Global Brain versus Facebook: David gegen Goliath?

Bei Global Brain sollen keine oberflächlichen Inhalte, sondern Menschen zum Lösen großer Aufgaben miteinander vernetzt werden. Auch bei diesem sozialen Netzwerk kann man Beiträge posten, bestehende Artikel verlinken, das eigene User-Profil bearbeiten und mit seinen Kontakten chatten. Zusätzlich kann die Seite auch zur Erstellung von Petitionen genutzt werden. Wolfgang Pineggers Portal soll viele sozial engagierte Menschen aus aller Welt zusammenbringen. Deswegen trägt die Plattform auch den Untertitel „The Missing Link“. Zumindest an hochgesteckten Zielen besteht kein Mangel.

Einarbeitung kompliziert

Wer Global Brain das erste Mal benutzt, braucht vor allem eines: viel Zeit zur Orientierung. Im Gegensatz zu anderen Wettbewerbern wirkt das Portal nicht wie ein Abkömmling von Facebook. Dennoch gibt es hier wie bei Zuckerbergs Imperium eine zentrale Schnittstelle, wo sich die Nutzer anmelden. Auf eine dezentrale und somit zensurresistente Infrastruktur haben die Betreiber verzichtet. Die Privatsphäre-Einstellungen wurden bei Global Brain sehr angenehm in einem Menü untergebracht, statt sie wie bei Facebook in den verschiedensten Ecken des Portals zu verstecken. GL Brain-Gründer Wolfgang Pinegger legt höchsten Wert auf die Wahrung der Privatsphäre seiner Nutzer. Auch wenn das Portal ein wenig wie ein Tummelplatz für Macher und Denker wirkt, kann man dort komplett anonym bleiben. Das Geschäftsmodell soll dauerhaft ohne den Verkauf persönlicher Nutzerdaten auskommen. Seit den Veröffentlichungen des Whistleblowsers Edward Snowden hat der Datenschutz oberste Priorität. Das wird auch einer der Gründe sein, weswegen zwischenzeitlich alle Daten von der Amazon-Cloud auf eigene Server verschoben wurden: NSA und andere Geheimdienste sollen außen vor bleiben.

Englischkenntnisse nützlich

Ansonsten merkt man, dass die Website für ein internationales Publikum gedacht ist. Die besten deutschsprachigen Meinungsbilder, die sogenannten Lopinions sind bis zu einem halben Jahr alt. Auch die deutschsprachigen Artikel in der Mitte der Hauptseite wirken nicht mehr taufrisch. Gefällt ein Artikel, kann man sogenannte Gloms verteilen, die man aber vorher erzeugen muss. Besonders empfehlenswerte Artikel kann man sich merken, mit Sternen bewerten oder via Flattr spenden.

Die Testphase des Portals ist abgeschlossen. Täglich wird die Website von etwa rund 15.000 Menschen aus aller Welt besucht. Obwohl achtstellige Investitionen getätigt und weitere Gelder über eine Crowdfunding-Kampagne gesammelt werden, wirkt Global Brain leider noch nicht ausgereift. Von einer intuitiven Benutzung ist man noch weit entfernt. Nutzer von Twitter, Google Plus, Facebook, Xing oder Diaspora müssen sich erst einfinden, wollen sie das Prinzip dieses „Missing Links“ verstehen.

Entscheider sollen die Welt nachhaltiger gestalten

Wer sich zu sozialen Zwecken verknüpfen will, ist bei Facebook falsch. Die meisten Pinnwandeinträge sind eher oberflächlicher Natur. Das dezentrale und somit etwas kompliziertere Diaspora zieht schon eher Personen mit einem Hang zum persönlichen Engagement an. Wer sich mit Linux, dem Lötkolben oder Programmiersprachen auskennt, ist eher bei Diaspora als bei Facebook zu finden. Bis auf die Werbefreiheit und den Datenschutz ist bei Diaspora im Vergleich zu Facebook kein Mehrwert zu entdecken. Twitter hingegen ist ganz anders aufgebaut, dafür sind auch dort viele Meinungsführer zu finden. Die Community von Global Brain wirkt im Vergleich noch kleiner. Und obwohl hier im Gegensatz zu Diaspora die Testphase beendet ist, kann man nur mit viel Mühe einen Mehrwert entdecken. Da nützt es vergleichsweise wenig, dass das Netzwerk in 20 Sprachversionen existiert und rein theoretisch in 230 Ländern genutzt werden kann.

Die erste Runde geht also klar an Goliath. Vielleicht erfindet das Belgrader Team irgendwann für Global Brain ein Killer-Feature, mit dem Facebook nicht mithalten kann. Bis dahin ist mit einer Ablösung des alten Marktführers so bald nicht zu rechnen.


Image (adapted) “Globus_2“ by Axel Schwenke (CC BY-SA 2.0)

Image by Global Brain


schrieb von 2000 bis zum Jahr 2002 für mehrere Computerzeitschriften rund 100 Artikel. Von April 2008 bis Oktober 2012 leitete er beim IT-Portal gulli.com die Redaktion als Chefredakteur. Thematische Schwerpunkte der über 1.000 Beiträge sind Datenschutz, Urheberrecht, Netzpolitik, Internet und Technik. Seit Frühjahr 2012 läuft die Video-Interviewreihe DigitalKultur.TV, die er mit dem Kölner Buchautor und Journalisten Moritz Sauer betreut. Seit mehreren Monaten arbeitet Lars Sobiraj auf freiberuflicher Basis bei heute.de, ZDF Hyperland, iRights.info, torial, Dr. Web und vielen weiteren Internet-Portalen und Blogs. Zudem gibt er Datenschutzunterricht für Eltern, Lehrer und Schüler. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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