Der nächste Schritt in nachhaltigem Design: Das Wetter kommt nach Hause

Der primäre Zweck eines Gebäudes mag darin bestehen, das Wetter draußen zu halten. Allerdings erledigen die meisten Häuser ihre Aufgabe so überdurchschnittlich gut, dass sie uns versehentlich von zwei Schlüsselanforderungen für unser Wohlbefinden und unserer Effektivität berauben: Natur und Veränderung.

In den 1950ern begründete Donald O. Hebb mit seiner Erregungstheorie, dass Leute einen bestimmten Grad an Sinnesstimulation benötigen, um vollkommen aufmerksam zu bleiben. 30 Jahre später zeigt die wegweisende Forschung von Roger Ulrich, einem Designer im Gesundheitswesen, dass Krankenhauspatienten in Räumen mit Blick ins Grüne deutlich niedrigere Stresslevel hatten und schneller gesund wurden als Patienten, die lediglich auf eine Ziegelwand schauen konnten.

Unglücklicherweise sind viele Gebäude nicht mit einer grünen Umgebung gesegnet – vor allem in der Stadt ist dies der Fall. Ich bin in einer Gruppe von Architekten und Psychologen an der University of Oregon aktiv. In dieser Gruppe untersuchen wir Möglichkeiten, um dieses Problem mit Hilfe der Natur zu überwinden. Hierfür bedienen wir uns eines Aspektes, der überall verfügbar ist: Das Wetter. Man denke an wogendes Sonnenlicht, reflektiert vom Wasser an die Unterseite eines Bootes. Oder an gesprenkelte Schatten von sich in einer leichten Brise wiegenden Laubes. Andere Beispiele finden sich unter vitalarchitecture.org.

Als wir diese Arten von natürlichen Bewegungen nach drinnen brachten, stellten wir fest, dass diese die Herzfrequenz reduzieren und weniger störend wirkten als ähnliche, künstlich erzeugte Bewegungen. Frühe Ergebnisse suggerieren, dass das Wahrnehmen von natürlichen Bewegungen dieser Art in Innenräumen wohltuender war als durch ein Fenster die Natur zu betrachten. Darüber hinaus kann diese Aussicht nicht nur dazu beitragen, uns zu beruhigen, sondern kann auch unsere Aufmerksamkeit steigern.

Diese Befunde decken sich mit der Aufmerksamkeitswiederherstellungstheorie, die von Rachel und Stephen Kaplan – die als Psychologen an der University of Michigan arbeiten – aufgestellt wurde. Neben anderen Gesichtspunkten suggeriert deren Arbeit, dass derartige vertraute natürliche Bewegungsmuster uns wachsam zu halten können, ohne uns zu stören.

Jenseits des grünen Gebäudes

Während der letzten zwei Jahrzehnte haben Architekten und Ingenieure Ansätze für Gebäudedesigns entwickelt, die den Einfluss von Bauwerken auf die natürliche Umgebung („grüne“ Gebäude) und deren menschlichen Bewohner („gesunde“ Gebäude) bedeutend reduzieren. Diese Bewegungen konzentrieren sich jedoch in erster Linie auf neue Gebäude, was lediglich einer relativ kleinen Anzahl von Leuten zugutekommt. Im Vergleich zu den vielen Menschen, denen damit geholfen werden könnte, bereits bestehende Bauten bewohnbarer zu machen.

Außerdem sind sich viele Leute dieses Fortschritts nicht bewusst. Inklusive derer, die für das Beauftragen von Konstruktionen oder Umgestaltungen von Gebäuden verantwortlich sind. Viele Hauptmerkmale der grünen Gebäude, wie beispielsweise Energie und Wasserschutz, sind nicht umgehend wahrnehmbar. Daher liegen diese einfachen, aber wichtigen Faktoren oft brach.

Diverse führende Berichterstatter zu nachhaltigem Design – unter ihnen auch Judith Heerwagen oder der kürzlich verstorbene Stephen Kellert – haben angeregt, dass grüne Gebäude nicht länger einfach nur „keinen Schaden anrichten“ dürfen, um einen bedeutungsvollen Einfluss auf die gewaltigen Umweltprobleme zu haben. Vielmehr zählen die Fachleute Argumente auf, dass mittels der Bauwerke Möglichkeiten aufgezeigt werden müssen, um mit der Natur in Harmonie zu leben. Unser Bericht schlägt vor, dass man passive energiesparende Ausstattung in Gebäuden offensichtlicher für jene machen könne, die über diese verfügen und sie bewohnen. Indem man Sonnenlicht, Wind und Regen nach drinnen bringt, kann deren Verwendung gesteigert werden.

Das Wetter nach drinnen bringen

So kann beispielsweise ein lichtreflektierender Einlegeboden ein Hilfsmittel sein, der gewöhnlich an Fenstern von bestehenden Häusern nachgerüstet werden kann, um das Tageslicht tiefer in den Innenraum zu reflektieren. Aaron Weiss, ein Absolvent der University of Oregon, hat zusammen mit mir aufgezeigt, dass besagtes Brett sich bewegende Sonnenstrahlenmuster auf die Decke im Inneren reflektiert. Dies geschieht, wenn sich ein dünner Wasserfilm auf einem reflektierenden Brett befindet und der Wind darauf bläst.

