Coworking Insights: Die richtige Person auf dem richtigen Arbeitsplatz

Seit November 2016 werde ich als Coworking Manager von einer Assistentin unterstützt, die mich vor allem im Bereich Öffentlichkeitsarbeit entlasten sollte. Wie alle Mitarbeiter in einem Coworking Space ist sie eine Quereinsteigerin – ausgebildete Coworking-Experten gibt es nicht. Doch schon in den ersten Wochen stellte sich heraus, dass ihre wahre Stärke woanders liegt. Ihre beste Fähigkeit war und ist ihr Lachen, der persönliche Umgang mit unseren Mitgliedern.

Ich habe wenige Mitarbeiter eines Coworking Spaces gesehen, die mit einer derartigen Wärme und Herzlichkeit mit anderen Menschen umgehen können. Mir selber ist dies nicht in die Wiege gelegt worden. Auch wenn ich ein freundliches Verhältnis zu Mitgliedern pflege, ist eine professionelle Distanz bei Themen wie offenen Rechnungen auch nützlich. Dies kann ich mir aber nur erlauben, da ich mit meiner Assistentin einen mich ergänzenden Gegenpol habe.

Wir hatten die richtige Person für die falsche Stelle eingestellt. Unser sehr lehrreicher Fehler war die fixe Fokussierung auf das Stellenprofil. Die letzten Wochen haben mir gezeigt, dass die wohl größte Herausforderung für ein jeden Coworking Space, noch vor der Schaffung einer eigenen Mitglieder-Community, die Zusammensetzung des eigenen Teams ist.

Mitarbeiter sind Menschen mit eigenen Persönlichkeiten und Erfahrungen. Je vielseitiger diese sind, desto besser kann dies für das eigene Team und die eigene Community sein. Auch die eigenen Mitarbeiter sind ein Teil des Serendipitäts-Phänomens, das man in von Offenheit geprägten Räumen beobachten kann. Sie beeinflussen mit, dass Menschen etwas entdecken können, nach dem sie gar nicht gesucht haben.

Menschenzentrierte Arbeit mit dem Team vorleben

Doch auch wenn berufliche Expertise im Hospitality-Management und der Umgang mit anderen Kulturen (wie beispielsweise im Hotel, Restaurants, Tourismus, etc.) ein Vorteil sein kann, muss sich jeder Mitarbeiter als individueller Mensch ebenfalls in einem Coworking Space zurechtfinden. Dies kann in einem von Hierarchien, Strukturen und Traditionen wenig bis gar nicht geprägten Umfeld eine persönlich sehr schwere Aufgabe sein.

Deshalb ist es wichtig zu beachten, wie man sein Team und seine Prozesse zusammensetzt, und dabei immer zu bedenken, was Menschen an ihrem Arbeitsplatz brauchen. Tracy Brower, Leiterin der Abteilung „Human Dynamics + Work“ beim US-amerikanischen Möbelhersteller Herman Miller, hat mit ihrem Team die Forschung der letzten 80 Jahre in den Bereichen Psychologie, Soziologie und Anthropologie dahingehend untersucht.

Ergebnis ihrer Recherche sind sechs Kernbedürfnisse von Menschen an einem Arbeitsplatz, unabhängig vom Geschlecht, Ethnie und sozioökonomischem Status:

  • 1. Wir streben u.a. nach Sicherheit und Handlungskompetenz.
  • 2. Wir möchten, dass sich unser Status nach unserer Leistung richtet.
  • 3. Wir streben nach Erfolg und sind stolz auf unsere Leistung.
  • 4. Wir streben nach Unabhängigkeit in unserem Handeln.
  • 5. Wir wollen mit unserem Handeln etwas Sinnvolles bewirken.
  • 6. Wir wollen sinnstiftende Verbindungen mit anderen eingehen.

Diese unterschiedlichen Bedürfnisse als Manager eines Coworking Spaces zu verstehen, hat einen massiven Einfluss darauf, wie wir ein Team führen und verwalten, welche Technologien wir unseren Mitarbeitern zur Verfügung stellen und auf die Definition der Aufgaben an sich. Coworking Spaces werden als Beispiel für menschenzentrierte Arbeitsplätze gesehen, dies muss aber auch für das eigene Team gelten.

Auf den Werten der Neuen Arbeit aufbauen

Im St. Oberholz besprechen wir regelmäßig unsere Aufgabenprofile mit den beiden Gründern Koulla Louca und Ansgar Oberholz. Eine Stelle kann so innerhalb von drei Monaten neu definiert werden, abhängig von den Entwicklungen im Coworking Space, aber auch den persönlichen Bedürfnissen der einzelnen Mitarbeiter. Ziel ist es, den Wert von Mitarbeitern zu maximieren, indem die Kosten der übertragenen Aufgaben minimiert werden.

Nahezu alle Aufgaben in unserem Team sind horizontal verteilt und nicht, wie meist, in vertikalen Silo-Strukturen. Dadurch bekommen Mitarbeiter einen Gesamteindruck vom Unternehmen und können ihren Kollegen individuell zu Hilfe kommen. Tools wie Slack, Redbooth und Trello unterstützen das, indem sie Transparenz innerhalb der Belegschaft schaffen, woran Kollegen gerade arbeiten und was sie in ihrem Bereich beschäftigt.

Diese horizontale Vernetzung der einzelnen Mitarbeiter führt zu einem besseren Verständnis des Unternehmens als lebender Organismus, der Hervorhebung individueller Leistungen zum gemeinsamen Erfolg und der Motivation des Einzelnen, sich nach besten Kräften und seinen individuellen Fähigkeiten einzubringen. Seine Individualität, die auch geprägt ist von eigenen Erfahrungen, wird so als besondere Fähigkeit erlebbar.

Unser Handeln und unsere Organisation beruht auf der Ausrichtung unserer eigenen Arbeit nach den Idealen der Neuen Arbeit, wie sie der austro-amerikanische Sozialphilosoph Frithjof Bergmann entwickelte. Ziel ist es, dass die Arbeit der Mitarbeiter des St. Oberholz nach den Werten Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe an der Gemeinschaft gestaltet ist.


Image (adapted) „Arbeitsplatz“ by Unsplash (CC0 Public Domain)


ist Coworking Manager des St. Oberholz und als Editor-at-Large für Netzpiloten.de tätig. Von 2013 bis 2016 leitete er Netzpiloten.de und unternahm verschiedene Blogger-Reisen. Zusammen mit Ansgar Oberholz hat er den Think Tank "Institut für Neue Arbeit" gegründet und berät Unternehmen zu Fragen der Transformation von Arbeit. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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