Kinder und Smartphones: Keine Angst vor der Technik!

Sollten einige besorgte Eltern Recht bekommen, wird Colorado einer der ersten US-Staaten sein, in dem der Verkauf von Smartphones an Kinder unter 13 Jahren verboten ist. Nachdem ein Vater aus Colorado einen, wie er es nannte, gewaltsamen Ausbruch eines seiner Söhne erlebte, nachdem diesem das Smartphone abgenommen wurde, engagierte er sich in der Gründung einer neuen Lobby: Eltern gegen Smartphones für Minderjährige (im Original: „Parents Against Underage Smartphones“, kurz PAUS). Die Gruppe bietet eine reichhaltige Sammlung an Untersuchungsmaterialien zu den negativen Effekten von Smartphones auf Kinder.

Dieses Engagement erscheint wohlmeinend und als Unterstützung einer gesunden, kindlichen Entwicklung. Von meiner Perspektive aus, als Medien-Psychologe mit Grundlagenwissen zum Nutzen und Auswirkungen von Kommunikationstechnologie, wirkt es so, dass die Sorgen der Gruppe in ein bekanntes Muster unbegründeter Furcht vor neuen Technologien hineinpassen. Menschliche Innovationen entwickeln sich in einem so rapiden Tempo, dass das Verständnis vieler Menschen nicht mit all den neuen Dingen und ihren Eigenschaften mithalten kann. Das Resultat ist ein Gefühl moralisch geleiteter Panik im Angesicht möglicher negativer Effekte auf die Menschen und die Gesellschaft.

Wie wir bereits aus der Sexualerziehung wissen, kann man sich nicht vor negativen Konsequenzen fernhalten, indem ein Thema mit Angst und Vermeidung besetzt wird. So wird der Ratschlag, als Teenager sexuell abstinent zu leben, keine Teenager-Schwangerschaften verhindern. Stattdessen steigen sogar die Fallzahlen. Moralisch begründete Panik in Bezug auf Technologie führt zu einer ähnlichen Vermeidungsstrategie, statt Auseinandersetzung und Verständnissuche im Umgang mit den heutigen Innovationen zu fördern. Die Sorge von Eltern und Gruppen wie der PAUS sind legitim, aber ihre Konsequenz sollte nicht die Verbannung moderner Technologie sein. Besser wäre es, Kinder und Erwachsene arbeiten gemeinsam an einem Verständnis der Innovationen und einer produktiven Umgangsweise.

Eine Geschichte von Technologie und Angst

Eines der frühesten Beispiele einer moralischen Technik-Panik findet sich in Sokrates‘ Ausführungen über die Schrift. In seiner „Phaedrus-Vorlesung“ – die uns ironischerweise schriftlich überliefert wurde – formuliert der griechische Philosoph, dass das geschriebene Wort für eine Loslösung von mündlichen Quellen und Informationen sorgen würde, und dass die Schreibfertigkeit über kurz oder lang das menschliche Gedächtnis schwächen würde. Diese Ängste mögen heutzutage unsinnig erscheinen, aber in einer Zeit, in der systematische Argumente und Debatten wichtige Werte der Gesellschaft waren, fanden sich hier die nennenswerten Kritikpunkte.

Um 1790 hatte die Gesellschaft Angst, dass die damals populären Abenteuerromane die Kinder lesesüchtig machen würden, statt dass diese ihre Hausarbeiten erledigten. In den 1920er Jahren gab es die Sorge, dass Kreuzworträtsel zu Analphabetismus führen würden. Um die 70er wurde das Videospiel „Death Race“ von Kritikern als „Mordsimulator“ betitelt, dadurch wurde eine andauernde Debatte zu Killerspielen losgetreten, die angeblich Gewalt verherrlichen würden.

