Social Scoring Dienste im Check: Ist Klout eigentlich legal?

Klout ist ein weitgehend vollautomatischer elektronischer Dienst zur Messung der Online-Reputation von Personen. Grundlage der Analyse sind soziale Netzwerke, wie zum Beispiel Twitter und Facebook. Alles Humbug, wie der Blogger Christian Buggisch meint.

Klout Isarmatrose (CC BY-SA)

Buggisch ist kein Fan von Klout und hat erst vor kurzem in einem lesenswerten Blogbeitrag fünf Gründe für einen Ausstieg aus dem Analyse-Dienst aufgelistet. Im Interview mit Dr. Martin Schirmbacher, Fachanwalt für IT-Recht und Partner bei Härting Rechtsanwälte, geht Buggisch der Frage nach, wie sich Klout mit Recht und Datenschutz verhält.

Buggisch: Klout ist ja ein Social Scoring Dienst, der versucht, die Relevanz der Social Web-Nutzer zu messen und auf einer Skala von 1 bis 100 zu bewerten. Dabei greift Klout auf Daten von Twitter, Facebook und anderen sozialen Medien zu, und zwar ohne die Nutzer um Erlaubnis zu fragen. Ist das eigentlich legal?

Schirmbacher: Die erste Frage muss eigentlich lauten, ob deutsches Recht überhaupt Anwendung findet. Schließlich wird Klout aus San Francisco angeboten. Allerdings werden personenbezogene Daten in Deutschland erhoben, so dass deutsches Datenschutzrecht gilt. Anders übrigens als bei Facebook, das eine Niederlassung in Irland hat, so dass sich innerhalb der Europäischen Union irisches Datenschutzrecht durchsetzt.

Buggisch: Und wie sieht es nach deutschem Recht aus?

Schirmbacher: Man muss unterscheiden, zwischen den Nutzern, die einen Klout-Account selbst angelegt und dabei die Terms und Datenschutzbestimmungen von Klout akzeptiert haben, und allen anderen, die Klout einfach so trackt. Bei den aktiven Nutzern liegt jedenfalls grundsätzlich eine Einwilligung in die Datenverarbeitung vor, bei den anderen kommt es darauf an, ob Klout die Datenerhebung und -zusammenführung auf eine gesetzliche Grundlage stützen kann.

Buggisch: Was sollte das für eine Rechtsgrundlage sein?

Schirmbacher: Deutsches Recht verbietet die Datenverarbeitung ohne Einwilligung des Betroffenen nicht vollständig. Zwar sind personenbezogene Daten grundsätzlich bei dem Betroffenen zu erheben. Allerdings gibt es im Bundesdatenschutzgesetz verschiedene Ausnahmen für öffentlich zugängliche Daten. Dabei sind zwar auch die Rechte des Betroffenen zu wahren, grundsätzlich ist eine Erhebung personenbezogener Daten aus öffentlich zugänglichen Quellen allerdings zulässig.

Nur öffentlich zugängliche Informationen

Buggisch: Klout bedient sich dabei unterschiedlicher Quellen. Twitter ist zum Beispiel eine Plattform, auf der die meisten Nutzer öffentlich in Erscheinung treten, ihre Tweets lassen sich auch außerhalb von Twitter lesen. Facebook wird dagegen von vielen genutzt, um sich mit Freunden zu vernetzen und nicht-öffentlich zu kommunizieren. Darf Klout trotzdem auf die Daten solcher Dienste gleichermaßen zugreifen?

Schirmbacher: Klout darf sich nur aus öffentlich zugänglichen Informationen bedienen. Dies bedeutet, dass öffentliche Tweets verwendet, Facebook-Posts, die nur für Freunde bestimmt sind, dagegen nicht ausgewertet werden dürfen. Anders ist das natürlich, wenn ein Klout-Nutzer sein Klout-Profil explizit mit seinem Facebook-Profil verbunden hat.

Buggisch: Klout bewegt sich also bei der Erhebung der Daten im Bereich des Legalen?

Schirmbacher: Im Grundsatz ja. Über einige Details mag man zwar streiten. So ist offen, ob die Einwilligung tatsächlich transparent genug und eine Speicherung der Daten außerhalb der Europäischen Union zulässig wären. Gegen den Grundansatz lässt sich jedoch nichts einwenden.

Buggisch: Wie genau Klout seine Bewertungen berechnet, weiß niemand außer Klout. Das ist natürlich wenig transparent – aber vermutlich ein legitimes Geschäftsgeheimnis. Oder haben die Nutzer ein Recht zu erfahren, wie genau ihre Daten verarbeitet werden?

Schirmbacher: Das BDSG gibt jedem Betroffenen einen Auskunftsanspruch. Klout muss also jedem Nutzer Auskunft darüber erteilen, welche personenbezogenen Daten zu der Person gespeichert sind. Dies betrifft aber nicht die Frage, wie Klout zu einem bestimmten Klout-Score gekommen ist. Eine spannende Ausnahme betrifft das Scoring. Sähe man den Klout-Score als „Wahrscheinlichkeitswert für ein bestimmtes zukünftiges Verhalten des Betroffenen“ an, wäre Klout ähnlich einer Auskunftei zur Auskunft verpflichtet.

