Fünf Erwartungen an die Debatte über Journalismus

Auf Journalistentagen, Fachtagen, Verbandstagen, Konferenzen, Stammtischen und vielen anderen Gelegenheiten steht dieses eine Thema immer wieder auf der Tagesordnung: Die Zukunft des Journalismus. Trotzdem ist das Thema noch längst nicht ausgereizt und braucht weiterhin Raum – auch 2014. Damit das nächste Jahr das Jahr des Journalismus wird, braucht es eine Debatte, die es in sich hat. Ich erwarte ein Reset, eine Probezeit, mehr Nutzerorientierung, Selektion und Konzentration.


  • Ohne Mut und Experimentierfreude kann es keinen Erfolg geben.
  • Wer die potentiellen Konsumenten nicht fragt, ist selbst schuld.
  • Die vielen Debatten müssen in einem Weg münden, um fortschrittlich zu sein.

[reset] – Denkt Journalismus grundsätzlich neu!

Weg mit der Schere im Kopf, weg mit altertümlichem Denken. Wenn wir über Journalismus diskutieren, dann müssen wir bei Null anfangen und Journalismus neu definieren. Wenn wir den vor Jahrzehnten befestigten Zaun nicht endlich plattmachen und die Grenzen des Journalismus nicht neu setzen, dann wird sich die Branche dem heutigen, digitalen Zeitalter nie anpassen können. Qualitätsjournalismus ist ein Begriff, der 2014 endgültig begraben werden sollte. Klar, es wird immer guten und weniger guten Journalismus geben, aber man spricht doch auch nicht von Qualitätsmedizin, von einer Qualitätsversicherungsbranche oder von Qualitätsspeditionen. Statt sich – und nur sich – eine besondere Qualität zuzuschreiben, bedarf es eines gemeinsamen Verständnisses von Journalismus, wozu dann alles zwischen Buzzfeed, Huffington Post und FAZ oder SZ gehören könnte.

[probezeit] – Experimentiert, solange ihr noch könnt!

Der Zeit Online-Chefredakteur Jochen Wegner hat kürzlich in einem Interview mit dem Medienmagazin Zapp gesagt, in das Konzept von Zeit Online fünf Prozent Buzzfeed beimengen zu wollen. Zärtlicher Ansatz, aber immerhin riecht dieser Ansatz nach etwas Experimentierfreude. Darum geht es nämlich. Wenn alle mehr wollen, aber keiner etwas wagt, dann wird keiner mehr bekommen. 2014 wird für große Medienhäuser vielleicht der letzte Zeitpunkt sein, um größere Experimente einzugehen, bevor es zu spät ist. Start-Ups und einzelne Journalisten und Blogger sind in diesem Zusammenhang wesentlich mutiger und innovationsfreudiger. Ja, ich werfe etwas in die Kaffeekasse, aber dieser Spruch stimmt: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

[nutzerorientierung] – Debattiert mit euren Konsumenten!

Es ist wie so oft: Man diskutiert über statt mit jemandem. Auch die Medienbranche diskutiert und diskutiert – mit sich selbst. Dabei wollen Verlage und Journalisten doch etwas verkaufen. Klar, sie haben einen demokratischen Auftrag und so. Aber letztendlich befinden sie sich in einer freien Marktwirtschaft mit einem Produkt, das an den Mann gebracht werden muss. Damit das funktioniert, ist es hilfreich, sich bei den potentiellen Käufern umzuhören und sie in die Debatten einzubeziehen. Was bräuchte es, damit sie ein Printprodukt in die Hand nehmen und das Portemonnaie zücken? Welche Voraussetzungen müssten erfüllt sein, damit auch Online-Ware etwas wert ist? Will die Zielgruppe ein Gesamtpaket (Tageszeitung) oder lieber ein selbst zusammenstellbares Puzzle? Man glaubt es kaum, aber ein Gespräch mit der potentiellen Kundschaft, eine Nutzerorientierung kann Wunder bewirken.

[selektion] – Nehmt diejenigen mit, die mitgenommen werden wollen!

Steile These, die nicht allen gefallen wird und Mut erfordert. Als die Projektgruppe des Deutschen Journalistenverbands ihre acht Thesen zur Zukunft des Journalismus präsentierte und rechtfertigen musste, kam die Frage auf: Muss man erst alle Kollegen auf den gleichen Stand bringen, um einen Schritt nach vorne gehen zu können? Ich meine: jein! Natürlich wäre es toll, wenn alle mitziehen würden. Klar wäre es super, wenn allen Kollegen einleuchten würde, dass Selbstmarketing, technische Grundkenntnisse und vieles mehr Voraussetzungen für diesen Berufsstand sind und noch mehr sein werden. Da wird aber in keiner Traumwelt leben und wissen, dass das nicht der Fall sein wird, muss die Devise lauten: Nehmt diejenigen mit, die mitgenommen werden wollen. Es wird eine natürliche Selektion geben. Das mag für einige eine harte Prognose sein, für andere ein Grund zur Freude, weil eine Marktbereinigung die eigenen Chancen erhöhen könnte. Vor allem sollte es aber eines sein: ein Grund, dass sich jeder Journalist darüber Gedanken macht, ob er in diesem Beruf auch in Zukunft gut aufgehoben ist.

[konzentration] – Kanalisiert die Debatten!

Leichter gesagt, als getan. Dennoch: es werden an vielen Stellen parallele Debatten geführt, die sich naturgemäß oft wiederholen. Der vorherige Punkt zeigt, dass das nicht unbedingt schlecht sein muss. Schließlich soll die Debatte möglichst viele erreichen und einbeziehen. Andere empfinden diese Situation als sehr frustrierend und lähmend. Wo bleibt der Fortschritt? Ein Debattenfortschritt wird sich nur einstellen können, wenn die Debatten kanalisiert, konzentriert und zusammengeführt werden. Wer das macht und wie das ablaufen soll? Das ist eine Frage, die es 2014 noch zu beantworten gilt.


Image (adapted) „Lliga de debat UB – 2011“ by Joan Simon (CC BY-SA 2.0)


ist freier Journalist, Dozent und Lehrbeauftragter an der Hochschule Darmstadt. Er schreibt über die Themen Medien, Technik und digitale Wirtschaft. Zu seinen Auftraggebern gehören unter anderem etailment.de, LEAD digital, Mobilbranche, das Medium Magazin, MobileGeeks.de und die Friedrich-Ebert-Stiftung. Vom Medium Magazin wurde der Südhesse 2013 unter die "Top 30 bis 30" Nachwuchsjournalisten gewählt. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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