Facebooks Abstimmung gescheitert – Zeit für ein Machtwort

900 Millionen Menschen hätten Facebook einmal die Stirn bieten und sich mittels Abstimmung gegen die neuen Nutzungs- und Datenschutzbestimmungen stellen können. Daraus geworden ist leider nichts. Gestern um 18 Uhr ist der Abstimmungszeitraum von einer Woche abgelaufen und mitgemacht haben nur in etwa 350.000 Nutzer. Das ist nur 1% der Nutzer, die benötigt worden wären um die Regelungen zu kippen.

Pest oder Cholera

Es hätte ein fulminanter Schritt in Richtung selbstbestimmter Privacy werden können, doch sprechen die Zahlen eine andere Sprache. Facebook hat abstimmen lassen, und doch ist das Geschehene nicht ganz ohne Kritik angenommen worden. Denn zu Recht fragt man sich, wie man wählen soll, wenn der Wahlzettel nicht ausgehändigt wird. So oder so ähnlich haben sich schon während der Abstimmung verschiedene Protagonisten der Internet-Szene geäußert und die Wahl als Farce abgetan.

Die Wahlzettel-Metapher beispielsweise hatte Richard Gutjahr schon am ersten Tag des Wahl-Debakels genutzt, um sich seiner Empörung Luft zu verschaffen: „Das Problem: Kaum einer weiß etwas über diese Abstimmung. Weder bei der Anmeldung erfährt der Nutzer von dieser Aktion, noch als Abonnent der sog. “Site Governance Page” wurde man in seiner persönlichen Timeline über den Beginn einer Abstimmung informiert“. In Anbetracht dieser Worte ist Farce noch ein wenig untertrieben.

Doch damit nicht genug. Von einer Wahl zwischen Pest oder Cholera sprach auch Max Schrems, leidenschaftlicher Facebook-Gegner und Verfechter der datenschutzrechtlichen Selbstbestimmung, im selbigen Artikel von Gutjahr. Schrems ist geübt darin Facebooks Mentalität zu durchschauen und den Treiben auf den Zahn zu füllen. Hat er doch schon etliche Gespräche mit Facebooks Europachef Richard Allen geführt, um für die Belange der Nutzer einzustehen. Mit Pest oder Cholera ist seinerseits gemeint, dass die Wahl nur schlecht ausgehen kann, denn ob nun die alte oder die neue Datenschutzbestimmung durchgewunken wird, wäre gehupft wie gesprungen. Eben Pest oder Cholera. Nutzerfreundlich sei keine dieser Option.

Strenge Mahnungen bringen nichts

Dass Facebook sich mit diesem Gebaren gegen die guten Vorsätze und sogar den Änderungswünschen sowie der Kritik der irischen Datenschutzbehörde stellt, die für die europäischen Belange zuständig ist, wird ferner zur unübersehbaren Kampfansage. Ende des letzten Jahres hat der zuständige irische Datenschutzbeauftragte Billy Hawkes, mit einem Prüfbericht (PDF), der bereits beim Einstieg auf 16 Seiten listete, wogegen Facebook aus verbraucher- und datenschutzrechtlicher Sicht so verstoße, den Verantwortlichen in Dublin so kräftig die Weihnachtsfeiertage vermasselt.

Mit der berechtigten Kritik im Nacken und auf Druck der Öffentlichkeit gelobte Facebook damals Besserung und willigte ein, zukünftige Änderungen in Bezug auf die Datenschutz- und Nutzungsbedingungen, nicht mehr nur klein und versteckt, sondern prominent für alle Profileigner sichtbar zu machen. Geblieben von den Vorsätzen ist allerdings nicht viel.

Strenge Mahnungen helfen eben nichts und somit ist es an der Zeit, dass im Juli, wenn die Prüfer erneut nach dem Rechten und den ausgeführten Empfehlungen sehen, mehr als nur ein gehobener Zeigefinger gezeigt und eine „Bitte Bitte!“ ausgesprochen wird. Ein Machtwort wäre angebracht und zwar ein endgültiges. Verbraucherschutz, Datenschutz und Privacy sind eben nicht ein moralisches Thema, sondern ein auf Gesetze fundiertes Recht, welches es zu schützen gilt.

schreibt seit 2011 für die Netzpiloten und war von 2012 bis 2013 Projektleiter des Online-Magazins. Zur Zeit ist er Redakteur beim t3n-Magazin und war zuletzt als Silicon-Valley-Korrespondent in den USA tätig.


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4 comments

  1. Undemokratische Machtwörter?

    Vom demokratischen Standpunkt aus könnte sich Facebook auch hinstellen, dass sie nun den Beweis haben, dass die überwältigende Mehrheit der Facebook-User keine Probleme mit den Nutzungsbedingungen haben. Womit dann das geforderte Machtwort eine Maßnahme einer undemokratischen Diktatur wäre. Wie bei Orwell, wo alle Tiere gleich sind, außer den Schweinen, die noch gleicher sind.

