Wider der Realität: das Leistungsschutzrecht in Europa

In Deutschland verloren, in Spanien blamiert, in Frankreich kassiert – gegen Google machen die Presseverlage keine gute Figur. Auch nach über einem Jahr hat das Leistungsschutzrecht für Presseverlage (LSR) den Medienhäusern kein Geld eingebracht. Letztendlich gaben die deutschen Presseverlage nach und waren damit wohl erfolgreicher als die europäischen Nachbarn in Spanien und Frankreich. Denn nicht das Unternehmen Google ist das Problem, sondern die Realität des Marktes, der man sich nicht widersetzen sollte.

„Völliger Quatsch und nicht europarechtskonform“

Anfang Dezember behandelte der Bundestagsausschuss „Digitale Agenda“ in seiner letzten Sitzung für dieses Jahr das Thema Reform des Urheberrechts. Im nächsten Jahr wird es vor allem von der europäischen Ebene neue Impulse geben, wie die längst überfällige Modernisierung des Urheberrechts aussehen kann, weshalb sich die Ausschussmitglieder vier Sachverständige eingeladen hatten, um sich von ihnen Empfehlungen für ein weiteres Vorgehen bei einer Urheberrechtsreform auf deutscher und europäischer Ebene sowie beim Leistungsschutzrecht für Presseverlage geben zu lassen.

In seltener Einstimmigkeit empfahlen sowohl BITKOM-Vertreterin Judith Steinbrecher, als auch Dr. Thomas Hoeren von der Universität Münster, Dr. Gerald Spindler von der Universität Göttingen und Philipp Otto, Redaktionsleiter von iRights.info, die Abschaffung des noch von der letzten Bundesregierung eingebrachten Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Otto bezeichnete das Gesetz während der öffentlichen Anhörung als „völliger Quatsch und nicht europarechtskonform„. Er appellierte an die Bundestagsabgeordneten, den „Presseverlagen, insbesondere auch den Lokalzeitungen etwas Gutes“ zu tun und „dieses Gesetz ersatzlos“ zu streichen.

Die Opposition im Bundestag, die Fraktionen der Linkspartei und von Bündnis 90/Die Grünen, hatten schon vor den Stellungsnahmen der Sachverständigen, einen gemeinsamen Gesetzesentwurf zur Aufhebung des Leistungsschutzrecht beschlossen. Zum einen, weil der „angebliche Schutz für verlagstypische Eigenleistungen“ weiterhin unklar blieb, aber auch weil „das Gesetz zur Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger mehr Verwirrung als Klarheit stiftet„, wie die Berliner Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak auf dem netzpolitischen Blog der Linkspartei schrieb.

Die Spanische „Pioniertat“ wird zum Eigentor

In Spanien zeigten die letzten beiden Wochen, dass der Verzicht auf die Durchsetzung des Leistungsschutzrecht für Presseverlage, die deutschen Medienhäuser zumindest vor einer Blamage schützte. Statt „sich besser um eine Reform des dortigen Urheberrechts“ zu kümmern, wie Lars Sobiraj auf Netzpiloten.de anmerkte, hat der spanische Kulturminister José Ignacio Wert der hiesigen Medienlandschaft ein eigenes Leistungsschutzrecht geschenkt, welches er als „Pioniertat“ bezeichnete, dass aber wie auch schon in Deutschland mangelhaft an Details und deren Folgen war.

Da diese Gesetzesreform grundsätzlich verlangte, dass Betreiber von Suchmaschinen eine Gebühr an spanische Verlage und Autoren zahlen müssen, beschloss Google noch vor dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 2015 seinen Dienst „Google News“ in Spanien komplett abzustellen. Zusätzlich werden „weltweit keine Inhalte spanischer Medienhäuser mehr durch den Google-Nachrichten-Service erfasst„, wie Marie-Astrid Langer auf NZZ.ch schreibt. Google selbst bedauere diesen drastischen Schritt zutiefst, merkte Richard Gingras, Chef von Google News, am Mittwoch auf einem Unternehmensblog an.

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Noch mehr bedauern dürften das inzwischen die spanischen Verlage. Matthew Ingram schreibt auf Gigaom von einem Rückgang des externen Traffics zwischen 10 und 15 Prozent. Dies hat das Statistik-Unternehmen Chartbeat auf Grundlage von rund 50 spanischen Nachrichten-Websites ermittelt. Als Folge stieg der Anteil des internen Traffics, der durch direkte Verlinkungen zwischen den spanischen Medienhäusern entsteht, so dass in der Gesamtbetrachtung noch kein Einbruch der Besucherzahlen festzustellen ist. Es wird interessant zu beobachten sein, wie lange die spanischen Verlage auf die Produkte der Konkurrenz verlinken, um darauf zu hoffen, dass diese das ebenfalls tun und somit Besucher-Traffic weiterleiten.

