Die Herausforderungen einer effektiven Führungskraft

Weil die Menschen mehr denn je auf ihre Entscheidungsträger im sozialen, politischen und organisatorischen Bereich schauen, steht eine ordentliche Führungskraft wie nie zuvor im Mittelpunkt. Statt zu helfen, erscheinen Entscheidungsträger allerdings oft als ein Teil des Problems. Wenn es um Politiker geht, wird den Anführern von politischen Parteien oft die Schuld zugesprochen, weil sie daran gescheitert sind, ihren Wählern eine klare Vision zu bieten und für ihre eigenen moralischen Fehler oder ihrer Unfähigkeit, Wahlversprechen einzuhalten, einzustehen.

Theresa May, die britische Premierministerin, wurde weitestgehend für das schlechte Abschneiden der konservativen Partei bei den Parlamentswahlen des Landes im Jahr 2017 verantwortlich gemacht. Ihr roboterhaft herübergebrachtes Motto, dass man „stark und stabil“ bleiben müsse, erhielt viel Kritik.

Währenddessen scheint ein nie endender Nachrichtenfluss die vermeintlichen Lügen des US-Präsidenten Donald Trump aufzudecken und darüber hinaus seine Geeignetheit für das Amt in Frage zu stellen. Andererseits scheint es einen steigenden Trend unter den Politikern auf der ganzen Welt zu geben, Gesetzesvorschläge aufgrund moralischer anstatt ökonomischer Standpunkte zu unterstützen oder sie abzulehnen.

In organisatorischer Hinsicht kriegen wir oft zu hören, dass sich das Vertrauen in Führungskräfte im Zuge der Finanzkrise, einer Reihe von Unternehmensskandalen sowie den fortwährenden Herausforderungen eines Mitarbeiters, eine „gute Arbeitsstelle“ zu sichern, auf einem Rekordtief befindet. Auch wenn man die aufsehenerregendsten Versagensfälle nicht übersehen kann, ist Führung nicht bloß ein Prozess, der sich auf der höchsten Stufe der Hierarchie abspielt. Wenn wir etwas über Führung, und wie sie in einem organisatorischem Umfeld funktioniert, erfahren wollen, müssen wir uns ebenso anschauen, wie Führungsverhalten und Einstellungen innerhalb der gesamten Organisation verbreitet werden.

Was die Forschung sagt

In unserer Forschung machen wir es uns zum Ziel, herauszufinden, was eine effektive Führungskraft ausmacht. Wir waren besonders interessiert an „zielgerichteter Führung“, weil ein rücksichtsvoller und zielgerichteter Ansatz oft als ein Gegenmittel für erzielte Misserfolge, herbeigeführt von einem rücksichtslosen Fokus auf kurzfristige finanzielle Erfordernisse, bejubelt wurde.

Zielgerichtete Führungskräfte sind Personen mit einer starken Überzeugung ihres persönlichen moralischen Kompasses, einer überzeugenden Vision für ihr Team und einer Berücksichtigung der Bedürfnisse des breiten Spektrums an Bedürfnissen der Stakeholder, wenn es um die Entscheidungsfindung geht. Es gibt viele weitere Führungstypen wie beispielsweise die charismatische Führungskraft, die auf die Stärke der Persönlichkeit und auf eine Vision vertraut, um die Leistungsfähigkeit ihrer Anhänger zu fördern. Dennoch kann die charismatische Führung, wie auch andere Führungsformen, eine dunkle Seite haben, die die Anhänger auf den falschen Pfad führen kann.

Zielgerichtete Führungspersonen sind jedoch vergleichsweise selten. Als wir eine Auswahl verschiedener Manager im Vereinigten Königreich befragten, bewerteten sich lediglich 21 Prozent als sehr zielgerichtet. Als wir diese Zahl noch weiter herunterbrachen fanden wir heraus, dass 35 Prozent aller Anführer aussagten, dass sie eine starke Vision für ihr Team haben und sich einem breiten Spektrum von Stakeholdern gegenüber verpflichtet fühlen. Nur acht Prozent sagten aus, dass sie einen starken moralischen Kompass besitzen. Als wir die Mitarbeiter fragten, sagten 40 Prozent aus, dass ihr Manager sich ethisch korrekt verhält.

Dies ist wichtig, weil die Befragung herausfand, dass zielgerichtete Führungskräfte von ihren Anhängern als moralisch vorbildlich angesehen werden. Dadurch sind die Mitarbeiter zufriedener, leisten mehr, kündigen nicht so schnell und sind eher zu Mehrarbeit bereit.

Zielgerichtete Anführer entstehen aber nicht im luftleeren Raum; einige Organisationen sind geeigneter als andere, wenn es darum geht, ein Arbeitsumfeld zu entwickeln, in der eine Führungskraft sich zielgerichtet verhalten kann. Als wir uns sowohl öffentliche, private und gemeinnützige Sektoren in Fallstudien angeschaut haben, tauchten hier einige interessante Abweichungen auf.