    Gefragt ist m.E. also kein Machtwort, sondern demokratischer Diskurs. Wenn also bei Facebook was falsch laufen soll und man keine Mehrheit dafür bei den Facebook-Usern findet, wird man in Diskussion schreiten müssen, statt nach den starken Männern mit Machtworten zu rufen.

    Am Rande: bei mehreren englischen Zeitungen habe ich gestern und heute gesehen, dass die zur Umsetzung der EU-Cookie-Richtlinie mich alle Fragen, ob es OK ist, dass sie bei mir ein Cookie setzen wollen. Bei den Netzpiloten wird man nicht gefragt. Die setzen einfach. Ist da auch ein Machtwort gesprochen worden?

  2. Die Mehrheit hätte sich zumindest nur dann ergeben können, wenn man beim Login auf die Wahl hingewiesen hätte bzw. wenn die Facebook-eigene Site Governance Page ihrer Aufgabe nachgekommen wäre und eine Benachrichtigung geschickt hätte. Beides ist nicht passiert. Von daher kann man von ausgehen, dass der von dir gern gesehene Diskurs gar nicht gewollt ist. Und in dem Fall sollte man die langatmigen, einseitiggeführten Gespräche nun einmal vor vollendete Tatsachen stellen und dem Schutz der Nutzer, der gesetzlich legitimiert ist, nachkommen. Da gibt es keine zwei Meinungen. Tut mir Leid. Lies dich bitte mal ein wenig ein in die Sache.

  3. Deine Annahme über Hinweise beim Einloggen in allen Ehren, aber sie sind reine Spekulationen. Während die abgegeben Stimmen bei Facebook wohl Tatsachen sind.
    Bei dem Studenten aus Österreich haben wir gesehen, dass der irische Datenschützer ernste Maßnahmen (im Gegensatz zu unserem Datenschutzkrakeeler (so brandeins über Weichert)) durchgeführt hat. Eine Woche Prüfung vor Ort, langer öffentlicher Bericht. Wierholte Nachprüfungen angekündigt hat.

    Ich glaube es hat keinen Sinn, jede Woche wie Weichert ein Krakeele durchs Dorf zu jagen gegen Facebook bishin zu Störungsmaßnahmen von Weichert im Fernsehen gegen den IPO, weil sein veraltetes Grünen-Fundi Weltbild den antiamerikanischen Wirtschaftsfeldzug fordert.

    Wenn wir was von Sozialen Netzwerken wollen, was über den aktuellen Datenschutz hinausgeht, dann müssen wir das für alle fordern, im Parlament diskutieren und eine globale Initiative starten wie wir das bei den Genfer Konventionen, den Menschenrechten oder der WTO bei globalen Dingen halt auch machen. Was dann anschließend hart durchgesetzt werden kann bis hin zu militärischer Gewalt.

    Unempirische Spekualtionen (what-if-Behauptungen aus der virtual reality) oder tatenloses Lesen sind da wenig zielführend. Ob der Diskurs gewollt ist oder nicht, hängt von den Facebook-Usern ab, nicht von Facebook. Siehe ACTA. Die wollten auch keinen Diskurs.

  4. Die Vorsätze müssen auf jeden Fall global eingeführt werden und für alle gelten. Da bin ich völlig bei dir. Und das ist ja genau das, worauf ich hinaus will. Dass man mit diesen halbgaren Forderungen, die zumal nur von willigen Vertretern (bsp. Weichert) bestimmter Nationen ausgerufen werden, nicht zu einem zufriedenstellenden Ergebnis kommt, ist ja das Dilemma. Orientieren wir uns bitte am Paradebeispiel Facebook. Empfehlungen aussprechen und hoffen dass dem nachgekommen wird ist blanker Unsinn. Facebook hat gar kein Interesse an Nutzer-Partizipation und auch kein Interesse mit den Nutzungsbedingungen mehr als nötig zu hausieren. Genauso wie Shell kein Interesse am Umweltschutz, Nike kein Interesse an Arbeitsschutz und Blackwater kein Interesse daran hat, das nur Staaten kriegerische Hoheitsaufgaben wahrnehmen dürfen. Was wir brauchen ist ein klares europäisches Recht dazu, was wir nun vereinzelnd aufbauen. Aber auch eine klare Linie, was die Einforderung dieser Pflichten für die betreffenden Unternehmen bedeutet. Facebook hat sich übrigens nicht nur gegen die irische Datenschutzbehörde gestellt, sondern in Teilen auch gegen den heimischen Beschluss der FTC.

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