Interview mit Inga Bremer über die Dokumentarfilm-Regie

Inga Bremer studierte Dokumentarfilm-Regie an der Filmakademie Ludwigsburg. Nach ihrem Studium gründete sie mit drei Kolleginnen die Produktionsfirma soilfilms in Berlin und arbeitet als Regisseurin verschiedener Genre und als Produzentin. // Von Gina Schad

Inga Bremer im Schnitt (Bild: Inga Bremer)

Regie, Schauspiel, Kamera – bei all diesen Ausbildungen handelt es sich um künstlerische Berufe. Bei der Aufnahmeprüfung an den Filmhochschulen wird bereits aussortiert, nach der Ausbildung beginnt jedoch erst das Kämpfen. Es erfordert viel Kraft, sich als Kreative durchzusetzen und von seinem Berufsziel eines Tages leben zu können. Das Internet kann bei dieser Arbeit künftig helfen. Die Dokumentarfilm-Regisseurin Inga Bremer verrät uns daher im Interview, warum Dokumentarfilme oftmals so spät am Abend gezeigt werden, von welchen Institutionen man heutzutage als junge Regisseurin abhängig ist, und ob es sich überhaupt noch lohnt, Dokumentarfilm-Regie zu studieren.

Gina Schad: Dein Film „Perfekte Mädchen“ wurde in China mit dem Golden Panda ausgezeichnet, „Goodbye Kutti“ war für den Deutschen Menschenrechtsfilmpreis nominiert. Warum bist Du Regisseurin geworden?

Inga Bremer: Für mich war immer klar, dass ich einen Beruf ausüben möchte, der meine größten Interessen mit meinen Fähigkeiten und Idealen vereint. Film und Theater war schon, als ich ein kleines Mädchen war, meine größte Leidenschaft. Da ich mich auf künstlerischem Wege mit Themen beschäftigen wollte, die von gesellschaftlicher Relevanz sind, war mir irgendwann klar, dass Regisseurin der richtige Beruf für mich ist.

GS: Ärgert es dich, dass Deine Filme oftmals erst spät im Fernsehen gezeigt werden?

IB: Ja, das ärgert mich. Aber nicht aufgrund verletzten Stolzes, sondern weil ich nicht verstehen kann, dass im deutschen Fernsehen so viele tolle Filme entstehen, die dann auf den schlechten Sendeplätzen, nämlich mitten in der Nacht und unter der Woche, laufen. Man (die Fernsehanstalten) glaubt eben, dass die Zuschauer nur Krimis, Talkshows usw. sehen wollen. Ich glaube aber vielmehr, dass das Angebot auch immer die Nachfrage bestimmt.

GS: Für Dein aktuelles Filmprojekt „Francos Erbe – gestohlene Leben“ hast Du den Dokumentarfilmpreis des Bayerischen Rundfunks erhalten. Worum geht es bei diesem Projekt?

IB: Der Film erzählt von Menschen auf der Suche nach Identität. Seit Jahren versuchen sie ihre Verwandten wiederzufinden. Diese Familien wurden Opfer vom Babyhandel in Spanien, der während der Franco-Diktatur entstand, aber noch bis in die 1990er Jahre praktiziert wurde. Also auch noch in der Zeit, in der Spanien bereits zur Demokratie wurde und Francisco Franco bereits ca. 20 Jahren tot war.

GS: Welche Rolle wird das Internet bei der Bekanntmachung Deines Films spielen?

IB: Ich hoffe eine große. Das Internet ist überhaupt nicht mehr wegzudenken in meiner alltäglichen Arbeit. Ich nutze es auf diversen Kanälen und weiß, dass das noch lange nicht genug ist. Ich hätte gerne mehr Zeit, um noch mehr neue Wege zu finden das Internet zu nutzen.

GS: Warum hast Du Dich für/gegen Crowdfunding entschieden?

IB: Ich habe mich noch nicht dafür oder dagegen entschieden. Da ist noch alles offen.

