Über Ausnahmen und Einschränkungen beim Urheberrecht

In der Debatte um ein neues Urheberrecht in der Europäischen Union zeigt sich, dass die Lobby der Autoren wieder einmal nur Panikmache betreibt. Das Getöse rund um den nichtlegislativen Bericht des Europäischen Parlaments über das Urheberrecht innerhalb der Direktive der Informationsgesellschaft (auch bekannt als InfoSoc Directive und Directive 2001/29/EC) in Brüssel lässt einen taub werden. Ein Kommittee muss seine Änderungen noch einbringen, dann beträgt die Gesamtzahl der Änderungen bereits 759.

Einer der Gründe dafür ist, dass eine der Debatten die Ausnahmen und Einschränkungen des Urheberrechts beinhaltet. Jede Anregungen über Angleichungen, Berechenbarkeit oder Flexibilität wird von einer energischen Opposition von denen übernommen, die für die Autoren sprechen. Um beurteilen zu können, wie glaubwürdig die Opposition ist, sollten wir auf die Lobbyarbeit gegen die einzige zwingende Ausnahme innerhalb der Direktive blicken. Hierbei ging es um Vervielfältigung.

In der Direktive schlug die europäische Kommission eine Ausnahme des Urheberrechts für Kopien innerhalb von Netzwerken vor. Bei jedem Transfer einer Datei, der innerhalb eines Netzwerkes stattfindet, wird eine Kopie angefertigt. Um von A nach B zu gelangen, muss sich die Datei wenigstens einen Moment im Netzwerk befinden. Deshalb war offensichtlich, dass die temporären Dateikopien nicht einer separaten Autorisation der Rechteinhaber unterliegen sollten. Das war bisher eindeutig und nicht kontrovers – oder jedenfalls hätte es das sein sollen.

Gegen diese Ausnahme bildete sich eine riesige Lobby. Das European Publishers Councils (EPC) brachte große Bedenken hervor. Erstens wandten sie ein, dass nur autorisierte Dateien zu dieser Ausnahme gehören sollten. Wenn man online also Zugriff auf eine unautorisierte Datei hat, macht sich somit der Internetprovider automatisch der Urherberrechtsverletzung schuldig. Das EPC fuhr fort, dass eine Ausnahme ein „klaffendes Loch innerhalb der Rechteinhaber und dem Reproduktionsrecht“ reißen würde, und erklärte dies mit dem „Grundrecht sowohl in der analogen und digitalen Welt„.

Dies wurde festgestellt, erklärt jedoch nicht, dass die Beschränkung solcher Kopien „keine unabhängige ökonomische Bedeutung“ hätten. Das reichte jedoch nicht aus, um das Kopieren der Dateien zu stoppen, die eben von jener unabhängigen ökonomischen Bedeutung sind. Alles in Allem stellte der Inhalt des Artikels 5.1 (genauso wie Artikel 5.2 und auch Artikel 6) „eine nicht akzeptable Bedrohung gegen Rechteinhaber“ dar.

Was passierte also, als diese „nicht akzeptable Bedrohung“ gegenüber den Rechteinhabern in ein nationales Gesetz der EU umgewandelt wurde? Absolut nichts. Die Definition hat sich als absolut zutreffend erwiesen. Kein „klaffendes Loch innerhalb des Schutz der Rechteinhaber und dem Reproduktionsrecht wurde hervorgerufen„. Nichts. Nach all den Warnungen – gar nichts.

Der Schaden, der hätte verursacht werden können, wenn man die Warnungen der EPC beachtet hätte, ist auf der anderen Seite sehr viel einfacher aufzuzeigen. Kanadische Gesetzgeber scheiterten daran, eine deutliche Ausnahme bei temporären Dateien einzufügen. Die Urheberrechtsindustrie tat genau das, was man erwartet hatte – sie verlangten Lizenzahlungen, um den Internetanbieter ihre Arbeit genehmigen zu können. Dies zog eine langwierige Phase der gesetzlichen Unsicherheit der Internetservices nach sich, während sich gerade Breitbandinternet auf dem Markt etablierte, was sich auf den Fall von 2004 bezog.

Dieser Artikel erschien zuerst im EDRi-gram vom 25. März 2015 und steht unter CC BY 3.0. Übersetzung von Anne Jerratsch.


Image (adapted) „Creative Commons Stickers“ by oswaldo (CC BY 2.0)


ist seit 2010 geschäftsführender Direktor von European Digital Rights (EDRi), einer internationalen Vereinigung von Bürgerrechtsorganisationen, die sich dem Schutz der Privatsphäre und der Freiheit der Bürger in der Informationsgesellschaft verschrieben haben. Er interessiert sich besonders für die Einschränkungen fundamentaler Grundrechte durch die Geschäftsbedingungen von Internetunternehmen und wie diese nationale Verfassungen und internationale Gesetzgebung umgehen.


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