Saubere Toiletten sind eine dringend benötigte Innovation

Wie ist es möglich, dass 2,4 Milliarden Menschen im Jahr 2015 keinen Zugang zu fortgeschrittenen Sanitäranlagen haben?

Während im Westen viele die Zeit im Bad als “Zeit für sich” nutzen, verrichtet 40 Prozent der Weltbevölkerung “sein Geschäft” unter freiem Himmel, in einer unhygienischen Latrine oder einer Plastiktüte, die sie dann als “fliegende Toiletten” entsorgen. Die Auswirkungen der weltweiten Sanitärsituation sollten nicht unterschätzt werden.

Die unhygienischen Bedingungen und schädlichen Gerüche vieler Latrinen sind nicht nur eine Gefahr bei der Übertragung von Krankheiten. Oftmals gelangen die Fäkalien auch unbehandelt in die Natur.

Eine im vergangenen Jahr vorgestellte, in zwölf Städten durchgeführte Studie der Weltbank ergab, dass durchschnittlich 69 Prozent des Fäkalschlamms unbehandelt in die Natur gelangen – im Umkehrschluss heißt das, dass lediglich 31 Prozent der menschlichen Abfälle geklärt wurden. An Orten wie Dhaka in Bangladesch werden nur 2 Prozent sicher verarbeitet, während gefährliche 98 Prozent einfach in die Natur übergehen.

Die “Millenniums-Entwicklungsziele” (Millennium Development Goals, MDG) der Vereinten Nationen, ein 15 Jahre alter Plan, der 2015 auslief, hatten sich zum Ziel gesetzt, “den Anteil der Bevölkerung ohne sicheres Trinkwasser und einfache Sanitäreinrichtungen bis 2015 zu halbieren.”

Während lediglich die Zielvorgaben zum Zugang zu Trinkwasser erfüllt wurden, hat die UN offenbart, dass noch immer 1,8 Milliarden Menschen Wasser benutzen, das mit Fäkalien kontaminiert ist. Der Zusammenhang zwischen einer adäquaten Sanitärsituation und der Kontaminierung von Trinkwasser wird damit klar.

Seit dem Abschluss der MDG strebt die Welt nun die Erfüllung der “Ziele nachhaltiger Entwicklung” (Sustainable Development Goals, SDG) an – ein 15-Jahres-Plan, um allgemeinen und fairen Zugang zu sauberem Trinkwasser und Sanitärversorgung zu erreichen.

Wie können wir nun eine angemessene Sanitärsituation erreichen? Eine Möglichkeit ist Innovation.

Nachhaltige Sanitärtechnologien

Sanitärsysteme schützen die menschliche Gesundheit, indem Einrichtungen und Dienste zur Sammlung und Entsorgung menschlichen Urins und Kots bereitgestellt werden. Sie sichern eine saubere Umwelt und brechen den Teufelskreis von Krankheiten. Damit sie nachhaltig sind, müssen die Systeme ökonomisch rentabel, sozial akzeptiert und umweltverträglich sein.

Ökonomische Rentabilität legt fest, dass ein Entsorgungssystem gebaut, betrieben und instand gehalten werden kann, ohne auf Subventionen angewiesen zu sein. Die soziale Akzeptanz wird durch die Annahme durch die Bevölkerung, ordentliche Nutzung und Instandhaltung erreicht. Die Umweltverträglichkeit bezieht sich auf die Fähigkeit der Technologie, schädliche Verschmutzung zu reduzieren, geringe Mengen an Ressourcen (Wasser, Land und Energie) zu nutzen und nützliche Stoffe, die in menschlichen Abfallprodukten enthalten sind, wiederzugewinnen.

Sanitärtechnologien umfassen alles von Grubenlatrinen bis zu Toiletten mit Wasserspülung, verbunden mit Klärgruben oder Kanalisationssystemen. In vielen Fällen haben bestehende Systeme aber Probleme technischer oder betrieblicher Art.

