Podcasts: Immer schön rein in die Nische

Neunetz-Blogger Marcel Weiß gründet Podcast-Netzwerk: „Sie sind ein persönliches Medium„. Wenige Minuten, bevor sich die Tech-Community diese Woche über die chinesische Übersetzerin im Livestream des Apple-Events echauffieren konnte, hat der Blogger Marcel Weiß auf seinem Blog Neunetz.com verkündet: „Ich starte heute ein neues Podcast-Netzwerk„. Der Satz stand am Ende einer Lobeshymne auf Podcasts: „Im Grunde verhilft die Mischung aus Podcast und Smartphone dem Talkradioformat zu einem neuen goldenen Zeitalter.

Weiß zählt Podcasts auf, deren Hörerschaft pro Folge in die Tausende geht. Er selbst erreiche mit Neunetzcast 1.500 Hörer, ein anderer Podcast über Online-Handel, bei dem sich Weiß mit Exciting-Commerce-Gründer Jochen Krisch unterhält, hätte etwa 1.000.

Weiß scheint seine Podcasts professionalisieren zu wollen. Die ersten Schritte: Eine eigene Webseite und ein eigener Name. Unter neunetz.fm residieren ab sofort drei verschiedene Formate: Feste Gespräche mit Johannes Kleske oder Markus Angermeier, Gespräche mit Gästen und kurze Beiträge zu aktuellen Themen.

Gängigste Form der Finanzierung: Werbejingles zu Beginn der Episoden

Wenn Weiß seinen Text mit „goldenem Zeitalter“ überschreibt, ist der Sprung zur Finanzierung nur ein kleiner. Und tatsächlich will Weiß mit neunetz.fm Geld verdienen. Schließlich, so schreibt er, „muss der Aufwand refinanziert werden„. Einen Vermarktungspartner habe er schon gefunden. Man kann davon ausgehen, dass in Zukunft Werbung zu Beginn der Episoden geschaltet wird – die gängigste Form der Monetarisierung für Podcasts. Auch andere deutschsprachige Podcasts haben eine solche Finanzierung, wie zum Beispiel Geek-Week.de, in deren Episoden zu Beginn ein Werbe-Jingle läuft.

Weiß nennt neunetz.fm ein Netzwerk. Ein Begriff, der im Zusammenhang mit Podcasts gerne verwendet wird, um verschiedene Formate unter einer Dachmarke zusammenzufassen. Bekannt ist das amerikanische Podcast-Netzwerk 5by5, in dem sich über 30 Gesprächsshows über Technologie sammeln. In Deutschland sind zum Beispiel das Küchenstudio und die Metaebene von Tim Pritlove bekannt. Bei Neunetz.fm dreht sich bisher alles um Weiß, dessen etwas hektische Sprechweise im Radio keine guten Chancen hätte.

Weiß‘ Neunetz.fm ähnelt eher dem Talkformat von Ben Thompson, dessen Blog Stratechery zu den Top-Adressen für Analysen digitaler Geschäftsmodelle gehört. Thompson vermarktet nicht nur seinen Podcast, in dem er sich mit seinem alten Uni-Freund James Allworth über die Tech-Branche unterhält. Etwa zeitgleich zum Podcast ist ein Membership-Programm gestartet, bei dem sich Leser für 100 oder 300 US-Dollar pro Jahr Zugang zu täglichen Updates oder E-Mail-Kontakt zu Thompson kaufen können.

Doch nicht nur in der Tech-Filterblase können diese Talkshows erfolgreich sein. Ein Beispiel: Andre „Dré“ Voigt, ehemaliger Basketball-Profi und Sportjournalist, der mit Got Nexxt zu den erfolgreichsten Sport-Podcasts in Deutschland gehört. Got Nexxt richtet sich an „Basketball-Nerds“, wie sich Voigt auch selbst bezeichnet. Er hat eine treue Anhängerschaft: Zweimal haben sie ihm bereits die Fahrt zu Finalspielen in der amerikanischen Basketballliga finanziert, damit er von dort berichten kann.

Basketball: Podcast ebnet Weg zum Magazin

In diesem Sommer hat er wieder eine Crowdfunding-Aktion gestartet. Monatlich können ihn seine Hörer unterstützen, die Summe ist egal. Dafür bekommen sie Zugang zu einem ergänzenden Magazin: „Der Podcast wird immer kostenlos sein„, sagt Voigt. Das Ergebnis: 3.000 Euro pro Monat. Diese Zahlungsbereitschaft führt Voigt auf die Nähe zurück, die durch den Podcast entsteht: „Die Leute haben eine Vorstellung von dir, es entsteht ein Bild im Kopf, auch wenn das natürlich nicht komplett der Wahrheit entspricht„, sagt Basketball-Journalist Voigt. Auch Tech-Blogger Weiß stellt fest, dass Podcasts den Draht zum Publikum enger werden lassen: „Sie sind ein persönliches Medium – ich wurde in den letzten Jahren öfter auf meine Podcasts als auf die Texte von mir angesprochen.

Vor ein paar Wochen beklagte sich Ole Reißmann bei Spiegel Online, dass Podcasts in der Nische feststecken würden. Ja, das tun sie, und das ist gut so. Denn dorthin gehören sie – weit hinein in die Nische. Der Schritt Richtung Massenmedium würde bloß die Inhalte verwässern oder verkürzen. Wo sonst gibt es Platz, um sich über eine Stunde lang über die Auszeichnungssprache Markdown oder Wechselgerüchte in der NBA zu unterhalten?

Du bist auf der Suche nach guten Podcasts? Haken Tanriverdi hat für kleiner3 vor ein paar Monaten sieben Stück empfohlen.


Image (adapted) „My Podcast Set I“ by Patrick Breitenbach (CC BY 2.0)


studiert Volkswirtschaftslehre in Regensburg und will Journalistin werden. Sie beschäftigt sich digitalem Journalismus, insbesondere der technischen Umsetzung. Ihr Blog heißt Schafott. Auf Twitter ist sie mit @cutterkom unter einem weniger martialischen Namen unterwegs. | Kontakt


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