EU-Urheberrechtsreform: Antwort auf den Berichtsentwurf

Auf den ersten Berichtsentwurf für eine Reform des europäischen Urheberrechts gibt es nun eine erste Antwort und andere Reaktionen. // von Julian Hauser

The Battle Of Copyright (Image: Christopher Dombres [CC BY 2.0], via Wikimedia Commons)

Der Berichtsentwurf des Europäischen Parlaments bezüglich der InfoSoc-Richtlinie, auch Urheberrechtsdirektive genannt, hat eine enorme Reaktionswelle nach sich gezogen. Julia Reda, Parlamentsmitglied und Berichterstatterin für die Direktive, trug dies dem Rechtsausschuss (JURI) am 20. Januar vor. Drei Wochen später finden sich über einhundert Nachrichtenartikel auf ihrem Blog.

Die Vielfalt der Kommentare ist genauso erstaunlich, wie ihre hohe Anzahl: Julia Reda wurde „Randgebiets-Lobbyistin“ genannt, wurde für ihre Haltung gelobt, galt als eine „fast schon kopernikanische Revolution„, jedoch wurde sie ebenso kritisiert – ihre Vorschläge wären einfach nur „mehr vom Gleichen„. In der vergangenen Woche wurden auch die „zwei von drei“ Stellungsnahmen veröffentlicht, bei der andere parlamentarische Kommitees ihre Sichtweise auf den Bericht erläutern können.

Daher scheint nun ein geeigneter Moment gekommen, um die Ideen, die in den Bericht eingeflossen sind, zu reflektieren und einen Blick auf die Reaktionen zu werfen.

Eine der Hauptpunkte ist die Art und Weise des Berichts und wofür er gedacht ist. Es wird kritisiert, da er keine neue Reform des Urheberrechts hervorbringt und er das „Pateiprogramm der Piraten repräsentiert, und nicht als Beurteilung für die Ausführung der Direktive“ gilt. Soll der Bericht die Direktive evaluieren, oder aber neue Ideen für eine Reform des Urheberrechts voranbringen?

Ein Own Initiative Report (INI) ist ein Bericht, der von einem der Mitglieder des Parlamentsausschusses eingeleitet wird, in diesem Fall vom Rechtsausschuss. Das Ziel eines solchen Berichts ist es, die Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft auszuwerten. Hierbei sollen Vorschläge hervorgebracht werden, wie man diesen Schwierigkeiten beikommen kann. Selbstverständlich muss dabei die Auswertung der Meinungsmehrheit des Parlaments reflektieren und etwas mehr liefern als das Pateiprogramm der Piraten (oder respektive der Programme der Konservativen, Sozialisten oder Liberalen).

Was sind nun also die nächsten Schritte? Was bedeutet der Bericht schlussendlich?

Nachdem das gesamte Kommitee seine Meinung vermittelt hat, stimmt JURI über den Bericht ab und leitet ihn an das Plenum weiter. Wenn er hier angenommen wird, wird er in einen nicht-legislativen und nicht-bindenden Beschluss umgewandelt, mit dem das Parlament seine momentane Position bezüglich bestimmter Angelegenheiten innerhalb der Urheberrechtsreform festlegen kann. Das Parlament teilt der Kommission mit, was für die zukünftige Gesetzgebung im Urheberrecht erwartet wird. Nun kann die Kommission den Vorschlag erneut zuspitzen und ein Gesetz daraus erstellen. Es wird davon ausgegangen, dass dies noch innerhalb dieses Jahres passieren soll.

Das Parlament ist berüchtigt für sein eher schlechtes Kurzzeitgedächtnis, besonders bezüglich der eigenen Positionen, also wird man sich hier nicht als daran gebunden betrachten, was neue Entscheidungen betrifft.

Während die unterschiedlichen Ergebnisse der Antworten einen dazu verleiten könnten, sich zu fragen, ob wirklich jeder den gleichen Bericht vorliegen hat, gibt es doch einen Punkt, an dem fast alle übereinstimmen: die Reform, wie sie in dem Bericht vorgeschlagen wird, ist absolut entscheidend. Manche der dramatischeren Reaktionen innerhalb der Debatte zeigen auf, dass man hier zum Teil eher von Ideologie und Panik angeleitet wird, anstatt von den bloßen Fakten. Wenn dies so weitergeht, wird die gesamte Debatte untergraben sein von Angst, Unsicherheit und Zweifel.

Es sind eine Menge Änderungen vorgesehen, doch wir können hier nur auf den Hauptteil eingehen, die Ausnahmen und Einschränkungen des Urheberrechts der Paragraphen 17-25. Die Ideen, die in diesem Bericht stecken, zielen darauf ab, diese Ausnahmen und Einschränkungen mit einzubeziehen, so dass die Nutzer bestimmten Rechten weiterhin zustimmen können.