Grubenlatrinen sind durch die Gerüche sozial inakzeptabel und nicht umweltverträglich, da sie die Exkremente lediglich sammeln und sie nicht weiterverarbeiten. Toiletten mit Wasserspülung, die mit Klärbehältern oder der Kanalisation verbunden sind, müssen die Fäkalien nicht nur abtransportieren, sondern auch in zentralen Einrichtungen klären. Das wiederum benötigt eine grundlegende Infrastruktur, die kostbare Wasserressourcen verbraucht und in Gegenden, die Sanitäranlagen am dringendsten brauchen, nicht möglich ist. Errichtung, Betrieb und Instandsetzung von Kanalisationssystemen und Behandlungsanlagen bedeuten untragbare Kosten für viele Gegenden in Entwicklungsländern.

Was also ist die bessere Alternative?

Die Welt benötigt Sanitärsysteme, die sozial akzeptiert sind, den Wasserverbrauch reduzieren, erneuerbare Energien nutzen, unabhängig vom Versorgungsnetz mit wenig Aufwand funktionieren und wiederverwertbare Produkte aus dem menschlichen Abfall sammeln.

Das Resultat der Einführung einer nachhaltigen Sanitärtechnologie wäre eine massiv verbesserte Gesundheit, eine sauberere Umwelt und eine nachhaltige Schonung der Energieressourcen – sowohl für Entwicklungs- als auch Nichtentwicklungsländer.

Ausscheidungen in ein kostbares Produkt umwandeln

Der Bedarf an verbesserten Sanitäranlagen hat eine Welle von Innovationen in der Toilettentechnologie ausgelöst, angeführt von Organisationen und dem privaten und öffentlichen Sektor.

Vielversprechende Lösungen reichen von Anpassungen und Nachbesserungen bei gegenwärtigen Latrinen bis zur Entwicklung völlig neuer Geräte und Ansätze.

Unternehmen wie etwa Sanergy profitieren von der Bereitstellung sauberer Toiletten und der Sammlung und Wiederaufbereitung der Fäkalien. Sie stellen die Toiletten zur Verfügung, halten sie rein, lassen die Ausscheidungen abtransportieren, bereiten sie auf und regenerieren aus ihnen Produkte zum Einsatz in der Landwirtschaft. Die Transporteure, die als Franchisenehmer beschäftigt werden, kompostieren große Mengen an Fäkalschlamm, um nützliche Düngemittel zu produzieren und zu verkaufen. Das Sanergy-Modell funktioniert auch gut in informellen Siedlungen, in denen Körperarbeit zum Abtransport genutzt werden kann, wenn Fahrzeuge keinen Zugang haben.

Ein anderes soziales Unternehmen, Sanivation, hat ein ähnliches Sammelmodell wie Sanergy, verarbeitet Fäkalien aber durch Brikettierung zu Brennstoff. Sanivations Ansatz ist es, mobile Toiletten, die nur eine geringe Infrastruktur benötigen, in städtischen Siedlungen und Flüchtlingscamps einzusetzen. Nach dem Sammeln der Ausscheidungen werden diese mit Solarenergie behandelt. Der sonnengetrocknete Dreck wird dann mit einem Bindemittel kombiniert und zu einem Brikett verarbeitet, das als Ersatz für Holz, Kohle und andere Stoffe herhalten kann.

Toilettentechnik

Parallel zu den Bemühungen, das Erscheinungsbild üblicher Latrinen zu ändern, werden auch große Anstrengungen unternommen, das Konzept einer Toilette und der Wiedergewinnung wertvoller Stoffe aus menschlichem Abfall, von Grund auf neu zu überdenken.

Die Bill & Melinda Gates Foundation (BMGF) hat 2011 die “Reinvent the Toilet Challenge” ins Leben gerufen und unterstützt 16 Teams weltweit dabei, den großen Wurf zu schaffen und ein neues Toiletten-Paradigma zu entwickeln. Denn wie es aussieht, funktioniert das Business-as-usual nicht mehr, und warum sollte es bei all den Erfahrungen in anderen Bereichen nicht möglich sein, einen Sprung in die Zukunft zu machen und die Toilette des 20. Jahrhunderts hinter uns zu lassen?

