Quora – Was es ist und wird…

„Ach, das ist ja ein Quatsch. Ein Portal für Fragen und Antworten.“ „gutefrage.net für Amis. Und?“ Die abwertenden Urteile über quora.com sind Legion geworden. Da sie auch schon eine Menge an investitionswilligen Kapitalgebern anziehen, kommt noch neben der Häme der Neid dazu. Es wird also Zeit für die Netzpiloten einen eigenen Blick drauf zu werfen.

Wer bereits einen facebook- oder twitter-account hat, kann sich damit anmelden und nach Wunsch auch seine Freunde oder Follower mitnehmen. Das war schon mal nett, weil ich so auf einen Schlag mehr als 150 Kontakte dort hatte. Gemäß dem twitter-Prinzip kann ich denen dort folgen, und kriege so als Neuling vor allem mit, welchen Themenbereichen (topics) oder einzelnen Fragen sie „folgen“ (beobachten). Kommen neue Antworten oder Fragen zu Themen, werde ich benachrichtigt. Dann entscheide ich mich selber für Interessensgebiete oder offene Fragen von der Art „Explain the difference between social business and enterprise 2.0“. Die Antworten dort kommen wie im Moment auch die meisten Fragen aus den Bereichen, die sowieso das Netz intensiv nutzen: Webdesign, Entwicklung, Computerwelt allgemein, Marketing, PR, HR, Journalisten, Schreiberlinge, Berater aller Art. Es wäre hilfreich für Lehrinstitutionen, Schüler und Studenten und die berufliche Weiterbildung…

Das Startup von zwei hochrangigen ehemaligen Facebook-Entwicklern wurde 2009 gegründet und ging im Sommer 2010 für alle ans Netz. Davor testete eine Gruppe Auserwählter die Plattform in einer closed beta. Das Layout ist – anders als facebook – sofort und ohne langes Herumprobieren benutzbar. Auf fast jede Frage gibt es kluge Antworten und unter diesen können sich lange Reihen von Kommentaren (zunächst eingeklappt und unsichtbar) befinden, die ihrerseits viel Lehrreiches enthalten können. Insofern ist in bestimmten Bereichen quora.com die von mir lange gesuchte Ergänzung zu wikipedia. Denn die Löschdiskussionen enthalten dort manchmal auch Gutes Material zu den Themen. Aber der Disput um Ideen, Fakten und Meinungen findet meistens unter Aussschluß der Öffentlichkeit statt und ist nicht so gut dokumentiert. Die bisherigen Nutzer bei Quora geben sich jedenfalls in vielen Fällen alle Mühe, um ihre Ansichten zu erläutern. Ob das so bleibt, ist die große Frage.

Da facebook aktuell eine ähnliche Funktion einbaut, ist die Frage, ob oder präziser auf welche Weise es weiter besteht. Ich denke, dass es viele Leute gibt, die facebook aktuell wie stayfriends oder früher Xing benutzen, also eine Art digitale Sammlung von Visitenkarten oder neudeutsch identity management.

Quora hätte das Zeug, aufgrund seiner offenen und übersichtlichen Funtktionalität, eine themenorientierte Diskussionplattform zu werden, die die bekannten Forne auf eine neuen Stufe stellt wegen der Follower-Funktion. Es ist einen versuch wert, vor allem für alle Funktionen des Kundensupports, der digitalen Lehre à la eLearning und das Zusammenhalten von Fachdiskussionen. Ob diese Felder noch erweitert werden und Firmen einzelne Threads für sich buchen und mit Werbung vollpflastern, bleibt abzuwarten. Wer aber schon immer mal sich oder seine Firma mit bestimmten Fragstellungen assoziieren wollte, der findet hier eine gute Möglichkeit.

Die Qualitätssicherung gilt schon heute als bahnbrechend und das Bewerten der Antworten ind die gute Richtung (nach oben) oder die schlechte (nach unten ist sehr passend und nutzernah. Ich halte es für einen Dienst, der still und leise genutzt wird und keinem Hype unterliegt. Denn er ist sinnvoll und kann nicht per bezahlten Webauguren ind den Himmel gelobt werden. Dafür ist die Idee zu bodenständig. Selten etwas so Nachhaltiges im Web erlebt. Hoffe, dass es Andere auch so sehen.

  ist seit 1999 als Freier Autor und Freier Journalist tätig für nationale und internationale Zeitungen und Magazine, Online-Publikationen sowie Radio- und TV-Sender. (Redaktionsleiter Netzpiloten.de von 2009 bis 2012)


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5 comments

  1. Eben zumindest war es nicht offen. Vielen Dank für die Einladung jedenfalls. Will jetzt mal sehen, wie ich meine 189.000 Follower dafür begeistern kann, … so ganz ohne Tweet. ;-)

  2. Ja. Aber ich tue mich noch schwer damit, weil es sehr viel Zeit frisst. Wenn ich dort eine Frage stelle, bekomme ich z.T. in die Tiefe gehende Antworten, die mich natürlich interessieren, und dann beginnt das alte vom-Hölzchen-auf’s-Stöckchen-Spiel.

    Ich werde bei meinen nächsten Fragen mal versuchen, das einzugrenzen, indem ich um kurze, nicht zu tiefgehende Antworten bitte bzw. die Fragen direkt nicht so weit fasse.

    Für den Journalismus finde ich es ein glänzendes Werkzeug, weil es Crowdsourcing sehr einfach macht.

    Habe es bis jetzt noch nicht wirklich gebraucht und vielleicht nicht gründlich gesucht, stelle mir aber vor, daß ich eine Exportfunktion gern hätte – irgendwas ist immer, wusste schon Tucholsky.

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