In Organisationen, bei denen die oberste Führung ein positives Beispiel darstellte, war die umfassende Verbreitung zielgerichteter Führung innerhalb der Organisation wahrscheinlicher. Eine Person, mit der wir in einem Handelsunternehmen sprachen, erläuterte: „Unser Vorstandsvorsitzender ist sehr, sehr visionär und absolut jeder hat die Vision geglaubt, die er wegen der Umwandlung des Unternehmens kommen sah. Ich glaube, dass es einen hohen Bewusstseinsgrad auf allen Mitarbeiterebenen gibt.“

Genauso wichtig ist eine starke Sammlung authentischer Unternehmenswerte. Bei einer Stiftung wussten und teilten die Leute dieselben Werte und ethischen Überzeugungen, was sie dazu ermutigt, sich übermäßigen Forderungen entgegenzustellen. Wir fanden auch heraus, dass klare und bekannte Richtlinien zum Whistleblowing viele Menschen von einer Organisation überzeugt hatte, die die Fragen der Ethik ernst nimmt. Auch wenn nicht alle Leute sich mit der spezifischen, religiösen Tradition der Stiftung identifizierten, waren sie dennoch begeistert vom ethischen Kodex, der von der Führungskraft vorgegeben wird.

Befreie deine Leute

Was sich aus der Studie ebenso ergab, war der schädigende Effekt, der die verborgene Arbeit in einer eingeengten Umwelt aufweist. Wo immer den Menschen entweder die Zeit oder die Ressourcen fehlten, war das erste Opfer meistens die Fokussierung auf Zielgerichtetheit und die ethischen Fragen. Wie es ein Anführer der Abteilung der Zentralregierung sagte: „Wenn Du sehr sehr hart arbeitest und die Dinge stressig werden, konzentrierst Du Dich auf die Aufgabe anstelle der Person.“

Eine andere Einschränkung von Organisationen ist die Schwierigkeit und Einbettung einer einzigen, klaren und konsequenten Vision, speziell in großen diversen Organisationen, die bereits eine Reihe von Neuorganisationen, Zusammenschlüssen und Übernahmen durchgemacht haben. Dies wurde von einem Teilnehmer zusammengefasst, der kommentierte, dass seine Organisation „eine Unmenge an Visionen hat“, die die Mitarbeiter verwirrte und im unklaren darüber ließ, wo die Prioritäten liegen.

Es gibt eine Reihe an Möglichkeiten für Führungskräfte, um zu zeigen, dass sie „zielgerichtet führen“. Die erste ist es, sicherzustellen, dass man weiß, wie die Vision der Organisation aussieht. Wer sich in einer leitenden Funktion befindet, sollte eine eine bedeutungsvolle und weit verbreitete Vision erarbeitet haben. Jede Führungskraft wird dann darüber nachdenken müssen, wie diese Vision für sein Team relevant werden kann. Regelmäßige Diskussionen über Visionen und Werte sind wichtig, damit die Menschen sehen, wir ihre Arbeit der Organisation nutzt und welchen Beitrag sie leistet.

Zweitens sollten sich Anführer Gedanken über ihren persönlichen moralischen Kodex machen: Welches sind die Kernwerte, die für Dich selber als Individuum am meisten zählen? Die Leute lassen ihre Werte nicht an der Eingangstür zurück, wenn sie ihre Arbeitsstelle betreten, also sollte man darüber nachdenken, wie die Werte in die eigene Arbeit integriert werden können. Schlussendlich sollte man sich im Entscheidungsfindungsprozess nicht auf kurzfristige Leistungsergebnisse konzentrieren, sondern ebenso darüber nachdenken, wie die verschiedenen Stakeholder davon beeinträchtigt werden.

Angesichts des momentan vorherrschenden Arbeitsklimas und der langen Zeit der Instabilität und Veränderung im Vereinigten Königreich während der Vorbereitungen auf den Brexit ist es wahrscheinlich, dass diese Belastungen nur größer werden. Dies wird Führungskräfte aus allen Bereichen vor weitere Herausforderungen stellen, „zielgerichtet“ zu handeln, obwohl die Notwendigkeit dieses Handelns noch nie wichtiger war.

Dieser Artikel erschien zuerst auf „The Conversation“ unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.


Image (adapted) „Teamwork“ by rawpixel (CC0 Public Domain)


 

ist Professorin für Management an der Sussex University in Brighton, England. Ihre aktuellen Forschungen legen den Fokus auf bedeutungskräftiger Arbeit und zielgerichteten Führungskräften. Sie ist Autorin des Lehrbuches "Strategisches Human Resource Management" und hat einen Doktortitel der London Business School.


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