Online-Reputation: Defective Appearance

Die A-Z-Prominenz hat die Yellow Press. Wir haben Facebook. Unser Popularitätsbarometer, unser Walk of Shame. Wir werden eingeladen oder ausgeschlossen. Bestätigt oder ignoriert. New Checks and Balances.

Wir sind Präventiv-Poster. Denn wir wissen, vor dem ersten Date kommt der Profilcheck, vor dem Einstellungsgespräch der Google- Befehl. Und so lassen wir alle Fremden, Unbekannten, flüchtigen Bekanntschaften via Selbstportrait wissen, was wir sind. Oder sein wollen. Oder zu sein glauben. Rocker, Denker, Dichter, Luder, Cowboy, Weltenbummler, oder auch eine wundersame Symbiose völliger Gegensätze. Wir rufen uns beständig neu aus. In der Hoffnung, dass uns kein Fehltritt um die Ohren gepostet wird. Sollte der Profilschuh doch mal drücken, kann man den Reputations-Manager seines Vertrauens durchs Netz kriechen lassen…


Oder man zieht gleich mit einem Reputations–Defender ins Feld. So oder so, „it’s always good to see who is singing your praises and who is criticising you„.

Die Pflege der Netz-Reputation folgt also subtilen Regeln. Wir transferieren uns häppchenweise in den Profil-Äther. Setzen Statements, Marker, virtuelle Post-Its. Begehrlichkeiten an der eigenen Person sollen geschaffen werden. Erfolgreiches Selbst- Marketing misst sich nun an Werten wie Netzwerk-Grösse, exklusiven Gruppenzugehörigkeiten und der Macht, Anfragen abzulehnen.

Reputation ist messbares Ansehen in der Öffentlichkeit. Sie ist Erwägungs- und Kalkulationsgrösse für unser Gegenüber, ein Ego- Hand-Out. In der Generation des Netz-Egos wird dieses meist mächtiger, als man sich dies wünscht.
Wie man im Netz gut aussieht“
Google, unser Waschweib 2.0., tratscht den lieben langen Tag. In Lichtgeschwindigkeit. Da sollte man sich wenigstens hübsch anziehen. „Wie man im Netz gut aussieht„, eine Stilberatung, so pathetisch wie naiv.

Schlagwörter sind hier Bewusstsein, Disziplin , Selektion und iKarma.

Es gilt also, auf der Hut zu sein und Konsistenz zu beweisen, zwischen dem eigenen realen Handeln und seiner Nachbereitung im Netz. Denn die Derangierung des Netz-Rufes ist schwer zu kontrollieren. Kontradiktorische Posts bringen uns in Verruf, Fotoverlinkungen entlarven uns. Das Privileg des Geheimnisses schwindet ironischerweise mit wachsender Popularität. Oder, um es wie Mike Arrington zu fassen: „the skeletons are coming out of the closet and onto the porch.“

Möchte man seine Netz-Reputation doch freiwillig gegen die Wand fahren, findet sich auf www.phase-5.net eine charmante Zusammenstellung des zu befolgenden Protokolls:

  • 1. Widersprüche betonen
  • 2. Je peinlicher, desto lustiger
  • 3. Jeder Kontakt ist gut
  • 4. Das beste Alibi ist, keins zu haben
  • 5. Computer anschalten, Hirn ausschalten
  • 6. Suchmaschinen sind dein Freund

Wir haben uns doch letztendlich freiwillig für die grosse Bühne entschieden. Und jetzt wissen wir, wie im Leben, so im Netz. Nur schneller. Und unkontrollierbarer.

I’m a sinner, I’m a saint. I do not feel ashamed. Oder doch?

Bildnachweis: mccoy

 lebt als freie Journalistin in Hamburg. Nach ihrem Studium der Deutschen Sprache und Literatur und der Politischen Wissenschaft an der Uni Hamburg widmet sie sich dem freien Schreiben und ungewöhnlichen Gedanken. Privat auch in ihrem Blog FREISTIL.


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2 comments

  1. Gute Artikel! Online Reputation Management wird in Zukunft eine immer größere Rolle spielen. Da viele Menschen heute ohne Bedenken Informationen über sich im Netz veröffentlichen, wird in naher Zukunft derjeniger enorm steigen, die damit nicht mehr einverstanden sein werden.

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