Essen ohne zu arbeiten: Bedingungsloses Grundeinkommen

Geld bekommen, ohne zu arbeiten – ein bedingungsloses Grundeinkommen hört sich ungewöhnlich an. Aber die Gesellschaft braucht neue Lösungen der Umverteilung. Bedingungsloses Grundeinkommen bedeutet, dass jeder Bürger monatlich Geld bekommt, in ausreichender Höhe, ohne dafür zu arbeiten, ohne nachweisen zu müssen, dass er oder sie bedürftig ist. Was zuerst klingt wie eine idealistische Träumerei, ist für immer mehr Leute die Lösung für die ungerechte Verteilung von Arbeit und Reichtum in unserer automatisierten Gesellschaft. Unterstützung kommt dabei auch aus der Commons-Ecke im Netz, denn dort wird deutlich, dass nicht immer Geld die Motivation ist, um etwas zu tun.

Weshalb bedingungsloses Grundeinkommen?

Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) sehen darin ein Instrument der Befreiung: Niemand müsste mehr in Jobs arbeiten, die er hasst, sondern könnte tatsächlich unabhängig überlegen, was er machen will. Das bedingungslose Grundeinkommen wäre ein Mittel an der Gesellschaft teilzuhaben, auch wenn man nicht in Lohn und Brot steht.

Und das wird auch immer notwendiger: Denn Arbeit hat längst nicht jeder – und glaubt man Experten wird sie in Zukunft immer knapper. Constanze Kurz und Frank Rieger (beide sind SprecherInnen des Chaos Computer Club) beschreiben in ihrem Buch „Arbeitsfrei„, dass Maschinen immer mehr Menschen ersetzen werden. Wie sollen wir also in Zukunft unseren Lebensunterhalt verdienen, wenn es keine Arbeit mehr gibt? Mit dem BGE soll diese gesellschaftliche Produktivität umverteilt werden.

Deshalb überrascht es dann doch nicht, dass auch waschechte Kapitalisten das BGE unterstützen. Der bekannteste ist in Deutschland wahrscheinlich der DM-Drogerie-Gründer Götz Werner. Er setzt sich schon länger für das BGE ein und meint, dass das manische Schauen auf die Arbeit uns alle krank macht.

BGE und Internet

Im Netz entstehen viele gesellschaftlich nützliche Werke ganz ohne Geld: Open-Source-Software, Wikipedia-Artikel, Archive mit gemeinfreien Werken. Alle würden nicht funktionieren, wenn nicht Freiwillige dran arbeiten würden. Dadurch entstehen gemeinsame Güter, gemeinsames Wissen, auf das wiederum aufgebaut werden kann, wenn Neues entstehen soll.

Im Netz bieten viele Firmen selbst kein Produkt an, sondern bauen die Infrastruktur, die es den Nutzern erlaubt, ihre Inhalte zu veröffentlichen. Ilja Braun hat in seinem Buch „Grundeinkommen statt Urheberrecht“ einmal drüber nachgedacht, wie kreative Arbeit im Netz finanziert werden kann – das BGE wäre eine Lösung.

 

Aber auch außerhalb des Netzes arbeiten Menschen ohne Entlohnung – obwohl ihre Arbeit für das Funktionieren unserer Gesellschaft sehr notwendig ist. Das sind klassischerweise reproduktive Tätigkeiten wie Hausarbeit, Kindererziehung, Pflege von Alten und Kranken. Alles Arbeiten, die in der Regel von Frauen ohne Geld verrichtet werden. Das BGE würde ihnen erlauben, unabhängiger zu sein.

Eine Frage der Prioritäten

Eine Frage, die in diesem Zusammenhang immer wieder auftaucht, ist die Frage nach der Finanzierung. Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens geistert schon seit den 1980ern durch die politische Szene, und so gibt es zahlreiche Modelle, die zeigen, dass ein BGE durchaus finanzierbar wäre – wenn es denn politisch gewollt ist. Beim „Netzwerk Grundeinkommen“ gibt es eine tabellarische Übersicht zu Modellen und Finanzierungen.