Die Vorschläge beinhalten eine Aufzählung der Änderungen im Originalbericht, die im Licht der heutigen Praktiken abzuklären und eine „offene Norm“ einzuführen sind. Diese würden (wie alle anderen Ausnahmen) den Nutzern ermöglichen, Werke mit Urheberrecht zu nutzen, wenn dies nicht zum Nachteil der Rechteinhaber geschieht oder man deren Werk ausbeutet.

Julia Reda unterstreicht mehrfach die Wichtigkeit des Drei-Stufen-Tests der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst, der führenden internationalen Vereinbarung über das Urheberrecht. Dennoch hat dies einige Kommentatoren nicht davon abgehalten, zu behaupten, sie würde damit das komplette Prinzip des Urheberrechts untergraben wollen.

Das Ganze erinnert an die apokalyptischen Prognosen der Lobbyisten aus dem Jahr 2001, die Kampagnen gegen die obligatorische Ausnahme in der Urheberrechtsdirektive gefahren haben. Schaut man heute zurück, erkennt man, als wie falsch sich diese Ängste herausgestellt haben.

In der Presse wurde der Bericht schon einiges genannt – von naiv bis hin zu mutig, konservativ bis dahin, dass er nur eine unbedeutende Randerscheinung sei. Der Entwurf der anderen Kommitees scheint aufzuzeigen, dass Julia Redas Bericht sich nicht als ganz so krass herausgestellt hat.

Der Entwurf des Verbraucherschutzes auf dem Binnenmarkt (IMCO) stimmt mit den meisten Punkten aus Redas Bericht überein, möchte aber bestimmte Elemente daraus genauer fokussieren. Hier wird betont, „genau wie im Bericht„, dass es wichtig ist, eine angemessene Vergütung der Rechteinhaber zu gewährleisten. Außerdem werden die Gefahren der Zersplitterung des Marktes, der Prozesskosten und der juristischen Unsicherheit erwähnt. Man zeigt außerdem eine gewisse Unterstützung für die offene Norm, und fragt nach einem „flexiblen und ausgeglichenen Rahmen für Ausnahmen und Einschränkungen„. Zudem wird die Bedeutung der Ausnahmen für den Bildungsbereich angemerkt. Hier möchte man E-Books als „Teil der öffentlichen Verleihkultur“ verstehen.

Der Bildungs- und Kulturausschuss (CULT) scheint ebenfalls keine Einschränkungen gegen den Bericht bereitzuhalten. Hier hob man hervor, dass das Einbinden und Verlinken nicht als Rechtsverletzung betrachtet werden solle. Man bevorzugte die Einbindung von zwingenden Ausnahmen, „wenigstens mit Hinblick auf die wichtigsten Ausnahmen, wie beispielsweise bei der Bildung, Recherche und im Bibliothekswesen„. Man forderte auch eine weitergehende Ausnahmeregelung, um ein „breiteres Spektrum an momentanen Ausnahmen“ anbieten zu können.

Scheinbar stimmen viele Mitglieder des Parlaments damit überein, dem Ansatz, der im Bericht gezeichnet wird, mit mehr Sensibilität entgegenzukommen. Dieser entspricht eben nicht nur dem Programm der Piraten. Dennoch darf man nicht vergessen, dass wir uns noch immer in einer Frühphase der Entwicklung des INI-Berichts befinden. Zudem bedeutet der Bericht einen ersten Schritt auf dem langen Weg hin zu einem reformierten europäischen Urheberrecht.

Zuletzt müssen noch dem französischen Kultusminister ein paar Worte gewidmet werden. Dieser griff die Entscheidung des Parlaments an, eine Piratenpartei einzusetzen, die die Arbeit anleitet. Während diese berechtigt sei, ihre Sichtweise darzulegen, wäre dies nichts wert, wenn nicht zugleich ein ehemaliger Lobbyist der Musikindustrie Leiter der Kommission in der EU sein könnte. Außerdem gab es keine Beanstandung gegen die Frau des Unternehmens der Vivendi Universal, die das Parlament dafür verantwortlich machte, die Richtlinie über die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums Jahr 2004 in den parlamentarischen Beschlüssen durchzusetzen.

Weiterführende Lesetipps:

Dieser Artikel erschien zuerst im EDRi-gram vom 11. Februar 2015 und steht unter CC BY 3.0. Übersetzung von Anne Jerratsch.


Teaser by Nemo (CC0 Public Domain)

Image by Christopher Dombres (CC BY 2.0)


engagiert sich seit mehreren Jahren für eine intelligente Netzpolitik und freie Kultur. Seine Faszination gilt den Schnittstellen zwischen Philosophie, Kultur und Technologie - zu diesem Thema ist auch ein Blog am Entstehen. Auf Twitter ist er als @juliantschik zu finden.


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