Smartwatches: Nur für Nerds, oder auch für Normalverbraucher?

Nicht Daten-Brillen, sondern smarte Uhren stehen vor dem Durchbruch am Massenmarkt. Ob sie ihn erobern, hängt aber stark von ihren Akkus, Preisen und Apples Marketing-Macht ab. Sie zählen Schritte, zeigen die neusten Nachrichten an, messen den Puls, melden Termine, weisen den Weg, sagen das Wetter voraus und werden uns irgendwann einmal auch das Smart Home steuern lassen: Smartwatches sind der wichtigste Technik-Trend der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin. Kurz vor der großen Apple-Präsentation buhlen Samsung, Sony, Asus, Motorola oder LG mit ihren smarten Uhren um unsere Aufmerksamkeit – bevor wir sie der iWatch zuwenden werden.

Spätestens mit der IFA in Berlin darf man behaupten: Es gibt einen neuen Gadget-Trend am Markt – die Smartwatch. Samsung, LG, Motorola, Asus oder Motorola nutzten die Gelegenheit kurz vor der großen Apple-Präsentation morgen, am Dienstag, wo die iWatch vorgestellt werden soll, um ihre neuesten Kreationen fürs Handgelenk auf den Markt zu werfen. Waren die Geräte bis dato oft noch klobig und boten ein nicht unbedingt brilliantes Design, können sich die neuesten Smartwatches durchaus sehen lassen.

Die Moto 360 von Motorola (249 Euro, ab Oktober) oder die G Watch R von LG (299 Euro, ab Oktober) etwa bieten beide kreisrunde Displays und Lederarmbänder, Sonys SmartWatch 3 (219 Euro) sieht jugendlich und sportlich aus, Asus ZenWatch (200 Euro, noch kein genauer Starttermin) strahlt mit edlem Design Eleganz aus, Garmins vivosmart(170 Euro, ab Oktober) versucht den Spagat zwischen Fitnessarmband und Smartwatch, und Samsungs Gear S (noch kein Preis, ab Oktober) bietet ein großes gebogenes Display.

150 Mal am Tag Updates checken

Gemein ist den meisten smarten Uhren, dass sie am Touchscreen nicht nur eine Auswahl an Zifferblättern zur Personalisierung bieten, sondern auch wichtige Informationen wie SMS, E-Mails, Messaging-Dienste, Social-Media-Updates, Wetterdaten oder Navigationskarten anzeigen und sich per Pulsmesser, Beschleunigungssensor und GPS-Peilung im Fitnessbereich nützlich machen wollen. Dem KPCB-Internet-Report der renommierten Risikokapitalgeberin Mary Meeker zufolge (2013, siehe Seite 52) checken heute Smartphone-Nutzer pro Tag im Schnitt 150 Mal ihr Gerät, um eintrudelnde Nachrichten, Anrufe, Social Media, Notifications oder, ja, die Uhrzeit abzurufen. Die Auslagerung dieser Infos auf ein kleines Display am Handgelenk macht also durchaus Sinn, weil man sich so viele Handgriffe (Power Knopf, entsperren, App aufmachen, abdrehen) erspart.

Smartphone als Voraussetzung

Das wichtige Stichwort aber lautet: Smartphone. Denn abgesehen von Samsungs Gear S, die einen SIM-Karten-Slot hat, brauchen Smartwatches unbedingt ein Smartphone, mit dem sie via Bluetooth gekoppelt werden, um auf Internet und Daten zugreifen zu können. Das ist entscheidend, da sich dadurch die Auswahl für den Konsumenten deutlich einschränkt. Die meisten Smartwatches – etwa jene von Sony, Asus, LG oder Motorola – laufen mit Android Wear, dem Betriebssystem von Google. Wer diese Uhren mit seinem Smartphone koppeln möchte, braucht mindestens Android 4.3 oder höher. Bei Samsungs neuer Smartwatch, die mit dem auseigenen Betriebssystem Tizen der Südkoreaner läuft, ist wiederum zur Einrichtung ein Galaxy-Gerät des selben Herstellers notwendig. Und wie man Apple kennt, kann man davon ausgehen, dass die iWatch nur im Zusammenspiel mit einem iPhone funktionieren wird. Wer eine Smartwatch kauft, bindet sich also noch enger an ein Ökosystem der IT-Giganten.

Ein weiterer Stolperstein auf dem Weg zum Massenmarkt ist die Batterielaufzeit. Zwar sind die neuen Smartwatches klobiger als herkömmliche Uhren, weil sie viel Technik und einen Akku verbaut haben, doch dessen Laufzeit wird oft nur bei einem Tag liegen. Damit bekommt der Konsument neben Smartphone, Tablet und Laptop ein weiteres Gerät in den Haushalt, das täglich an die Steckdose will. Zwar bieten manche Hersteller das kabellose Aufladen per Induktion an, doch auch das bedeutet ein weiteres Ladegerät und erspart kein Kabel.

Massentauglicher als Daten-Brillen

Über Sinn und Unsinn einer Smartwatch lässt sich demnach streiten. Sicher gibt es viele Leute auf diesem Planeten, die es cool finden, wie einst Michael Knight mit Uhr und Auto zu reden, oder die Dinger einfach als praktische Hingucker sehen. Doch der nicht geringe Anschaffungspreis, die kleinen Akkus und die Bindung an Google, Apple oder Samsung werden zum Start wohl verhindern, dass die Smartwatch für den Massenmarkt tauglich ist. Laut Studie von NextMarket Insights sollen die Stückzahlen von 15 Millionen dieses Jahr auf 373 Millionen im Jahr 2020 anwachsen. Klingt viel, ist im Vergleich aber wenig: Marktforscher IDC zufolge wurden bereits 2013 eine Milliarde Smartphones weltweit ausgeliefert.

Was auch klar ist: Smartwatches sind viel massentauglicher als andere Wearables wie Daten-Brillen. Google Glass etwa ist auf große Datenschutzbedenken (Stichwort “glasshole”) gestoßen und wird wohl eher in spezifischen Arbeitsumfeldern eingesetzt werden, wo Menschen die Hände freihaben müssen und trotzdem auf Daten zugreifen sollen. Google hat dafür Partnerschaften mit fünf Firmen aus den Bereichen Gesundheit, Kultur oder Medien geschlossen. Dass voraussichtlich auch Apple in den Markt für Smartwatches und nicht in jenen für Datenbrillen einsteigt, unterstreicht, dass hier ein großes Potenzial liegt. Mit der geballten Marketing-Macht des iPhone-Herstellers könnte es gelingen, die Smartwatch aus der Nerd-Ecke in den Mainstream zu holen. Und außerdem: Ein Mini-Display am Handgelenk ist ohnehin sozial viel verträglicher als eine Kamera am Kopf.


Image (adapted) „Samsung Galaxy Gear vs Pebble smartwatch“ by K?rlis Dambr?ns (CC BY 2.0)


ist seit 2006 publizistisch auf Papier und Pixel tätig. Er arbeitet in Österreich als Journalist und hat die beiden Sachbücher "Phänomen Facebook - Wie eine Webseite unser Leben auf den Kopf stellt" (2010) und "Digitaler Frühling - Wer das Netz hat, hat die Macht?" (2012) veröffentlicht. In seinem Blog “Jakkse.com” und in Vorträgen schreibt und spricht er gerne über die Menschen und ihr Internet – von Social Media über Mobile Business und Netzpolitik bis zu Start-ups.


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