 


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3 comments

  1. Hallo,
    ad hoc fallen mir drei Punkte auf, die der Autor noch etwas ausführlicher behandelnt könnte:

    1.) Ein Beleg, dass es in Deutschland weniger Arbeit geben wird. Zu meist hört man Gegenteiliges, dass gerade durch den demographischen Wandel und durch das zunehmende Ausscheiden der Baby-Boomer-Gerneration aus der Arbeitswelt massive Kapazitätsnachfragen in den kommenden Jahrzehnten entstehen werden. Werden Maschinen und die Automatisierungstechnik diese Tendenzen ausgleichen?

    2.) Anreizproblematik: Man könnte argumentieren, dass eine starke Absicherung die Leistungsbereitschaft der Gesellschaft schwächen könnte. Wie kann man also besonders „einfachere“ Arbeitsplätze attraktiv für Arbeitnehmer gestalten?

    3.) „Niemand müsste mehr in Jobs arbeiten, die er hasst…“. Tut mir leid, aber das klingt etwas nach Utopia. Sicherlich wäre es schön, wenn jeder seinen Job aus dem tiefsten Innteren heraus liebt. Leider gibt es nunmal Arbeiten, die nicht so sexy sind, um es salopp auszudrücken (z.B. Gas, Wasser, Sch****). Trotzdem sind diese Arbeiten unabdingbar für eine funktionierende Infrastruktur und Garant, dass wir in Großstädten Kaffee schlürfend vor unseren PCs sitzen können etc :) Wer soll also diese Arbeiten verrichten wollen, wenn ein BGE einen der größten Motivatoren (Einkommen) torpediert? Migranten, die durch ihre Staatszugehörigkeit kein BGE empfangen?

    Grüße,
    Matthias

  2. Unter dem Internetaspekt hatte ich das ganze noch gar nicht betrachtet.
    Aber es stimmt, so wie Musiker, Maler, ehrenamtliche im sozial- und Kulturbereich verschlingen natürlich auch Open Source-Programme oder Wikis etc. viel Zeit.
    Zeit von der mit einem BGE mehr da wäre.

  3. @Matthias: Das sind alles wichtige Aspekte, die man diskutieren müsste und die auch diskutiert werden. In einem kurzen Artikel wie hier kann man nicht alle BGE-Probleme abhandeln.

    Die Idee BGE ist seit den 1980er Jahren in der Diskussion und über alle für die von Dir erwähnten Punkte gäbe es Lösungen.

    Vielleicht nur ganz kurz:
    ad 1) in dem erwähnten Buch „Arbeitsfrei“ von Constanze Kurz und Frank Rieger gibt es Zahlen und Fakten zum Thema Automatisierung und Rationalisierung. Das betrifft nicht nur manuelle Arbeit, sondern vermehrt auch das, was bisher geistige Arbeit genannt wurde. Hier ist eine Studie dazu, die Frank Rieger auf dem Workshop bei der Berliner Gazette vorgestellt hat: http://www.futuretech.ox.ac.uk/future-employment-how-susceptible-are-jobs-computerisation-oms-working-paper-dr-carl-benedikt-frey-m

    ad 2) Anreiz: Es gibt auch andere Ansichten, dass Geld nicht unbedingt der einzige Anreiz ist, sondern auch Ruhm und Ehre, also soziale Anerkennung, oder einfach die intrinsische Motivation (dass man sich für die Sache interessiert, soll bei Künstlern und kreativen Typen besonders hoch sein, sagen Studien). Und BGE heißt ja nicht, dass man kein Geld verdienen darf.

    ad 3) Natürlich ist BGE ein bisschen wie Utopia, aber interessant ist schon, dass teilweise auch von Unternehmer- bzw. Volkswirtschaftler-Seite für BGE argumentiert wird, weil halt immer mehr Leute kein oder nur wenig Einkommen durch Lohnarbeit haben, und irgendjemand ja das Zeug kaufen muss, was so hergestellt wird.

    Wie gesagt, BGE heißt ja nicht, dass man kein Geld verdienen darf, dann müsste man für die Sch…jobs halt endlich mal anständig bezahlen. Es ist ja schon auffällig, dass grade die Jobs, die niemand machen will, eher schlecht bezahlt sind. Machen tun die nur Leute, die gar keine andere Chance haben. So gesehen ist das System kein Anreizsystem, sondern ein Zwangssystem.

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