In kontrollierten Experimenten unter der Verwendung eines fensterlosen Raums, eines Ventilators und einer energiereichen Lichtquelle konnten wir feststellen, dass das besagte windbewegte Sonnenlicht nicht nur die Herzfrequenzen der Bewohner senkte, sondern sich auch als beruhigender erwies als künstlich generierte Bewegungsmuster. Hier muss man betonen, dass die Windbewegungen nicht die Menge an übertragenem Licht reduzierte. Indes wurden die Ablagen umso sichtbarer für die Leute, die den Raum nutzten.

Wir fanden heraus, dass dasselbe für eine Reihe anderer grundlegender passiver Energiespartechniken zutrifft, samt Solarheizung, Sonnenschutz und natürlicher Belüftung. Das Hinzufügen von Sonne, Wind oder regengenerierten Bewegungen reduzierte nicht die Umweltleistung. Es offenbarte aber deren Funktionsweise für die, die das Gebäude benutzen.

Die beruhigenden Effekte der natürlichen Innenraumanimation könnten insbesondere hilfreich sein an stresserfüllten Orten, wie Krankenhäusern oder Arztpraxen. Also besonders an Plätzen wo Leute zusätzlichen Stress durch Warten erfahren. Aquarien werden zum Beispiel häufig in Wartezimmern verwendet, da man feststellte, dass sie beruhigende Effekte auf Patienten haben. Die Stressreduzierung kann sogar größer sein, wenn Bewegungen im Innenraum durch die freie Natur erzeugt werden. Wie zum Beispiel durch das Wetter.

Wie jedoch können wir die Bewegung ins Innere bringen? Ohne den Hauptzweck eines Bauwerks – der Schutz vor dem Wetter – zu untergraben? Es gibt drei einfache Wege. Wir können wettergenerierte Bewegungen in verglasten Innenhöfen einbauen; wir könnten Sonnenlicht nutzen, um Bewegungen von außerhalb auf innenliegende Oberflächen zu projizieren. Wir könnten es allerdings auch auf die Außenseite von lichtdurchlässigen Materialien wie beispielsweise Milchglas projizieren.

Kein echter Ersatz für Natur

Heutzutage sind auf diese Weise viele Arten von Naturphänomenen technisch zugänglich. Wir können Videos von sanft rollenden Meereswellen anschauen oder zu Regengeräuschen einschlafen. Es gibt sogar hochentwickelte Softwareprogramme, die diese Effekte digital erzeugen können. Also warum den Kampf mit der Neugestaltung von Gebäuden durchmachen, um diese Effekte nach drinnen zu bringen?

Um diese Frage zu beantworten, haben Jeffrey Stattler, ehemaliger Doktorand an der University of Oregon, und ich einen digitalen Schatten eines Baumes auf die Wand eines fensterlosen Raumes projiziert und getestet, ob es irgendeinen Unterschied in den Reaktionen der Leute gab. Die Reaktion hing davon ab, ob die Bewegung des elektronischen Baums von Veränderungen des Windes draußen oder vom Computerprogramm erzeugt wurde.

Die meisten Leute konnten nicht feststellen, ob die Bewegungen vom Wind oder vom Computer generiert wurden. Wenn diese jedoch glaubten, dass die Bewegungen durch den Wind erzeugt wurden, waren deren Beurteilungen der positiven Effekte in allen Kategorien bedeutsam höher. Anders gesagt: Wahrnehmungsveränderungen innerhalb eines Gebäudes haben wahrscheinlich eine größere positive Auswirkung auf uns, wenn wir denken, dass sie natürlich und lebendig sind. Wenn wir also nicht darauf vorbereitet sind, Leute zu täuschen, gibt es keinen wirklichen Ersatz für das Original.

Gemäß der Umweltschutzbehörde verbringen Leute in den Vereinigten Staaten heute mehr als 90 Prozent ihrer Leben drinnen. Eigenschaften, die uns in Innenräumen entspannter und produktiver machen, könnten so auf viele Menschen deutlich positive Effekte haben.

Beleuchtung, Beheizung und Kühlung dieser Bauwerke macht fast 40 Prozent des US-Energieverbrauchs aus. Dieselben natürlichen Innenraum-Animationseffekte könnten außerdem helfen, diese Prozentzahl zu reduzieren. Das geschieht, indem das öffentliche Bewusstsein des passiven Energiesparens in Gebäuden erhöht wird. Neben den praktischen Vorteilen für Mensch und Umwelt zeigt uns diese wetterbedingte Innenraum-Animation auch, dass uns unsere Häuser wieder mit der Natur in Verbindung bringen können. Obwohl wir uns zugleich von deren Extremen in der Natur distanzieren.

Dieser Artikel erschien zuerst auf „The Conversation“ unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.


Image (adapted) „Bäume“ by 3938030 (CC0 Public Domain)


The Conversation

Professor Kevin Nute lehrt architektonisches Design und gibt Kurse zu räum-licher Ordnung, Gebäudetypen und Zeit im gebauten Raum an der University of Oregon. Seine Forschung konzentriert sich auf Qualitäten von gebauten Umge-bungen, die direkt mit den Gebäudenutzern in Resonanz stehen.


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