Die bunte YouTube-Welt: Philipp Bernecker von Divimove im Interview

Divimove ist nicht nur das größte Multi-Channel-Netzwerk in Europa, sondern auch ein aufstrebendes Startup. Wir haben den Gründer und Geschäftsführer Philipp Bernecker interviewt. // von Lukas Menzel

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Im Jahr 2012 von Sebastiaan van Dam, Philipp Bernecker und Brian Ruhe gegründet, hat Divimove es innerhalb der letzten zwei Jahre geschafft, sich mit mehr als 700 Millionen Videoaufrufen im Monat und insgesamt 70 Millionen Abonnenten auf YouTube, zum führenden Multi-Channel-Netzwerk in Europa zu entwickeln. Von Berlin aus betreuen die mehr als 50 Divimove-Mitarbeiter die insgesamt 1.650 YouTube-Kanäle des Netzwerkes, welche wenige Tausend bis hin zu mehr als neun Millionen Abonnenten vorweisen können. Dabei unterstützt Divimove seine Talente, wie Divimove-Gründer undGeschäftsführer Philipp Bernecker die Videomacher nennt, von der einfachen Betreuung, über die Produktion bis hin zur Vermarktung. Was dies für Herausforderungen mit sich bringt, wie sich die bunte „YouTube-Welt“ entwickelt und ob nicht eine gewisse Abhängigkeit von YouTube besteht, haben wir ihn im Interview gefragt, mit ihm über die Internationalisierung, die Starproblematik und vieles mehr gesprochen.

Lukas Menzel: Ihr habt Divimove 2012 gegründet. Nun, zwei Jahre später, seid ihr das führende Multi-Channel-Netzwerk in Europa. Auch YouTube hat sich in dieser Zeit von der Nische in den Mainstream entwickelt. Wie beurteilst du diese ereignisreiche Entwicklung?

Philipp Bernecker: Für mich ist es sehr interessant das Ganze von Innen zu erleben. Dadurch, dass wir das jeden Tag machen, ist es leicht, ab und zu mal zu vergessen, wie schnell alles passiert. Bezüglich der Makro-Entwicklung ist es somit schwierig abschließend zu sagen, was da nun letztendlich die endgültige Entwicklung ist, denn wir sind noch ganz am Anfang des ganzen Prozesses. Zurzeit passiert einfach sehr viel – das ist kein Geheimnis.

Wie bist du selbst in Kontakt mit Online-Video gekommen? Wann hast du gemerkt, dass daraus mehr werden könnte, als nur „Katzen- und verwackelte Amateuraufnahmen“?

Ich habe meine ersten Berührungspunkte mit Online-Video bei MyVideo im Sommer 2006 gehabt. Das waren die allerersten drei Monate, wo wir damals noch drei Mitarbeiter waren, bevor ProSieben dann eingestiegen ist. Da bin ich zufällig gelandet und das war für mich dann eine komplett neue Welt – YouTube war damals noch relativ frisch. Das war sehr, sehr spannend, dass dann plötzlich jeder Videos machen und diese online stellen konnte.

Ich habe seitdem auch in anderen Branchen, immer aber in der Onlinewelt, gearbeitet. Online-Video hat mich aber irgendwie nie so wirklich losgelassen, weil ich das extrem spannend fand, was sich da für neue Möglichkeiten auftaten. Insbesondere das YouTube-Partnerprogramm und die damit eingehende Monetarisierung hat für eine ganz andere Dynamik gesorgt. Plötzlich konnten Leute, die eine Leidenschaft oder besondere Talente hatten, ihre Videos nicht nur aus Spaß online stellen, sondern mit diesen tatsächlich auch Geld verdienen. Das ist natürlich etwas, was dafür gesorgt hat, dass sich hierum ein Ökosystem bildet, wozu wir mit Divimove seit nun zweieinhalb Jahren auch dazugehören.

Wie sehr hat sich Divimove in dieser Zeit entwickelt?

Ich glaube, der Hauptfaktor an dem wir messen, was wir machen und woran wir letztendlich auch unsere Entwicklung messen, ist die Art und Weise, wie wir in der Lage sind unsere Partner zu unterstützen.

