„Inferno“-Review: Sorgen jetzt die Milliardäre für soziales Gleichgewicht?

Mit „Inferno“ kommt nach „The Da Vinci Code – Sakrileg“ (2006) und „Illuminati“ (2009) nun die dritte Verfilmung von Dan Browns Bestsellerromanen ins Kino. Wieder mit dabei: Tom Hanks. Mit ihm gehen wir in dem historisch angehauchten Thriller auf Schnitzeljagd. Ich habe mich einen ganzen Tag lang auf die Spuren von Tom Hanks begeben und dabei auch gleich noch die Frage geklärt, wie relevant der neue Film für unsere heutige Zeit ist.

Kann ein Einzelner wirklich wissen, was unserer gesamten Gesellschaft fehlt und was ihr gut tut? Eigentlich will man doch diese Frage sofort wild kopfschüttelnd verneinen. Wie anmaßend! Und irgendwie auch völlig weltfremd. Ja, und der Böse in „Inferno“ wirkt tatsächlich erst einmal ziemlich unecht. Bertrand Zobrist (Ben Foster) ist so ein Typ, der wohl kaum seinen Kontostand auswendig weiß. Dafür hat er viel zu viel Geld auf der hohen Kante. Ein Milliardär halt. Trotz seiner privilegierten Stellung fällt ihm nichts Besseres ein, als eine sektenartige Anhängerschar um sich zu sammeln und zu planen, einen tödlichen Virus auf die Welt loszulassen. Ganz schön rückständig, oder?

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Zumindest sieht das so aus, wenn man sich im Gegensatz dazu die Elon Musks und Mark Zuckerbergs dieser Welt anschaut, die ihr fettes Einkommen für das heißeste High-Tech-Gedöns sinnvoll einsetzen und damit auf eine bessere Zukunft hinarbeiten.

Schon klar, dass dann im Film Tom Hanks, alias Robert Langdon, mit so einem veralteten Beruf wie Symbologe zu Rate gezogen werden muss. Der soll nämlich die Zeichen deuten, die der ebenso althergebrachte Tyrann hinterlassen hat. Erster Ansatzpunkt: Ein Gemälde aus dem 14. Jahrhundert, das die Vorstellungen des italienischen Philosophen Dante abbildet. Erste Erklärung: Böse Seelen müssen bestraft werden.

Und da sind wir schon bei einem kritischen Punkt in unserer Zeit. So ein paar Typen, die sich mit was auch immer eine goldene Nase verdient haben, meinen plötzlich, Dinge besser zu wissen. Durchdachte Investments und kluge Entscheidungen haben sie zu den Mega-Verdienern gemacht und nun muss gleich die ganze Menschheit nach ihrem Vorbild umgestülpt werden. Das ist echt anmaßend. Vielleicht hätte es doch einfach noch eine weitere Villa mit XXL-Pool auf Mali getan?

Regisseur Ron Howard will in der Tat mit „Inferno“ ein Zeichen setzen. Auf der Berliner Pressekonferenz erzählt er, wie wichtig es für ihn ist, mit seiner Kunst auch das Problem der Überbevölkerung anzusprechen, die die Lebensmittel- und Lebensraumverknappung mit sich bringt. Sein Cast, der mit auf Promotour ist – Tom Hanks, Omar Sy und Felicity Jones sowie auch Buchautor Dan Brown – nickt ernsthaft. Ein schöner Ansatz, aber am Ende ist doch viel zu wenig echte Kritik im Film gelandet. Das knapp zweistündige Werk ist Popcornkino mit düsterer Note. Ein Abklatsch der Vorgänger, bei dem die weibliche Hauptrolle wieder einmal viel unnahbar bleibt. Ganz richtig betont Howard aber, dass wir in einer Vakuum-Zeit leben, in der viele Fragen aufgeworfen werden, aber keine Antworten geliefert werden.

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Der Film möchte auch wirklich nichts beantworten. Er möchte nicht mal anecken. An den heiklen Stellen macht er Rückzieher. Die blutrünstigen Visionen Langdons sollen die Rolle von wahrhaftigen Meinungen übernehmen. Der Milliardär, der eigentlich auch nur ein besorgter Bürger mit etwas extremeren Maßnahmen ist, wird zwar im Laufe des Films auseinandergenommen, doch es fehlt schlussendlich die Moral. Was machen wir nun mit all dem Gesehenen? Verstehen wir nun Dante besser? Irgendwie auch nicht. Und den Starrummel um Tom Hanks schon gar nicht.

Vielmehr kommt bei mir die Frage auf, warum es noch keinen satirischen Kinofilm über den ganzen Presserummel, der um Filmneuerscheinungen gemacht wird, gibt. Der Tag der Deutschlandpremiere von „Inferno“ war wieder so ein Tag, an dem mir dieser Gedanke in den Sinn kam – insbesondere, als ich nach der Pressekonferenz auch noch bei 8 Grad in der Mitte des Berliner Sony Centers stehe: Ein abgetrennter Bereich mit muskelbepackten Sicherheitspersonal, um mich herum wahnsinnig viele Menschen mit Spiegelreflexkameras, Eddings und Bildern von Tom Hanks. Sie schreien, als sie den Hollywoodschauspieler sehen. Journalisten, die sich brav am Roten Teppich aufgereiht haben, wollen seine Meinung zum Weltgeschehen wissen.

Und der Hanks? Der berichtet munter, dass er immer Google offen habe, wenn er die Romane von Dan Brown lesen müsste. Nur so könne er sichergehen, dass er auch alles verstehe. Aber seitdem er die Rolle spiele, sei er ein besserer Dinner-Gast, da er so viel unnützes Wissen angesammelt habe. Was für ein herrliches Blabla, das selbst ich nun eifrig wiedergebe. Aber vielleicht sollten wir noch einmal überdenken, wen wir zukünftig anhimmeln wollen?


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