Die „vergoldete“ Alternative: Kooperation

Die französische Medienlandschaft setze schon Anfang des Jahres 2013 auf Kooperation statt Konfrontation, wenn auch mit leichtem Druck aus dem Präsidentenpalast. Anstatt ein wie in Deutschland und Spanien auf Google zielendes Gesetz zu fordern, haben sich die Verlage mit Google darauf geeinigt, dass der Internetkonzern einmalig 60 Millionen Euro in einen Fond packt, mit dem Projekte für den „Übergang von der analogen in die digitale Welt“ unterstützt werden sollen. Außerdem hilft Google den Presseverlagen bei der Digitalisierung ihres Geschäftsmodells. So billig und am Ende ihnen auch noch Kunden zu spielend, kam Google wohl noch nie aus einem Konflikt heraus.

Doch dieser Ausweg liegt in der Natur der französischen Presseverlage, die Subventionen gewohnt sind. Jedes Jahr unterstützt der französische Staat die heimische Presse mit 1,2 Milliarden Euro. Jetzt Geld von Google zu nehmen, über das wie auch hierzulande stets kritischer berichtet wird als über andere Suchmaschinen-Unternehmen, lässt die fehlende Innovation und das wegbrechende Geschäftsmodell weiterhin ignorieren, denn es fehlt ein harter aber nützlicher Innovationsdruck. Vor diesem Hintergrund verstehe ich die Aussage von FrenchWeb-Chefredakteurin Marion Moreau, die mir gegenüber im Interview auf der LeWeb sagte, dass Axel Springer damit recht tut, wenn sie Google bekämpfen. Anstatt sich durch Geld von Google einlullen zu lassen, wünschte sie sich eher eine Innovationen suchende Medienlandschaft in Frankreich, die an ihrer Unabhängigkeit arbeitet.

Falsches Instrument

Moreau sieht dabei, mit dem Blick der französischen Außenstehenden auf die deutsche Medienlandschaft, nicht das ganze Gebaren von Axel Springer in Deutschland. Hierzulande arbeitet Axel Springer sehr gut mit Google zusammen und sucht mit fast schon beeindruckender Konsequenz nach neuen Wegen im digitalen Journalismus, wie z.B. durch die Investition in das Video-Nachrichten-Unternehmen NowThis Media, aber auch nach neuen Einnahmequellen im Internet, die nichts mit Journalismus zu tun haben. Außerdem war das Zustandekommen des Leitungsschutzrecht für Presseverlage ein Negativbeispiel für Lobbyismus.

Obwohl die Idee eines Leistungsschutzrecht für Presseverlage in Deutschland gescheitert ist, die spanischen Verlage blamierte und in Frankreich früh weg gekauft wurde, plant der neue EU-Digitalkommissar Günther Oettinger scheinbar die Einführung eines derartigen Gesetzes auf europäischer Ebene. Die Europaabgeordnete Julia Reda von der Grüne/EFA-Fraktion schreibt auf ihrem Blog, dass „bei der ersten Sitzung der gemeinsamen Urheberrechts-Arbeitsgruppe im Europaparlament„, Oettinger den Wunsch „nach einem EU-weiten Leistungsschutzrecht für Presseverleger ausgedrückt“ hat. Für Reda der falsche Schritt, denn die bisherigen Anti-Google-Gesetz auf nationaler Ebene sind ihrer Meinung nicht gescheitert, „weil sie auf der falschen Ebene eingeführt wurden, sondern weil sie das falsche Instrument sind.

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Wie es besser geht kann, beweisen in Europa, neben dem mit Google lukrativ kooperierenden Axel Springer-Medienhaus, vor allem die Schweizer Medien. Diese wollten vor zwei Jahren zwar auch noch ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage, inzwischen leben und arbeiten die Presseverlage aber ganz gut mit Google News zusammen. Gegenüber dem Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) merkte Hanspeter Lebrumen, Präsident des Verbandes Schweizer Medien, an: „Sehr viele Verlage arbeiten mit Google zusammen und machen gute Erfahrungen.“ Anstatt mit Verboten auf etwas Neues zu reagieren, sollte lieber die Zusammenarbeit gesucht werden und das aus guten Gründen, wie Lebrumen sagt: „Ich kenne niemanden, der mit Google zusammenarbeitet und sagt, das sei eine schlechte Sache.“ Es lohnt sich eben, wenn der Wind der Veränderung weht, eher Windmühlen als Mauern zu bauen.


Image (adapted) „DSC_2579“ by Digitale Gesellschaft (CC BY-SA 2.0)


ist Coworking Manager des St. Oberholz und als Editor-at-Large für Netzpiloten.de tätig. Von 2013 bis 2016 leitete er Netzpiloten.de und unternahm verschiedene Blogger-Reisen. Zusammen mit Ansgar Oberholz hat er den Think Tank "Institut für Neue Arbeit" gegründet und berät Unternehmen zu Fragen der Transformation von Arbeit. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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