Angefangen haben wir mit relativ simplen Support wie der Kanaloptimierung. Im nächsten Schritt haben wir dann die Vermarktung ausgeweitet und verstärkt mit Marken zusammengearbeitet und unterstützen seit einiger Zeit unsere Partner nun auch bei Produktionen in Kooperation mit Fremantle Media/UFA. Wir haben somit stufenweise den Support für unsere Partner immer breiter aufgestellt und ihnen bei allen Problemen, die sie rund um ihre Videos und Kanäle haben, geholfen.

Hierbei stellen wir uns konstant die Frage, wie können wir der bessere Partner für unsere Talente sein. Auch da ist das alles noch in Entwicklung und auf dem Weg macht man auch Sachen falsch und lernt viel dazu. 2015 haben wir vor allem große Pläne, wenn es darum geht, wie wir uns in Zusammenarbeit mit unseren Partnern noch breiter aufstellen und noch mehr zusammen erreichen können. Das ist für uns die Linie, wo wir uns dran messen und wo wir uns hinterfragen, was wir noch besser machen können.

Mittlerweile gibt es in Deutschland eine ganze handvoll an Multi-Channel-Netzwerken. Ihr seid aber das Netzwerk, welches am internationalisten ausgerichtet ist. Was sind die Gründe dafür, dass ihr euch so stark internationalisiert habt?

Wir sind insgesamt im deutschsprachigen Raum, den Benelux-Staaten, Frankreich, Italien, Polen und Spanien tätig. Wir haben uns auch ein paar andere Länder angeschaut, uns aber dann entschieden, uns auf diese sechs Märkte zu konzentrieren. Das heißt dann auch, dass wir hier ein Team von mindestens drei, in der Regel mehr, Muttersprachlern haben, welche sich dezidiert um ihren Markt kümmern.

Das wir uns so schnell internationalisiert haben liegt vor allem daran, dass unser Gründerteam sehr international aufgestellt ist. Meine Zwei Mitgründer sind jeweils Halb-Italiener und Halb-Niederländer, ich bin Halb-Italiener und wir haben alle drei auch vorher schon mit der Internationalisierung zu tun. Somit war für uns von Tag eins klar, dass wir kein deutsches, sondern ein europäisches Multi-Channel-Netzwerk schaffen wollen.

Neben der Internationalisierung sind das von der UFA und euch gestartete Förderprogramm Shootrs und brandboost by Divimove wichtige Bestandteile von Divimove. Warum habt ihr Shootrs und brandboost by Divimove dieses Jahr gestartet und wie ist euer Zwischenfazit hierzu?

Shootrs ist entstanden aus der Kooperation mit Fremantle Media/UFA. Von Anfang an stand hinter der Partnerschaft die Idee, Synergien aus den „zwei Welten“ zu ziehen. Wir haben keinen Hintergrund aus der Produktionswelt und aus Gesprächen mit unseren Talenten gemerkt, dass diese immer mehr an den Punkt stoßen, dass sie neue Ideen haben, wo sie einfach Produktionssupport brauchen. Da sind wir auch immer noch überzeugt, dass Fremantle Media bzw. die UFA ein starker Partner ist, der uns hierbei helfen kann.


Auch im Büro von Divimove gibt es ein kleines Studio:

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Unter der neuen Marke Brandboost by Divimove haben wir jetzt alle Aktivitäten, die wir mit Marken machen, gebündelt und diesen ein Gesicht gegeben. Dahinter steht vor allem auch der Erziehungsauftrag, den wir gegenüber den Marketingverantwortlichen und Werbeagenturen sehen, diese an die YouTube-Welt heranzuführen und erklären, was da passiert. Mittlerweile hat die Werbeindustrie zwar verstanden, dass die Jugendlichen sich auf YouTube tummeln, der Ansatz und das Verständnis fehlt aber oftmals. Dies wollten wir ändern und haben in den letzten Monaten auch sehr große Fortschritte gemacht, wenn es darum geht auch bei großen Marken ein Verständnis zu schaffen, wie man mit YouTubern vernünftig zusammenarbeitet.

Die Professionalisierung und die Kommerzialisierung von YouTube ist nicht ganz unumstritten. Oftmals geht diese auch mit der Kritik an Multi-Channel-Netzwerken einher. Erst kürzlich hat sich hierzu beispielsweise der erfolgreiche YouTuber LeFloid im Interview bei VICE geäußert und kritisiert, dass bei den Netzwerken der „Netzwerk Gedanke“ verloren gegangen sei und diese für ihn nichts anderes als „hart gewinnorientierte Unternehmen“ sind. Wie schwierig ist es für euch als Netzwerk den schmalen Grad zwischen „wir wollen die YouTuber in dem, was tun, unterstützen“ und „wir möchten natürlich auch Geld verdienen“ zu halten?

