. „I’m sure you like some uplifting remarks…“


Teaser by Paulae (CC BY 3.0)

Image by Elke Wetzig (CC BY-SA 3.0)


wanderte schon früh zwischen den Welten, on- und offline. Der studierte Kulturarbeiter arbeitete in der Redaktion eines schwulen Nachrichtenmagazins im Kabelfernsehen, produzierte Netzvideos und stellte eine Weile Produktionen im Cabaret-Theater Bar jeder Vernunft auf die Beine, bevor er als waschechter Berliner nach Wiesbaden zog, um dort am Staatstheater Erfahrungen im Kulturmarketing zu sammeln. Er baute später die Social-Media-Kanäle der Bayreuther Festspiele mit auf und schoss dabei das erste Instagram-Bild und verfasste den ersten Tweet des damals in der Online-Welt noch fremden Festivals. Seitdem arbeitete er als Online-Referent des Deutschen Bühnenvereins und in anderen Projekten an der Verbindung von Kultur und Netz. 


Artikel per E-Mail verschicken
Schlagwörter: , , , ,

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert