Streaming rückt den Fokus auf die digitale Soundqualität

Der wirtschaftliche Erfolg von Streaming-Diensten rückt die Soundqualität in den Fokus der digitalen (Musik-)Revolution. // von Thomas Vorreyer

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Wie viele Songs passen auf deinen MP3-Player? Wie groß ist die Bibliothek eines Streamingdienstes? Was kostet das alles? Fragen wie diese prägten bislang das Geschäft um den digitalen Musikkonsum. Zeit, sich dem Kern des Ganzen zu widmen: dem Hörerlebnis. So unterschiedliche Player wie Apple oder der Musiker Neil Young setzen derzeit auf eine Soundqualität jenseits der 320 kbps.


Warum ist das wichtig? Das bislang vernachlässigte Thema Soundqualität rückt in den Fokus der digitalen (Musik-)Revolution.

  • Musiker wie Paul McCartney, Neil Young und Trent Reznor setzen in ihren musikalischen Geschäften verstärkt auf das Thema digitale Soundqualität.
  • Die Neuausrichtung auf die Soundqualität folgt dabei dem wirtschaftlichen Erfolg von Streaming-Dienste.
  • Der Zukunftsmarkt ist Afrika, wo 99 Prozent der Musik auf mobilen Geräten konsumiert wird.

Alte Helden, digital

Erst waren die Beatles jahrelang gar nicht bei iTunes vertreten, jetzt schwingt sich Paul McCartney plötzlich sogar an die Spitze der Digitalbewegung: Fünf seiner Solo-Alben und jenen mit den Wings wurden nun als Apps neu aufgelegt. Und diese sind trotz Extra-Inhalten auch noch billiger als ihre Pendants im MP3-Shop. McCartney ist zwar nicht der erste Künstler, der diesen Schritt wagt, aber immerhin einer der ersten.

Sein Kollege Neil Young geht derweil andere Wege. Young wurde jüngst zum CEO von PonoMusic, einer crowdfinanzierten Firma, die mit einem eigenen Wiedergabegerät und eigenem Downloadshop Musik in bestmöglicher Soundqualität anbieten will. Über sechs Millionen US-Dollar wurden dabei Anfang des Jahres mit einer Kickstarter-Kampagne eingesammelt. Das Hörerlebnis sei dem einer Vinylplatte ebenbürtig, wenn nicht sogar besser. Neil Young und PonoMusic liegen damit voll im Trend.

Streaming verdrängt Downloads und wird noch besser

Wir reden über Prominenz, über Charts, über den digitalen Vertrieb – worüber wir aber nicht genug reden, ist der Klang„, sagte etwa Luke Wood, Präsident von Beats Electronics, erst letzte Woche auf einem Symposium. Seine Firma wurde kürzlich spektakulär von Apple übernommen. Wie PonoMusic setzt auch Beats auf zwei eng verknüpfte Geschäftsbereiche: Kopfhörer und einen Musikstreamingdienst. Bei beiden ist die Soundqualität von zusätzlicher Relevanz. Auch wenn die Beats-Hörer in dieser Kategorie sich eher im Mittelfeld bewegen: Den Standard-iPhone-Kopfhörern sind sie deutlich überlegen und dank des bisherigen Marketinggeschicks der Kalifornier haben sie sich auch in puncto Kopfhörermode schnell durchgesetzt.

Wenn Apple also in naher Zukunft Beats Music in iTunes integrieren wird, dann wäre somit auch imperiumsintern die Infrastruktur vorhanden, um Musik in besserer Soundqualität zu genießen. Denn der derzeit nur in den USA verfügbare Dienst streamt schon jetzt mit einer Bitrate von 320 kbps, also in einer Qualität, die längst noch nicht Standard in diesem Bereich ist. Angesichts von hochrangigen Personalien wie der von Nine Inch Nails-Kopf Trent Reznor, der nebenbei CCO bei Beats Electronics, ist zudem davon auszugehen, dass Beats Music auch hier nochmals nachlegen wird. Reznor ist schließlich seit Jahren einer der profiliertesten Köpfe, wenn es um den verlustfreien, digitalen Konsum von (bzw. seiner) Musik geht.

Die Neuausrichtung auf die Soundqualität folgt dabei auch einem wirtschaftlichen Kalkül. Der Streamingmarkt wächst und wächst und beginnt dabei, die Musikdownloads langsam zu verdrängen. Allerdings ist auch die Erschließung potenzieller Streamingkunden irgendwann abgeschlossen, weshalb der Blick schon jetzt von der Breite in die Tiefe geht. Downloadshops für DJs und Fans elektronischer Musik bieten schon lange neben MP3s auch die etwas teureren, dafür aber nahezu verlustfreien WAV-Versionen von Songs an. Mit Musicload stockt seit zwei Jahren auch ein großer Shop außerhalb der Nische sein WAV-Angebot immer weiter auf. Ende 2013 zog der Streamingdienst WiMP nach und bietet seitdem mit WiMP-HiFi einen Service in WAV-Qualität an, on- wie offline. Das Angebot kostet allerdings doppelt so viel wie ein normaler Streamingaccount. HiFi-Streaming kann in Zukunft einem Unternehmen also höhere Umsätze bescheren.


Im Vlog „The Needle Drop“ setzt sich Anthony Fantano mit dem Streaming von Musik auseinander:

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Globale Perspektiven

Doch gilt das auch weltweit? Yoel Kenan würde diese Entwicklung wohl als „dritten Zyklus der digitalen Revolution“ in diesem Bereich bezeichnen. Kenan ist CEO von Africori, einem in Lagos, Kapstadt und London ansässigem Digitalvertrieb und Lizenzierungsservice für den afrikanischen Markt. Dieser hat in puncto Streamingangebote derzeit noch gehörigen Nachholbedarf. Spotify, WiMP, Beats, iTunes Radio sind hier nicht verfügbar. Mit Simfy, Deezer und Spinlet haben nur einige wenige Dienste bislang den Sprung gewagt.

Dabei bietet der Kontinent beste Voraussetzungen, denn 99 Prozent des dortigen Musikkonsum finden derzeit auf Mobilgeräten statt, so Yoel Kenan diese Woche gegenüber ITWeb Africa. Allerdings ist dieser kaum monetarisiert und beschränkt sich fast ausschließlich auf den Austausch von Klingeltönen und MP3s. Der angolanische Star Cabo Snoop nannte nicht ohne Grund eines seiner Alben „Bluetooth”. Yoel Kenan sieht diese Form als den „ersten Zyklus der digitalen Revolution”. Die 112 Millionen afrikanischen Smartphone-Besitzer würden sich derzeit erst langsam in den zweiten vorwagen: das gewöhnliche Streaming.

Vielleicht haben Neil Young, Trent Reznor & Co ja aber auch Pläne, hier gleich den nächsten Sprung anzugehen. Oder Paul McCartney überrascht uns noch einmal.

schreibt als freier Journalist vor allem über Kultur und Gesellschaft im Angesicht der Digitalisierung.


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