Das sind ganz normale Entwicklungen in so einem Markt, der noch im Frühstadium steckt und sich in einer unglaublichen Geschwindigkeit entwickelt. Das da nicht alles immer komplett reibungslos abläuft und es auf dem Weg hier und da mal ein wenig Wachstumsschmerzen gibt, ist glaube ich normal. Bei YouTube hat sich das halt durch die riesige Sichtbarkeit und das riesige Publikum nur noch um ein Vielfaches verstärkt.

Als Unternehmen müssen wir natürlich Geld verdienen. Wenn wir uns aber nur darauf optimieren würden, wird es längerfristig schwierig, nachhaltig mit den Partnern zusammenzuarbeiten. Deswegen möchten wir unsere Partner bestmöglich darin unterstützen ihre Ziele zu erreichen und helfen ihnen auch dabei Geld zu verdienen. Für manche ist YouTube schließlich zum Vollzeitjob geworden.

Viele bekannte YouTuber können mittlerweile nicht mehr durch die Straßen laufen ohne erkannt zu werden. Bei manchen ist es inzwischen sogar soweit, dass diese nicht nur bewundert und verehrt, sondern sogar gestalkt werden. Dazu interessieren sich auch die Medien, wie das Fernsehen oder einige Jugendzeitschriften, immer mehr für die YouTuber. Wie beurteilst du diese Entwicklung?

An sich ist Aufmerksamkeit erst mal gut. So langsam passieren jetzt die Entwicklungen, wie sie auch in der Musikindustrie oder im Fernsehen stattfinden. Aus den Gesichtern werden Stars und dies beschränkt sich nicht mehr nur auf die Plattform YouTube.

Der Unterschied zu der Musik- oder Fernsehindustrie ist jedoch aber, dass dies in einer rasanten Geschwindigkeit geschieht, in der Leute, die vor einem halben Jahr noch keiner kannte, plötzlich nicht mehr in den Supermarkt gehen können ohne erkannt zu werden. Das geht alles sehr sehr schnell und muss sich erst noch finden.

Bei der Entwicklung, dass die Stars und Talente, die auf YouTube geboren werden, auch in Zeitschriften erscheinen, auf Bühnen stehen und Musik rausbringen, glaube ich stehen wir noch am Anfang. YouTube ist für jedes kreative Talent, ob es nun jemand ist, der anfängt seine ersten Songs zu schreiben, Comedy machen will oder der nächste Tim Mälzer sein möchte, momentan die beste Plattform. Es ist inzwischen auch kein Zufall mehr, dass nun die ganzen „alten“ Fernseh- und Medienunternehmen sagen: „Hoppla, wir verpassen hier die ganze nächste Generation an Entertainmenttalenten, die plötzlich auf YouTube geboren werden.“

Das Thema Stalking ist noch ein zusätzliches Phänomen. Man hat halt diese Nähe und enge Bindung zwischen den Fans und YouTubern, wie sie zum Beispiel bei Hollywood- oder Musikstars nicht vorhanden ist. Wenn Madonna hier durch die Straßen laufen würde, wäre wahrscheinlich eine gewisse Distanz zwischen ihr und den Fans, sodass diese ihr eher weniger um den Hals springen würden. Wenn ich mit einem unserer Partner unterwegs bin, dann kommen halt durch die gefühlte Nähe die Leute einfach angelaufen und wollen direkt ihren YouTube-Star umarmen.

Diesen Unterschied zwischen YouTube-Stars und Stars aus Musik, Film und Fernsehen hat sich auch bei YouTubes Originalprogramm gezeigt, wo YouTube Kanäle unterstützt hat, auf denen klassische Stars auf YouTube gebracht wurden. Viele dieser Kanäle haben aber nicht funktioniert. In diesem Zusammenhang fand ich ein Interview mit Jim Louderback, dem Chef von Revision3, spannend, der gefragt wurde, woran das liegt. Er meinte, dass die besten Entertainmentstars aus der alten Welt die sind, die eine One-To-Many Kommunikation können. Die besten YouTuber sind aber die, die eine One-To-One Kommunikation haben.

