Johannes Landvogt (BfDI): „Datenschützer sind doch keine Gouvernanten“

Im Netzpiloten-Interview redet Datenschützer Johannes Landvogt (BfDI) über Big Data, Smart Data und zeitgemäßen Datenschutz // von Tobias Schwarz

Johannes Landvogt

Auf dem „Smart Data“-Kongress des Bundeswirtschaftsministeriums haben wir uns vergangene Woche mit Ministerialrat Johannes Landvogt, Leiter des Referats „Technologischer Datenschutz, Informationstechnik, Datensicherheit“ beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), über den Nutzen von Big Data und Smart Data, die Akzeptanz von Datenschutz im Alltag und die globale Überwachung durch den US-amerikanischen Geheimdienst NSA unterhalten. Für den studierten Mathematiker ist Datenschutz eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Sieht Ihr Haus den Trend zu Big Data und Smart Data als eine politische Entwicklung?

Landvogt: Big Data und Smart Data sind mittlerweile Thema im politischen Raum. Nun kommt es jedoch darauf an, diese technologischen Entwicklungen mit modernen und datenschutzfreundlichen Vorgaben zu begleiten, um die Gefahren zu minimieren.

Was würden Sie an dieser Entwicklung kritisieren?

Durch die Zusammenführung verschiedenster Informationen aus unterschiedlichen Kontexten werden einzelne, vermeintlich anonyme Daten personenbeziehbar. Damit unterliegen die Daten dem Datenschutzrecht, dass jedoch von dem Prinzip der Zweckbindung geprägt ist. Daten dürfen danach nicht für andere Zwecke, als die zunächst genannten, verwandt werden. Diese Zweckbindung wird bei Big Data oder Smart Data häufig aufgehoben. Das wirft in der Praxis eine Vielzahl rechtlicher und technischer Fragestellungen auf.

Ihr Haus ist seit Jahrzehnten mit Informationstechnik vertraut und hat die Entwicklung lange begleitet. Finden Sie, dass sich unsere Gesellschaft zu sehr auf Fragen fixiert?

Technologische Möglichkeiten im positiven wie negativen Sinne zu hinterfragen, halte ich für erforderlich und nicht für hinderlich. Nur wer alle Fakten kennt, kann sich doch eine umfassende Meinung bilden.

Viele Dienste und Tools sind für Nutzer kostenlos, sammeln dafür ab die generierten Daten ab. Wie beurteilen Sie dieses Geschäftsmodell?

Die Nutzung solcher Dienste ist dann kritisch zu sehen, wenn der Nutzer nicht umfassend und verständlich über die Datenverarbeitung im Hintergrund aufgeklärt wird und die Datensicherheit nur unzureichend gewährleistet wird.

Trotzdem nutzen gerade viele gut informierte und aufgeklärte Menschen solche Dienste und Tools, die Ahnung von Datenschutz haben, denn Datensparsamkeit scheint als Individuum im Privaten und Beruflichen nicht möglich. Wie könnte Ihrer Meinung nach ein bewusster Umgang mit Daten aussehen?

Datenschützer sind doch keine Gouvernanten. Das Datenschutzgrundrecht, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, will Niemandem vorschreiben, was er oder sie zu tun oder zu lassen hat. Im Gegenteil. Es geht darum, dass der Einzelne frei und informiert entscheiden kann, welche Daten er preisgibt. Das schließt auch die Nutzung oder Ablehnung der vermeintlich kostenfreien Internetdienste ein, deren Geschäftsgrundlage die Nutzerdaten sind.

Datenschutz scheint den meisten Menschen nicht so wichtig zu sein, solange sie nicht ungefragte Werbung im Briefkasten haben. Stimmt dieser Eindruck oder nehmen Sie hier doch einen Sinneswandel wahr?

Ihrem Eindruck möchte ich widersprechen. Datenschutz ist nicht länger ein Offline-Thema. Das Interesse an technischen Lösungen zum Schutz der persönlichen Daten im Internet steigt, das belegen auch die vielen Anfragen, die unser Haus erreichen.

Ist Datenschutz eine staatliche Aufgabe oder sind die Bürger hier selber in der Pflicht, sich ausreichend zu informieren und zu schützen?

Wie in anderen Lebensbereichen ist es wichtig, dass der Staat für sichere und transparente Rahmenbedingungen, etwa beim Internet-Zugang, sorgt, die der Einzelne dann verantwortungsbewusst nutzen kann. Dazu gehört auch, sich über bestimmte Risiken zu informieren und sein Handeln darauf auszurichten.

Wie könnte eine als zeitgemäß und praktisch wahrgenommene Unterscheidung zwischen Datenerhebung, Datenverarbeitung und Dateninterpretation aussehen, die im Sinne des Datenschutzes ist?

Diese Unterscheidung mag zwar für viele nicht praktikabel sein. Praktikabilität ist aber nicht das einzige Kriterium zur Beurteilung, ob etwas auch noch zeitgemäß ist. Natürlich muss das Datenschutzrecht modernisiert werden. In Brüssel wurde der Handlungsbedarf erkannt und ein Vorschlag für eine Datenschutzgrundverordnung auf den Weg gebracht. Der Bundesbeauftragte hofft, dass dieses europäische Reformvorhaben 2014 zügig und erfolgreich verabschiedet werden wird.

In westlichen Demokratien geben immer mehr Gesellschaften Freiheiten für vermeintliche Sicherheit auf. Obwohl Überwachung und Sicherheitsgesetze die Folgen sind, setzen sich nur wenige dagegen zur Wehr. Was tut der Bundesdatenschutzbeauftragte gegen diesen sozialen Druck zur Unfreiheit?

Die Rolle des Bundesbeauftragten ist es, solche gesellschaftlichen Entwicklungen kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls vor Fehlentwicklungen zu mahnen. Konsequenzen daraus zu ziehen, ist jedoch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

ist Coworking Manager des St. Oberholz und als Editor-at-Large für Netzpiloten.de tätig. Von 2013 bis 2016 leitete er Netzpiloten.de und unternahm verschiedene Blogger-Reisen. Zusammen mit Ansgar Oberholz hat er den Think Tank "Institut für Neue Arbeit" gegründet und berät Unternehmen zu Fragen der Transformation von Arbeit. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


Artikel per E-Mail verschicken
Schlagwörter: , , , , , ,

1 comment

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert