„Irgendwann kommen die ganz Großen auch aus Deutschland.“ – Gespräch mit Dr. Alex von Frankenberg

Gründen ist schick. Viele junge Unternehmer entscheiden sich zu gründen, während sich der digitale Wandel zunehmend beschleunigt. Deswegen ist es besonders für Investoren wichtig, disruptive Innovationen rechtzeitig zu erkennen. Dr. Alex von Frankenberg, Geschäftsführer des High-Tech Gründerfonds (HTGF), finanziert mit seinem Team seit über zehn Jahren junge Startups in der Startphase der Gründung. Das Portfolio zeigt eine Vielzahl erfolgreicher Exits auf, unter anderem das Berliner Startup 6 Wunderkinder, das 2015 für eine dreistellige Millionensumme von Microsoft übernommen wurde.

In Bonn hat Frankenberg im Rahmen des Family Day 2017 vor mehr als 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Wirtschaft, Politik und Startup-Szene das First Closing des HTGF III mit einem Volumen von 245 Millionen Euro verkündet. Zu den Investoren gehören neben öffentlichen Partnern wie dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) und der KfW derzeit 26 Unternehmen aus Industrie und Wirtschaft. Der High-Tech Gründerfonds III investiert damit ab Herbst 2017 bis zu drei Millionen Euro, in Ausnahmefällen auch mehr Risikokapital, pro Unternehmen.

Wie schwer es ist, erfolgreiche Innovationen zu erkennen, die richtigen Unternehmen zu finanzieren und wie es um die deutsche Startup-Szene steht, erzählt er im Interview.

Melina Mork: Sie haben mit 6 Wunderkinder und ihrer App „Wunderlist“ eines der populärsten deutschen Startups finanziert. Wann finden Sie das nächste „Wunderlist“?

Alexander von Frankenberg: Ich glaube, wir haben ganz viele „Wunderlists“ im Portfolio. Das kann man an verschiedenen Dingen festmachen. Zum Beispiel mit den Bewertungen im dreistelligen Millionenbereich, wie Mister Spex, Outfittery und vielen anderen. Ich glaube die Zeiten sind so, dass sich immer mehr neue Wunderkinder zur Gründung entscheiden und ein erfolgreiches Unternehmen aufbauen.

Startups gelten besonders dann als erfolgreich, wenn sie eine Branche nicht nur ein kleines bisschen, sondern gleich fundamental durchschütteln. Wie erkennt man eine solche disruptive Innovation?

Ich würde sagen, Startups sind auch erfolgreich, wenn sie eine inkrementelle Innovation haben, die den Markt nicht komplett durchschüttelt oder verändert. Es gibt auch viele tolle Beispiele, wie disruptive Innovationen erst Jahre danach als solche erkannt wurden. Mein Lieblingsbeispiel ist der Strategiechef von Nokia, der Ende 2009 gesagt hat, dass das iPhone, ähnlich wie der Macintosh, irgendwo in einer Nische hängen bleiben wird. Er hat die disruptive Innovation damals nicht erkannt. Wie erkennt man diese Situationen also als Investor?

Mein Geheimnis ist: Man denkt, es sei vielleicht Quatsch. Dann gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder es ist wirklich Quatsch oder es ist eine disruptive Innovation. Man denkt nur, dass es Quatsch ist, weil es etwas komplett Neues ist, das nicht in unser Weltbild passt. Oft erkennt man die Innovation erst Jahre danach.

30 bis 50 Prozent von geförderten Startups scheitern. Warum können selbst Profis wie Sie nicht immer die Spreu vom Weizen trennen?

Das ist eine gute Frage. Hierbei gibt es viele Sollbruchstellen und Punkte, an denen ein Startup scheitern kann. Erstens, das Team hat noch keine Betriebserfahrung, hat noch nie zusammengearbeitet oder hat noch nie ein Produkt verkauft. Zweitens, die Technologie ist noch nicht fertig und der Markt ist den Gründern noch unklar.

Auf dem Weg von der Gründung bis zum erfolgreichen Unternehmen gibt es so viele Dinge, die schief gehen können. Auch die besten Gründer schaffen es nicht immer, alle Sollbruchstellen erfolgreich zu passieren. Und dann scheitern auch Unternehmen, die eigentlich gut aussehen, weil es durch ein Risiko doch nicht klappt.