YouTuber wie PewDiePie sprechen ihre Zuschauer in ihren Videos so an, als würden sie sich mit einem Freund unterhalten. Diese Art der Kommunikation, die wiederum zu diesen engeren Beziehungen führt, wirkt dann da wieder darauf ein, wie sich das auf das echte Leben überträgt. Zusätzlich muss man zudem auch bedenken, dass viele YouTuber davon überrascht wurden. Auch da sehen wir unsere Rolle als Partner, Berater oder Coach und versuchen auch über YouTube hinaus unseren Partnern dabei zu helfen, mit so etwas umzugehen.

Zerplatzt dann aber nicht irgendwann diese Wahrnehmung des One-to-One Verhältnisses, wenn sie nun Musiker, Autoren oder sonst was werden, sodass sich dann nicht mehr „umarmt“ wird?

Ich weiß es einfach nicht und es weiß auch noch keiner, da es bislang nicht diese klassische Karriere vom YouTuber gibt. Da gibt es einfach noch keine YouTuber, wo man sich anschauen kann wie sich das mit der Nähe zu den Fans oder auch die gesamte Karriere entwickelt. Das ist ein Thema, mit dem wir uns und auch ich mich persönlich sich sehr viel beschäftige. In der klassischen Medienindustrie gibt ein paar Stars, die sich halten, aber in der Regel gibt es dort auch gewisse Zyklen. Ich glaube bei dem Thema insgesamt, wie diese Karrieren zu managen sind, hat noch keiner die fertigen Antworten und wir werden sehen, wie sich das entwickelt. Ich denke, die guten YouTuber haben da auch selber ein Gespür für und wir bei Divimove sehen uns für diese als einen starken Partner, damit die YouTuber auf ihrem Weg nicht alleine sind.

Somit bin ich sehr optimistisch, dass sich das  alles entwickelt und YouTube weiterhin eine Diskussionsplattform für Inhalte bleibt, die zwar immer breitere Massen ansprechen wird, aber immer noch „anders“ sein wird. Es ist eine eigene Plattform für ganz neue Generationen an Inhalten und das muss sich alles noch finden.

Zwischen den Videocreatorn, den Multi-Channel-Netzwerken und YouTube bestehen gewisse Abhängigkeiten. Auch ihr setzt fast ausschließlich nur auf Googles Videoplattform. Das könnte zum Problem werden, denn neben YouTube versuchen sich nun auch andere Plattformen wie Facebook, das massiv den Videobereich ausgebaut hat, an Online-Video. Wie ist es für euch als Netzwerk, dass es momentan nur eine Distributionsplattform gibt? Glaubt ihr, dass sich in Zukunft der Markt weiter öffnen wird und neue Plattformen entstehen werden?

YouTube ist momentan mit Abstand die wichtigste Distributionsplattform für jeden, der Videos im Internet verbreiten möchte. Das wird mit Sicherheit auch in den nächsten Jahren noch so bleiben und ist super, da YouTube eine starke Plattform ist, die es ermöglicht, dass all diese Talente Reichweite generieren können. Von daher gibt es keine Angst, Grund oder Probleme mit YouTube. Wenn es YouTube nicht gebe, dann wären wir alle nicht soweit, wie wir heute im Bereich Online-Video sind.

Mehr ist es aber auch nicht. Es ist die Distributionsplattform, die es den Kreativen früh ermöglicht hat, Geld mit ihren Videos zu verdienen..

In Zukunft werden, und da mache ich auch kein großes Geheimnis draus, mit Sicherheit aber auch andere Distributionskanäle entstehen. Unsere Verantwortung ist es, für unsere Partner zu sorgen, dass sie überall präsent sind, wo sie sinnvoll ihre Zuschauer erreichen können. Die meisten Partner nennen sich zwar YouTuber, aber sind auch auf anderen Plattformen wie Facebook oder Twitter aktiv, wo sie ebenfalls eine große Reichweite erreichen. Sie sind Stars in der digitalen Welt. YouTube ist momentan der wichtigste Distributionskanal für die Videos, wird aber in Zukunft nicht der Einzige bleiben.

Vielen Dank für das Interview.


Teaser & Image by Tobias Schwarz (CC BY 4.0)


ist als Digital Native tagtäglich in den Weiten des Netzes unterwegs. Er berät als Teil der Becker-Banse Medien Unternehmen zu den Themen Social Media, Webdesign und Webvideo. Dazu leitet er das Online-Magazin Broadmark und ist auch auf Twitter zu finden. Bis März 2015 war er Teil der Netzpiloten-Redaktion. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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