Persönliches Profil oder „Ich-Marken“-Seite?

Ob Filmemacher, Autor, Politiker oder Manager. Sie alle bewegen sich im Social Web. Und sie alle haben ein berufliches und ein privates „Digitales Ich“. Wie geht man damit um?

Das Problem kennt wohl jeder der sich beruflich und privat im Social Web herumtreibt und gleichsam auch mit privaten Belangen auf Facebook, Twitter & Co. (inter)agiert. Wie präsentiere ich mich im Web? Und wie lässt sich berufliches und privates miteinander verbinden? Geht das überhaupt? Oder sollte man lieber ein persönliches Profil, neben einer „Ich-Marken“-Seite führen? Meine Antwort lautet: „Seid einfach ehrlich und zeigt wer Ihr wirklich seid!“

Wer soziale Netzwerke nur als Distributionskanal seiner Inhalte nutzt, der hat meines Erachtens nicht verstanden, um was es bei dieser Sache namens „Social Media“ wirklich geht. Social Media bedeutet für mich digitale Präsens, soziale Interaktion, zu spüren wie jemand drauf ist, was jemanden beschäftigt und es geht mir darum auf interessante Menschen zu stoßen, die meinen digitalen Alltag bereichern. Geht das, wenn jemand nur seine Content-Links in die Welt hinausposaunt? Und mir zeigt, was er für tolle Projekte oder Beiträge abgeschlossen hat? Ich denke nicht. Social Media heißt für mich auch zu zeigen, was einem zwischen seinen Arbeitserfolgen umtreibt.

Um das kurz klarzustellen: Die Antwort auf die Frage, zielt auf eine rein subjektive Empfindung ab. Es gibt kein „Richtig“ oder „Falsch“. Wer berufliches und privates nicht vermischen will, der hat ein gutes Recht dazu und muss daran auch nichts ändern. Und doch möchte ich einen Erklärungsversuch abgeben, warum mich persönliche Profile oft mehr interessieren als einspurige „Ich-Marken“-Seiten.

„Ich bin mehr als mein Job!“

In dem Zusammenhang fällt mir beispielsweise immer eines der Bilder von Chacho Pueblas Projekt „Grandmother Tips“ ein, welches mit dem gutgemeinten Ratschlag: „Dont trust anyone, who uses Xing as main social media“ aufschließt. Die Grafik ist natürlich Teil eines Kunstprojektes. Es geht im Grunde darum, welche Ratschläge wir vielleicht einmal unseren Enkelkindern mit auf den Weg geben könnten. Ratschläge, die im Lebensweisheiten-Sortiment unserer heutigen Großeltern wohl sicher keinen Platz finden würden. Sollte man diesen Ratschlag also allzu ernstnehmen? Nein, nicht wirklich. Und doch steckt da ein wenig Wahrheit hinter, mit der ich mich zumindest konfrontiert sehe.

Mein Eindruck? Im Internet ist es wie im wahren Leben. Man beschäftigt sich nur mit den Personen, die einem sympathisch und vertrauensvoll gegenübertreten. Das sind nicht selten die Menschen, die nicht nur ausschließlich darauf aus sind, einem etwas verkaufen zu wollen. Sondern vielmehr die Personen, die einen interessierten und offenen Eindruck vermitteln. Nichts schreckt mich mehr ab, als ein Kommunikationsprofi, der mir in seinem Abbinder oder auf seiner Visitenkarte, noch vor Twitter und Facebook mit seinem Xing-Profil aufschließt. Mich gruselt das. Weil Social Media und Xing meines Erachtens nur Verwandte zweiten Grades sind und man hier mehrheitlich darauf aus ist, sich beruflich zu vernetzen, anstatt „social“ zu interagieren, geschweige denn zu kommunizieren.

Das verhält sich mit Facebook-Accounts genauso. Warum schaue ich zum Beispiel lieber mal auf Sven Wiesners Facebook-Profil vorbei, anstatt mir die Autoren-Seite von Tobias Gillen als kleines Highlight vorzunehmen? Ganz einfach. Zwar kommunizieren beide gute Inhalte, die für meine berufliche Arbeit Impulse liefern können, aber Svenni Wiesner bricht auch mal aus der Regelkommunikation aus und zeigt mir, dass er mehr ist als ein Agenturmensch, der „Hinz“ und „Kunz“ kennt und erhaben und weise den Gatekeeper mimt.

