Simon Rogers: „Journalismus ist keine Einbahnstraße mehr“

Eine Weltreise in die Zukunft der Medien. Sieben Städte. Zwei Reporter. Tolle Geschichten.

Simon Rogers: “Journalismus ist keine Einbahnstraße mehr”

Der klassische Journalismus verlagert sich ins Digitale. Aber was heißt das eigentlich? Wie werden künftig Geschichten erzählt? Wie werden Nachrichten recherchiert? Wie wird in der digitalen Welt mit Journalismus Geld verdient? Diesen Fragen gehen die Hamburger Journalistinnen Amrai Coen und Caterina Lobenstein in einer fünfwöchigen Weltreise nach. Heute besuchen die Beiden den Datenjournalisten Simon Rogers in London.

Heute: Simon Rogers (Datenjournalist – London)

Was kompliziert und undurchschaubar ist, lässt sich gut mit Grafiken erklären. Und mit vielen Recherchehelfern. Der Datenjournalist Simon Rogers über den Dialog mit den Lesern und das „Data Blog“ des Guardian.

Im Jahr 2010 brachte die Enthüllungsplattform WikiLeaks mehr als 90.000 geheime Dokumente aus dem Afghanistankrieg an die Öffentlichkeit. Simon Rogers, Redakteur des Guardian in London, war einer der Journalisten, die sich durch diese Dokumente gearbeitet haben, durch Tausende von Protokollen. Rogers ist einer der bekanntesten Datenjournalisten überhaupt, einer von jenen Spezialisten, die riesige Datenmengen zusammentragen und auf ihre Echtheit prüfen, er sammelt Statistiken und wertet sie so aus, dass die Leser sie verstehen.

Rogers leitet das »Datablog« des »Guardian«, eine Internetseite, auf der er und sein Team Unmengen solcher Daten sammeln und die abstrakte Zahlen in anschauliche Grafiken verwandeln. Es geht in diesem Blog oft um trockene Themen und komplizierte Zusammenhänge. Die Finanzierung des öffentlichen Gesundheitssystems zum Beispiel. Trotzdem braucht das Blog oft wenig Text, um Komplexes einfach zu erklären. Manchmal genügt eine einzige gute Grafik.

Auch in großen deutschen Verlagen sind in den vergangenen Jahren datenjournalistische Projekte entstanden, haben Grafiken an vielen Stellen Wörter ersetzt. Zeit Online etwa hat auf seiner Seite ein Data Blog, das ähnlich funktioniert wie das britische Vorbild. 2009 startete die gedruckte Zeit mit einer Infografikseite. Der Wissenschaftsjournalist Christoph Drösser, der die Seite betreut, erinnert sich: „Damals haben wir uns gefragt: Kann man 350 Zeilen Text opfern für eine Grafik? Vermittelt die genauso viel wie ein geschriebener Text?“

Man kann. Bis heute erscheint die Infografikseite in jeder Ausgabe der Zeit, rund 150 sind es mittlerweile. Es gab Grafiken über den Wasserverbrauch der Deutschen, über das Wahlsystem der Bundesrepublik, über Tiefseekabel und Atommüll, über die Kernschmelze in Fukushima und die Logistik, die hinter der Wallfahrt nach Mekka steckt – alles Themen, die sich über eine Grafik oft intuitiver vermitteln lassen als über einen linear erzählten Text.

Werden schreibende Journalisten irgendwann überflüssig? „Es geht ja nicht nur um die Aufbereitung von Fakten“, sagt Drösser. Wo es auf die Beobachtungsgabe und Meinungsstärke ankomme, seien Schreiber gefragt. Kommentatoren, Kolumnisten, Reporter, Geschichtenerzähler.

Simon Rogers vom Guardian sagt, wie wichtig es sei, klassische Reporter und Datenjournalisten nicht nebeneinander oder gegeneinander arbeiten zu lassen, sondern miteinander. „Bei den Wikileaks-Recherchen aus dem Irak ist uns das klar geworden: Unsere Reporter hätten mit den riesigen Datenmengen nichts anfangen können. Und wir Datenspezialisten hätten die einzelnen Daten ohne unsere erfahrenen Reporter niemals einordnen und deuten können“, sagt Rogers.

Im Redaktionsgebäude des Guardian nahe Kings Cross haben wir Rogers zum Interview getroffen. Dort hat er uns erklärt, wie sein Data Blog funktioniert. Und warum der Dialog mit den Lesern so wichtig ist.

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