Is Anyone up? Ein Shitstorm wird zum Epic-Thunder

isanyoneupIs Anyone up? werden in Deutschland eher wenige kennen. In den Staaten dafür umso mehr. Kaum eine Seite hat dort mehr Kritik und negatives Aufsehen erhalten wie dieses Webseiten-Projekt. Und das will was heißen in einem Staat, indem sich mächtige erzkonservative Republikaner und eine ganze Generation durchgedrehter Collegeboys und wild feiernde Teenagerinnen mit gottgegebener Internet-Affinität, die Klinke in die Hand geben. Der Graben zwischen amerikanischen Tugenden und verlotternder Moral klafft tief im Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

isanyoneupIs Anyone up? ist eines dieser Paradebeispiele. Der Gründer Hunter Moore hat mit dieser Webseite eine Plattform geschaffen, in der rachsüchtige Exfreunde, verletzte Partner oder einfach nur exhibitionistische (und manchmal offensichtlich betrunkene) Teenager sich ihren niedersten Gelüsten hingeben konnten, indem man Nacktbilder (nicht selten mit pornografischen Avancen) vermeintlicher Mobbing-Opfer und seiner selbst einschickte, damit die dann fein-säuberlich kategorisiert veröffentlicht werden konnten. Das führte zu unglaublichen 500 Millionen Page Views.

Die Webseite übernahm die Funktion eines Prangers und hatte in Ihren Bestzeiten mehr Klagen wütender Väter auf dem Konto als Ölkonzerne Klagen von Umweltschützern. Moore machte sich auch daraus einen Spaß und veröffentlichte diese Mails, Facebook-Nachrichten und Briefe der Klagenden ganz stolz in einer eigenen Kategorie.

Seit nun ein paar Tagen ist Schluss mit diesem Gebaren wie abcnews.go.com letzte Woche berichtete. Die Frage nach dem „Warum?“ scheint dabei aber nur weniger geklärt. Fakt ist die Seite wurde verkauft und zwar an einen Käufer, der sich genau dem gegenteiligen Geschäft widmet. Die „Sexual-Bullying“-Website wurde kurzerhand zu einer „Anti-Bullying“-Website umgeformt. Genauer gesagt wird man derzeit von IsAnyoneUp.com auf Bullyville.com weitergeleitet.

Im amerikanischen Web reist die Kritik trotzdem nicht ab. Denn obwohl der sprichwörtliche Dorn im Auge nun verschwunden ist, ist die Debatte über Gewissen oder Profit erneut und fast sogar noch ein Stück heftiger entflammt. Schuld daran ist Hunter Moores öffentliche Stellungnahme zum Verkauf. Denn anstatt unternehmerische Interessen ging es dem schwarzen Schaf einzig und alleine um ein reines Gewissen. Zumindest laut seinem, auf Bullyville.com, veröffentlichen Brief.

Darin heißt es in einem Auszug:

    “Since we launched Isanyoneup.com a year ago, we received over 500 million page views. Girls got naked of all sizes at the IAU parties; we did it from Canada to Vegas. You made it possible for me to have the best life and made me realize what people will do for a few extra friend requests & followers on twitter. I’ll miss a lot of things but mostly the community. I never got to take in everything while it was happening because it was going so fast even though there was drama and lots of tears and pissed off parents, I feel blessed and thankful for all of you who came here to support me. I’ve become friends with the founder of BullyVille, CupidVille, CheaterVille and KarmaVille and he helped me realize that my talents in the programming and social networking world could be channeled in a positive way and we spoke about ways to move on, which is ultimately what I’ve decided to do. I might do some writing on bullyville.com to help people who have been bullied; I’ve been on both sides of the fence. I am putting this message up on Bullyville.com to stand up for underage bullying.”

Klingt für uns nobel, oder? Für einige amerikanische Bürger jedoch unglaubwürdig. Hunter Moore scheint neben seinem Talent zum Programmieren und zum Netzwerken, noch eine ganz andere Expertise zu besitzen… nämlich das Talent Shitstorms zu erzeugen.

Es dauerte nicht lange bis die warmen Worte auf wütendes Getöse stießen. Twitter-Meldungen wie „Dear @Huntermoore, your letter is a joke. You’re a scumbag and a horrible human being. Attempting to salvage your soul is pointless. Lulz.“ von dem Twitter-Nutzer Spaghetti-Jesus gehörten da noch eher zur jugendfreien Äußerung.

hunter mooreWas an der Debatte jedoch am meisten interessiert, ist die Entwicklung. Denn Hunter Moore hat es geschafft, neben seine bisherigen Feinde, mit seiner augenscheinlichen Ehrlichkeit, auch seine bisherigen Freunde, gegen sich aufzubringen. Neben den für ihn normalen Hasstiraden gegen seine Unmenschlichkeit und fehlender Moral, weht nun auch ein Shitstorm um seine Person herum, die ihn als Heuchler und Verräter brandmarkt. Ein Paukenschlag, der aus enttäuschten Fans herrührt? Wie man es macht, macht man es scheinbar falsch!

Doch bleibt zu erwarten, dass die unbekannte Summe, die der Mitzwanziger erhalten hat, über dieses laue Lüftchen hinwegtröstet. Also doch alles richtig gemacht, oder?

schreibt seit 2011 für die Netzpiloten und war von 2012 bis 2013 Projektleiter des Online-Magazins. Zur Zeit ist er Redakteur beim t3n-Magazin und war zuletzt als Silicon-Valley-Korrespondent in den USA tätig.


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