GS: Als Dokfilm-Regisseurin wird man nicht gerade reich. Dabei brauchen wir Menschen, die uns Informationen und Geschichten zugänglich machen. Von welchen Institutionen ist man als junge Regisseurin abhängig?

IB: Zunächst arbeite ich nicht ausschließlich als Dokumentarfilmerin, sondern auch als Produzentin und Regisseurin verschiedener Genre. Und ich denke, das muss man auch, da man nur mit dem Dokumentarfilm tatsächlich zu wenig zum Leben verdienen würde. Es gibt viele Institutionen, die enorm wichtig sind. Da sind u.a. die Filmförderanstalten, die Sender, und ganz wichtig, auch die Filmfestivals. Wenn Du auf tollen Festivals läufst und dann vielleicht auch noch dort Preise gewinnst, ist das ein nicht zu unterschätzender Pluspunkt, wenn man für Folgeprojekte Sender und Geldgeber sucht. Aber selbstverständlich wird das Internet auch immer wichtiger und vor allem auch spannender.

GS: Für Deinen Beruf braucht man einen langen Atem. Weshalb hast Du trotzdem immer weiter gemacht?

IB: Ich glaube Ulrich Seidel (bin mir nicht sicher, ob er das gesagt hat oder jemand anderes) hat mal gesagt: „Der Grund, warum so viele junge Filmemacher scheitern, ist nicht, dass sie kein Talent haben, sondern dass sie nicht gemerkt haben, wie kurz vorm Ziel sie waren, als sie aufgaben“ (So oder so ähnlich). Das beschreibt perfekt, wie es ist. Wenn man kein Durchhaltevermögen hat bzw. keine Kämpfernatur ist, ist man meiner Meinung nach falsch in dem Beruf.

Wenn ich so leicht einzuschüchtern wäre, würde es auch keinen Sinn machen mich in meinen Filmen mit schwierigen Themen zu beschäftigen. Dann würde ich einfach den Stand der Dinge akzeptieren und glauben, dass es sowieso nichts bringen würde sich für etwas einzusetzen, weil mein Tropfen einer auf dem heißen Stein sei. Dann würde ich einen Beruf wählen, wo ich ein geregeltes Einkommen habe, und vielleicht für einen großen Konzern arbeiten. Aber mein Antrieb Dokumentarfilmregie zu studieren war ja eben, dass ich genau da hinsehen will, wo es weh tut, wo man Dinge verbessern muss, wo man etwas in Gang bringen kann.

Mit unserer Firma widmen wir uns genau solchen Themen. Wie bei unserem aktuellen Film „Chronik einer Revolte – Ein Jahr Istanbul„, der mit dem ZDF Das Kleine Fernsehspiel und ARTE realisiert wurde, und den man außer natürlich im Fernsehen, ab dem 09.06. für eine Woche in der ZDF Mediathek sehen kann. Regie führten hier Ayla Gottschlich und Biene Pilavci. Ausserdem waren wir Kooperationspartner von „Durchgedreht mit…“ einem innovativen Interviewformat fürs Internet.


Ausstrahlungstermine:
Montag (auf Dienstag), den 9. Juni ZDF / Das kleine Fernsehspiel um 00:10 Uhr (83 Min.)
Freitag, den 12. Juni ARD um 9:50 Uhr (57 Min.) UND ZDFkultur um 20:15 Uhr (83 Min.)
Samstag, den 13. Juni ZDFkultur um 00:35 Uhr (83 Min.) Mittwoch, den 17. Juni ARTE um 9:45 Uhr (57 Min.)


Teaser & Image (adapted) by Inga Bremer


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hat Medienwissenschaft an der Humboldt-Universität Berlin studiert. Ihre Masterarbeit hat sie zum Thema „Risiken und Chancen der Digitalisierung für Gesellschaft und Kultur“ verfasst. Derzeit forscht sie weiter zu den Themen Privatsphäre und Öffentlichkeit in der Digitalen Welt. Auf ihrem Blog medienfische bloggt sie über Menschen, Ideen und Netzkulturdings. Privat schreibt sie mit einem Stift auf Blätter, bei Twitter ist sie unter @achwieschade zu finden. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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