Neben Beiträgen beruflicher Natur wie „Ich kritisiere nicht, dass Blogger professionell werden, ich kritisiere wie es passiert…“, erfährt man von ihm auf gleichem Kanal auch, dass er derzeit mit Freunden gerne am #Rostkäfer rumschraubt. Ergo: ein Mann mit einer gesunden Work-Life-Balance. Das ist zumindest das, was ich aus seinen Inhalten entnehme. Das macht ihn sympathisch. Das macht ihn für mich vertrauensvoll. Das ist es was mir zeigt, dass er sich auch mit Social Media auskennt, denn seine Inhalte egal ob beruflicher oder privater Natur laden zum kurzweiligen Austausch ein. Man versteht – natürlich nicht in seiner Gänze – mit wem man es zu tun hat. Und dass er mehr ist als nur sein Job!

Dass muss im Umkehrschluss aber nicht heißen, dass die Personen, die sich mit beruflichen Seiten in die Wahrnehmung ihrer Follower bringen per se kein Privatleben haben oder nur für ihren Job leben. Aber der- oder diejenige ist eben schwieriger einzuordnen. Schade.

„Handfeste Argumente“

Ich persönlich trete beruflich und privat beispielsweise auf Facebook auch mit gleicher Identität auf. Einfach weil ich es spannender finde. Und weil es zudem auch ein paar handfeste Vorteile mit sich bringt. Zum einen spart es mir Zeit (ich muss nicht zwei Kanäle auf der gleichen Plattform befüllen) und zum anderen überlege ich es mir auch öfter mal, ob ich nun das x-te Bild von meinen Nudeln posten sollte oder ob ich mich nur noch mit den eigenen Artikeln selbstdarstelle. Nur das Eine oder das Andere wird auf Dauer langweilig. Beides in regelmäßigen Abständen wirkt bunt und abwechslungsreich. Ich versuche somit ein Gleichgewicht herzustellen und mich nicht nur einseitig zu präsentieren.

Mein dortiges Profil ist wie eine belebte Stadtmitte, wie es Tobias Kärcher mal so schön in Bezug auf seine Facebook-Timeline formulierte. Hier bekommt jeder etwas zu sehen. Nicht nur die „ernsten“ Follower, sondern auch die Freunde und diejenigen die mal Spaß an einem Mem oder einem Viral haben wollen. Und wer weiß, manche Sachen finden vielleicht auch beide Seiten interessant. Wie meinen ersten Kurzfilm, den ich am Sonntag geteilt habe und der rein gar nichts mit meinem Job zu tun hat.

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Ein anderes Argument für persönliche Profile gerade und überhaupt für Autoren von Blog- oder Online-Magazinen liegt zudem im AuthorRank. Beiträge können durch die Google-Funktion Autoren auf Google+ zugeordnet werden. Wenn die Beiträge stark geshared oder geplused werden, steigt die Sichtbarkeit des Urhebers in der Suchmaschine an. Auch die eigene Interaktion spielt hier eine Rolle. Das ist zwar eher ein Marketing-Argument. Aber eben ein stichhaltiges gegen Seiten und für Profile.

„Ein Profil mit Prinzipien“

Ich plädiere also für Online-Auftritte, die mir nicht nur den Experten, sondern auch den Menschen näher bringen. Obgleich ich auch der Meinung bin, dass selbst auf persönlichen Profilen, die beides vereinen, nicht zwangsläufig alles geteilt werden muss. Auch hier gilt es eigene Prinzipien zu setzen. Ich halte beispielsweise Abstand davon meine Familie auf meinem Account zu thematisieren. Bilder von mir und der Freundin beim romantischen Abendessen? Fehlanzeige! Bilder von mir, wie ich mit den Eltern unterm Weihnachtsbaum sitze? Never! Dafür viel Witz, Meinungen und eigene Beiträge.


Dieser Beitrag ist meine persönliche Antwort, auf die von Annette Schwindt ausgerufene Blogparade. Mehr Infos dazu hier.


Image (adapted) „Finger face with a question“ by Tsahi Levent-Levi (CC BY 2.0)


schreibt seit 2011 für die Netzpiloten und war von 2012 bis 2013 Projektleiter des Online-Magazins. Zur Zeit ist er Redakteur beim t3n-Magazin und war zuletzt als Silicon-Valley-Korrespondent in den USA tätig.


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8 comments

  1. Word! Danke für den Beitrag.
    Ich hab mir in den letzten Wochen vor und nach Jobwechsel immer mal wieder Gedanken über dieselbe Thematik gemacht. Auch, wenn deine Meinung sicherlich auch genügend Gegenredner findet, mich hat sie bestätigt in dem, was ich tue. Schön zu sehen!

    Viele Grüße,
    Maik

  2. Hallo Andreas,

    ein guter Artikel, der zum Nachdenken über die eigene Webpräsenz anstößt – Danke dafür! Ich selbst habe bislang kaum etwas gepostet, was nicht zum Thema Job und Arbeit gehört. Werde dies jetzt überdenken.

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