Eine soziale Einstellung zur Technik wird selten durch direkten Kontakt oder eigene Erfahrung geformt. Sie stammen vielmehr aus Medienberichten, von Lehrern, Eltern und aus Hollywood. Dabei ist unsere Wahrnehmung von technischen Bedrohungen oft durch sensationsheischende Geschichten statt tatsächlicher Zusammenarbeit und Verständnis beeinflusst. Smartphones erscheinen hierbei als besonders schwer einschätzbar, auch weil das einzelne Gerät eine Vielzahl an Fähigkeiten und Möglichkeiten aufweist – sowohl gute als auch schlechte.

Panikmache und echte Probleme unterscheiden lernen

Eine gewisse Skepsis im Umgang mit Technik ist wichtig, so dass man sie nicht missbrauchen kann – beispielsweise kann man Röntgengeräte nutzen, um die Schuhgröße herauszufinden. Tatsächlich argumentiert der Philosoph Philippe Verdoux, dass technologischer Fortschritt eine desaströse Entwicklung wahrscheinlicher macht. Wie besorgniserregend Verdoux Warnung jedoch auch sein mag, er rät nicht dazu, die Innovationen komplett zu vermeiden. Stattdessen schlägt der Philosoph vor, ein tiefergehendes Verständnis für Nutzen und Potential der Neuentwicklungen zu entdecken – sowohl im schlechten als auch im guten Sinne.

Eine Panik aus moralischen Gründen hingegen wird durch die Vermeidung jeglichen technologischen Fortschritts als Lösung suggeriert. Diese Abstinenz mag manche Folgen verhindern, zwangsweise nimmt es den Menschen jedoch auch den Vorteil technologischer Innovationen. Zum Beispiel können Kinder und Jugendliche ihre Smartphones nutzen, um ihre schulischen Leistungen zu ergänzen. Des Weiteren nutzen vor allem junge Menschen die Geräte für zwischenmenschliche Kommunikation. Auch spielt die Sicherheit eine große Rolle: Im Angesicht von Amokläufen an Schulen werden Smartphone-Verbote oftmals aufgehoben und die Schüler dazu angehalten, ihre Telefone zu nutzen, sollten Notfallsituationen entstehen.

Technik sicher nutzen

Anstelle eines Komplettverbotes von Technik ist es ratsam, einen vorsichtigen Umgang zu erlernen. Für Kinder sollte dies unter elterlicher Anleitung stattfinden. Die amerikanische Akademie der Kinderärzte rät zu einem begrenzten Zugang zu Computer, Smartphone oder Fernsehen. Eltern wird auch statt eines Komplettverbotes geraten, gemeinsam mit ihren Kindern den Umgang mit Smartphones und anderen Geräten zu lernen.

Die moralische Panik und die Ablehnung einer Annäherung durch Lernen sorgt für Missverständnisse und Befremdung. Die sogenannten „Millenials“ verstehen die Technik, die sie umgibt, oft nicht so tiefgehend, wie ihnen gern zugeschrieben wird. Dies würde erklären, warum sie sich teilweise unsicherer im Internet bewegen als so manch älterer Erwachsener. Diese Wechselwirkung beruht auf Untersuchungen über die Korrelation von Angst und sozialen Überzeugungen: Die extreme Konzentration auf mögliche Bedrohungen ohne dabei die Möglichkeiten zu durchleuchten, führt zu Panik statt von Fortschritt.

In Bezug auf Smartphones wäre es verwunderlich und schlichtweg falsch, Kindern den Umgang mit Geräten zu verbieten, die ihre Generation bestimmen. Außerdem würde es sie in ihrer Vorbereitung auf ein digitales, informationsgesättigtes Leben und Arbeiten im 21. Jahrhundert behindern.

Dieser Artikel erschien zuerst auf „The Conversation“ unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.


Image (adapted) „Kind“ by NadineDoerle (CC0 Public Domain)


The Conversation

ist Professor der Kommunikationsstudien an der West Virginia Universität, der sich bei seiner Forschung auf die Entwicklung unserer Kommunikationstechnologie konzentriert und inwieweit sich unser Teilen und Antworten auf Masseninformationen verändert hat.


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