Klout und Social Scoring – eine Quelle für Personaler beim Recruiting?

Buggisch: Immer öfter ist zu lesen, dass Personaler im Recruiting-Prozess Klout nutzen, um sich einen ersten Eindruck von ihren Bewerbern zu verschaffen. Wie ist das rechtlich zu bewerten?

Schirmbacher: Hier ist die Rechtslage nicht anders als generell beim Recruiting. Die Einzelheiten sind unter Juristen umstritten, klar ist aber, dass auch Arbeitgeber öffentlich zugängliche, über Suchmaschinen auffindbare Informationen nutzen dürfen. Zwar wird bisweilen bezweifelt, dass dies auch für rein private Netzwerke wie Facebook gilt. Das Datenschutzrecht unterscheidet jedoch nicht zwischen öffentlich zugänglichen Inhalten in „privaten Netzwerken” und sonstigen Informationen. Klar unzulässig wäre es demgegenüber, wenn Arbeitgeber gezielt nach Informationen suchen, die der Betroffene nur einem eingeschränkten Personenkreis offenbart hat.

Buggisch: Könnte ein abgelehnter Bewerber seine Ablehnung angreifen, wenn der Arbeitgeber ihm mitteilen würde, dass er ihn allein wegen des zu niedrigen Klout-Scores nicht ausgewählt hat?

Schirmbacher: Abgesehen davon, dass das sicher eine theoretische Konstellation ist und Arbeitgeber, die beim Recruiting gesteigerten Wert auf den Klout-Score legen, wohl schlecht beraten sind, sehe ich nicht, dass ein abgelehnter Bewerber hiergegen mit Erfolg vorgehen kann. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verbietet zwar eine Diskriminierung von Bewerbern. Mit den Gründen, wegen deren nicht unterschieden werden darf (z.B. Geschlecht, Religionszugehörigkeit usw.) steht der Klout-Score allerdings nicht im Zusammenhang.

Klout – eine nette Spielerei

Buggisch: Und unabhängig von den rechtlichen Aspekten: Was hältst du persönlich von Klout und ähnlichen Scoring-Diensten?

Schirmbacher: Ein Bekannter, dessen Klout-Score gerade auf 72 gestiegen war, hat neulich auf Facebook geschrieben, dass die persönliche Bedeutung des Klout-Score mit dem Klout-Score steigt. Dementsprechend halte ich den Klout-Score für unwichtig. :-)

Im Ernst: Der Klout-Score mag eine nette Spielerei sein, ist aber inhaltlich Quatsch, weil schon nicht klar ist, was genau sich dahinter verbirgt. Außerdem bildet der Klout-Score nur einen kleinen Teilbereich des Lebens ab. Dass hier tatsächlich eine Relevanz der betreffenden Person abzulesen ist, sehe ich nicht. Nimmt man z.B. das Datenschutzrecht, hat zwar der Bundesdatenschutzbeauftragte immerhin einen Klout-Score von 58, einer der Urgesteine des deutschen Datenschutzrechts und vielfacher Buchautor Professor Simitis kommt auf Klout dagegen überhaupt nicht vor. Und das liegt sicher nicht daran, dass er von der bei Klout immerhin bestehenden Möglichkeit eines Opt-out Gebrauch gemacht hätte.

Buggisch: Vielen Dank für das Gespräch!


Dr. Martin Schirmbacher ist Rechtsanwalt und Partner bei HÄRTING Rechtsanwälte. Er ist Fachanwalt für IT-Recht, hat sich vor allem auf die Themen Internet, Software und Datenschutz spezialisiert und twittert unter @mschirmbacher.


Dieser Beitrag ist zuerst erschienen auf Christian Buggischs Blog.


Teaserimage by Klout, Inc.


Screenshot by Isarmatrose (CC BY-SA)


hat Germanistik, Geschichte und Kunstgeschichte in Erlangen und Rom studiert und war eine Zeit lang Lektor in einem Belletristik- und Sachbuchverlag in Stuttgart. Heute kümmert er sich um Corporate Publishing bei DATEV. Er schreib Bücher über den vermeintlichen Mittelalter-Reisenden John Mandeville und hat drei WAS IST WAS-Bände über Mineralien und Gesteine und Fossilien und Klima veröffentlicht. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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3 comments

  1. Vielen Dank für das interessante Interview. Zu „Allerdings werden personenbezogene Daten in Deutschland erhoben, so dass deutsches Datenschutzrecht gilt.“ Greift Klout (aus den USA) nicht auf Daten bei anderen außer-europäischen (US-)Diensten zurück? Meines Erachtens findet damit das deutsche Datenschutzrecht keine Anwendung (abgesehen von der Frage der Durchsetzbarkeit). Mit freundlichen Grüßen, Sebastian Kraska.

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