Während Technologie nicht das einzige Werkzeug ist, die weltweite Sanitärkrise zu meistern, hat es das Potential, die Toilettenlandschaft neu zu gestalten und ungeahnte Wege zu finden, sein Geschäft zu verrichten.

Die Toilette des 21. Jahrhunderts muss eine saubere und hygienische Umgebung schaffen, Ausscheidungen effektiv für eine Weiterverwendung verarbeiten und die Ressourcen, die in Exkrementen enthalten sind, wiedergewinnen können. Das alles sollte geschehen, ohne Wasserressourcen oder elektrische Energie zu benötigen.

Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, hat unsere Gruppe an der University of Colorado Boulder die Sol-Char-Toilette entwickelt, die konzentrierte Solarenergie verwendet, um die Krankheitserreger in Fäkalien zu zersetzen und die Ausscheidungen in Biokohle – ähnlich zur Holzkohle, die aus Pflanzen und anderen organischen Materialien gewonnen wird – umzuwandeln.

Biokohle ist ein hochwertiges, sicher handhabbares Produkt, das in der Landwirtschaft verwendet oder zu einem Kohlebrikett, das eine ähnliche Energieeffizienz wie handelsübliche Holzkohle aufweist, weiterverarbeitet werden kann. Der Prototyp, der bislang auf einen Haushalt ausgelegt ist, wird zur Zeit zu einem System weiterentwickelt, das mehrere Häuser einer Gemeinschaft versorgen kann.

Viele Teile eines Puzzles

Es gibt eine Reihe anderer Technologien, die erforscht und getestet werden. Dazu gehört auch der Gebrauch von Nanomaterialien, um brauchbares Wasser vom Fäkalschlamm zu trennen und die Fäkalien für eine Weiterverarbeitung zu verdicken. Ebenso wird Elektrochemie genutzt, um Feststoffe in Fäkalien in Düngemittel umzuwandeln und das Wasser keimfrei zu machen, damit es für Spülungen oder die Bewässerung genutzt werden kann. Zudem wird hydrothermale Verkohlung dazu eingesetzt, Fäkalien in eine wasserhaltige Suspension kohleartigen Materials weiterzuverarbeiten, die sicher in der Handhabung und leicht vom Wasser zu trennen ist.

Ein anderes von der BMGF subventioniertes Gerät ist der Omni-Prozessor, ein Apparat für Wasseraufbereitungsanlagen, der mit geringen bzw. ohne Kosten die Ausscheidungen einer Siedlung in ein sicheres Endprodukt verwandelt und Wasser wiedergewinnt, dessen Qualität sogar für Bill Gates zum Trinken genügt.

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Obwohl Toiletten-Technologien, die sich noch im Anfangsstadium befinden, irgendwann einmal nachhaltige Sanitäranlagen für zahlreiche Gemeinden stellen könnten, liegt die Lösung des weltweiten Toilettenproblems nicht in einem einzelnen Ansatz. Bemühungen der Privatwirtschaft und solche, die von Universitäten und Organisationen gefördert werden, sind alle Teile eines Puzzles.

Trotz der Tatsache des Lebens, dass wir alle unsere Körper von Abfallprodukten befreien müssen, ist das zu lösende Problem kein leichtes. Wir haben uns nicht schnell genug entwickelt, um mit unserem eigenen Mist fertig zu werden. Während die Nachfrage in den lokalen Gemeinden ihren Ursprung hat, können wir durch technologische Innovationen unseren Teil zu neuen Möglichkeiten beitragen, die SDGs der UN zu erfüllen. Dann wird vielleicht jeder ein bisschen “Zeit für sich” im Bad haben.

Dieser Artikel erschien zuerst auf “The Conversation” unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.


Image (adapted) “Restrooms” by Sam Howzit (CC BY 2.0)


The Conversation

ist Professor für Umweltingenieurwesen und Mortenson-Professor für nachhaltige Entwicklung an der Universität von Colorado in Boulder.


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