Haben Sie Fehlervermeidungsvorschläge für Gründer?

Man kann zum einen schauen, an welchen Dingen andere Unternehmen gescheitert sind. Das ist zu allererst Streit. Das ist natürlich, man ist sich nicht immer einig. Man streitet, aber man muss auch irgendwann damit aufhören. Ansonsten ist das Unternehmen zum Scheitern verurteilt. Die zweite Fehlerquelle ist die Gefahr, zu viel Geld auszugeben. Man ist optimistisch und plant auch die Umsätze zuerst sehr optimistisch. Das Geld geht allerdings ganz schnell aus, wenn die eingeplanten Umsätze erst später eintreffen. 

Ein weiterer Fehler ist, dass man etwas macht, von dem man nicht zu hundert Prozent überzeugt ist. Heutzutage ist es einfach schick zu gründen – meine Freunde haben gegründet, jetzt muss ich auch gründen. Das ist schwierig, weil dann die Innovation des Unternehmens so gering ist, dass es zu nichts führt. Man muss von seiner Idee auch wirklich überzeugt sein. Erst dann kann man auch andere davon überzeugen.

Auf dem dem PIV-Branchentalk haben Sie Bitcoin, KI (Watson) und Carsharing (Uber) als drei Bereiche mit besonders großem Disruptions-Potenzial bezeichnet. Warum empfehlen Sie in diese Bereiche zu investieren?

Ich glaube, diese Bereiche sind nicht die einzigen Felder, die man beobachten sollte. Aber sie sind mögliche Beispiele für disruptive Innovationen, für die ich mich durchaus auch aus dem Fenster lehnen würde. Ich glaube, Bitcoin und Blockchain kann unser System von Grund auf verändern, es kann aber auch scheitern. Es kann sein, dass wir in zwei Jahren gar nicht mehr davon reden. Wer weiß schon, was die Zukunft bringt. Und das Schöne an Innovation und an der Zukunft ist, ist dass wir sie nicht kennen. Es ist nicht klar, was sie uns bringt – im Positiven wie im Negativen. Was bedeutet, dass es noch viele Möglichkeiten geben wird.

Die genannten Beispiele für Trends und Startups kommen nach wie vor aus den USA. Wird die deutsche Startup-Szene jemals aus dem Schatten des Silicon Valley treten können?

In der Tat kommen viele Innovationen aus den USA. Es gibt aber auch mehr Amerikaner, die offener sind, neue Dinge auszuprobieren. Das liegt an der Innovationsfreudigkeit, die dort höher ist als in Deutschland. Kommen diese Sachen irgendwann mal aus Deutschland? Mit Sicherheit. Ich glaube wir haben so eine derartige Dynamik, dass Unternehmer, die auch zum zweiten oder zum dritten Mal gründen, mehr Mut haben werden, neue Sachen auf den Markt zu bringen.

Tolles Beispiel ist Frank Thelen mit seiner Investition in ein fliegendes Auto. Noch ist unklar, ob es was wird. Es gibt positive Anzeichen, es gibt aber auch Skeptiker – aber Frank ist jemand, bei dem man merkt, wie er sich emanzipiert und den Mut hat, etwas ganz großes zu machen. Deswegen bin ich mir sicher, irgendwann kommen die ganz Großen auch aus Deutschland. Wir brauchen uns auch nicht vor der Geschichte verstecken, weil die großen Marken historisch aus Deutschland kommen. Auto erfunden, Computer erfunden – es gibt ganz viele Sachen, die aus Deutschland kommen und das wird wieder so sein.

Sie sagen, wie wichtig die Unterstützung von Startups ist, die Auslandstandorte aufbauen wollen. Heißt das, der deutsche Markt ist Ihrer Meinung nach gesättigt?

Wir reden ja immer vom deutschsprachigen Raum, der ist ja sehr groß. Es gibt 100 Millionen Menschen, die dort leben, was ein unheimlich großer Markt ist. Man kann auch sehr erfolgreich sein, wenn man sich nur in diesem Markt bewegt. 

Um wirklich richtig groß zu werden, um Weltmarktführer zu werden, oder in die Weltspitze vorzudringen, muss man natürlich aus Deutschland, wahrscheinlich sogar aus Europa raus. Es gibt DAX-Unternehmen, die Auslandsumsatzanteile von um die 80 Prozent haben, das ist heutzutage nichts Besonderes mehr. Eigentlich steht es in der Tradition der deutschen Firmen, dass die Wirtschaft von hier kommt, und dass wir aber auch sehr erfolgreich im Ausland sind.

Nach Nokia und Kodak haben ja viele große Technologie-Firmen Angst davor, von disruptiven Startups aus dem Spiel genommen zu werden. Inwiefern könnte die Zusammenarbeit mit Startups auch innerhalb von großen Firmen Innovationen fördern? Welche Möglichkeiten haben Corporates dafür?

Die meisten Innovationen sind inkrementell. Und genau da ist das Potential für Zusammenarbeit. Firmen können davon profitieren. Durch die Startups haben sie Zugang zu Innovation und die Startups bekommen im Gegenzug Zugang zu Ressourcen, zu Know-How und die Möglichkeiten, Partnerschaften einzugehen. Aber es gab auch schon Fälle, in denen die Innovationen der Startups so stark waren, dass eine Firma vom Markt verdrängt wird. Aber der Normalfall ist, dass man sehr gut zusammenarbeiten kann.

Sie können über Startups alles im Netz recherchieren: Inwiefern bleibt das persönliche Beschnuppern auf Gründer-Konferenzen wie dem Family Day 17 weiterhin wichtig?

Solche Termine sind definitiv noch wichtig! Das persönliche Treffen, das Bild, das man sich durch das Treffen in einem Raum macht, ist gerade am Anfang einer Beziehung super wichtig. Auch mit vielen jungen Unternehmern, die auf mich zukommen, sage ich immer wieder, dass ich sie persönlich kennenlernen möchte, egal ob am Anfang oder auch zwischendrin bei Vertragsverhandlungen oder Kooperationen. Natürlich muss man nicht alles persönlich machen, man kann in den Arbeitsphasen den Kontakt per E-Mail oder Telefon halten. Aber ganz ohne persönlichen Kontakt wird es sehr schnell sehr schwer.

Nehmen wir an, ich bin Entrepreneurin mit einer bahnbrechenden Idee. Wo genau kann ich Sie antreffen und meine Idee vorstellen?

Den High-Tech Gründerfond kann man überall antreffen. Zum einen über die Investmentmanager, zum anderen sind wir, die Geschäftsführer Michael Brandkamp und ich, auch viel unterwegs. Wir geben viele Vorträge, sind auf Messen und Wettbewerben. Und wir sind auch immer bereit dafür, wenn uns junge Unternehmer ansprechen und sagen: „Hallo hier bin ich, das ist meine Idee, was haltet ihr davon?“. Wir schauen uns alle Unterlagen an, die wir bekommen. Und durch unseren neuen Fond, haben wir nicht nur mehr Partner aus der Wirtschaft und Industrie, sondern auch mehr Mittel zur Verfügung, um Unternehmen zu finanzieren, die bis zu drei Jahre alt sein können. 

Haben Sie auch schon Unternehmen finanziert, die neben einer guten Idee noch keine ausgereiften Pläne vorzuweisen hatten?

Ja, in der Tat.  Manche kommen schon mit kleinen Umsätzen, aber manche haben auch nur einen groben Businessplan. Natürlich ist es leichter zu finanzieren, wenn ein Unternehmen schon Umsätze hat, weil dann ein paar Risiken und Sollbruchstellen wegfallen. Aber als Seed-Investor muss man sich auch auf sehr unreife Konzepte freuen. Und wir haben auch schon Unternehmen finanziert, die noch nichts vorzuweisen hatten, außer einer sehr guten Idee und einem motivierten Team.


Image (adapted) by Alexander von Frankenberg

Image (adapted)“Gedanken“ by TeroVesalainen (CC0 Public Domain)


wollte schon immer "Irgendwas mit Medien" machen. Ist deswegen früh dem Jugendpresseverein Niedersachsen beigetreten und hat Kulturjournalismus im schönen Hamburg studiert. Hat außerdem großes Interesse an Internet-Trends und kann stundenlang über Webkultur reden.


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