Dummheit und enttäuschtes Vertrauen in Technologie

In seiner Kolumne beschäftigt sich Nico Lumma mit dem Medienwandel und Kompetenzen die damit einhergehen. Nicht nur im Beruf, sondern auch in der Schule und Familie. Diesmal geht es um Vertrauen in Technologie. // von Nico Lumma

Sharing Information (Image: progat, via PicsaStock.com)
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Günther Oettinger soll EU-Kommissar für die Digitale Wirtschaft werden und bei der Befragung sagte der den Satz: „Wenn jemand so blöd ist und als Promi ein Nacktfoto von sich selbst macht und ins Netz stellt, kann doch nicht von uns erwarten, dass wir ihn schützen. Vor Dummheit kann man die Menschen nur eingeschränkt bewahren.“ – Dieser Satz wurde ihm auf Twitter und anderswo von der vermeintlichen Netzelite um die Ohren gehauen.

Zu Unrecht, wie ich finde. Auch mir gefällt die Verhöhnung der Opfer nicht, denn der Diebstahl der Fotos ist eben ein Verbrechen und keine eigene Dummheit. Aber dennoch ist an dem Satz von Oettinger etwas dran.

Ist es Dummheit, wenn man als Promi oder normaler Bürger seine Fotos bei einem Cloud-Anbieter abspeichert? Oder ist es Vertrauen in Technologie, Vertrauen in Sicherheit und Vertrauen in Erreichbarkeit eines Dienstes? Das Abspeichern eines Bildes in der Cloud bedeutet ja vor allem, dass man selber nicht mehr wirklich nachvollziehen kann, was nun passiert. Wenn man ein Bild ausdruckt und in die Schublade legt, diese abschliesst und den Schlüssel an einem sicheren Ort verwahrt, dann kann man davon ausgehen, dass das Bild halbwegs sicher ist. Es sei denn, jemand bricht die Schublade auf oder findet den Schlüssel. Wenn man das Bild auf der eigenen Festplatte oder einem externen Datenträger abspeichert, dann kann man sich auch halbwegs sicher sein, dass Aussenstehende nicht an das Bild kommen, es sei denn, der Rechner wird von Außen mit Spyware versehen und es verschafft sich jemand Zugang. In beiden Fällen weiss man übrigens, wo sich das Bild, bzw. die Daten des Bildes befinden.

Wenn ein Bild allerdings in der Cloud abgespeichert wird, dann weiss der normale Nutzer eigentlich gar nichts über die Art und Weise, wie das Bild nun abgelegt wird. Liegt das Bild in Deutschland auf Servern, oder sind die Daten des Bildes zerstückelt und auf Servern in der ganzen Welt verteilt? Der Nutzer macht sich auch keine Gedanken darüber, wie und ob verschlüsselt wird. Bei der Nutzung der Cloud geht man immer einen Kompromiss aus Bequemlichkeit und Sicherheit ein, das sollte den Nutzern klar sein, ist es aber in aller Regel nicht.

Aus der Sicht des Nutzers muss dem Anbieter vertraut werden. Der Anbieter gibt auch die dafür notwendigen Versprechen ab.

Allerdings, und darüber sollten sich insbesondere Promis im Klaren sein, ist die Cloud zwar grundsätzlich sicher, aber am sichersten ist es immer noch, kompromittierende Dateien gar nicht erst in der Cloud abzuspeichern. Insofern hat Oettinger Recht mit seiner Aussage, aber er hätte es durchaus auch freundlicher ausdrücken können.

arbeitet als COO des next media accelerator (http://nma.vc) in Hamburg. Er bloggt auf lumma.de und ist seit 1995 eigentlich nicht mehr offline gewesen. Er ist Mitglied der Medien- und netzpolitischen Kommission des SPD Parteivorstandes und Co-Vorsitzender des Vereins D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt. Unter @Nico findet man ihn auf Twitter. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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4 comments

  1. Der Satz ist von Oettinger ist dumm und erschreckend.

    “Wenn jemand so blöd ist und als Promi ein Nacktfoto von sich selbst macht und ins Netz stellt, kann doch nicht von uns erwarten, dass wir ihn schützen. Vor Dummheit kann man die Menschen nur eingeschränkt bewahren.”

    Die Promis haben ihre Nacktfotos nicht ins Netz gestellt. Sondern die icloud eines der größten Technologieunternehmen genutzt. Von dem man erwarten darf, dass die Technologie genauso sicher ist, wie das Abspeichern auf dem eigenen iPhone.

    So Straftaten oder mangelnde Sicherheit zu kommentieren ist außerordentlich unverschämt vom Herrn Digitalkommissar.

  2. Zum einen verwechselst Du – gemeinsam mit Öttinger – „das Netz“ und „die Cloud“. Ins Netz stellen ist ein gewolltes öffentlich machen, die Cloud soll ein Schließfach sein, auf das ich von verschiedenen Endgeräten zugreifen kann und das ich – und so ist es vorgesehen – anderen Menschen zur Nutzung freigeben kann.

    Zum anderen kann ich erwarten, das eine von mir gekaufte und bezahlte Technologie auch funktioniert. Das Versagen der Anbieter mit der Dummheit des Anwenders gleichzusetzen, das empfinde ich als starken Tobak.

    Ein Beispiel: Türschlosser funktionieren im Allgemeinen ganz zufriedenstellend – Lockpicker sehen das natürlich anders. Trotzdem jeden als dumm zu bezeichnen, der seine Tür nicht mit einem weiteren Sicherungsmechanismus schützt – das wäre das Gleiche?

  3. btw. Andreas, aber genauso werben Polizei und Verkäufer von Sicherheitsschlössern.

    Nico, dass ist ja genauso, wie die Politik uns beruhigt, dass das vielfach durchlöcherte Briefgeheimnis ein Hort von grundgesetzlich geschützer Privatheit sei

  4. Der Autor irrt in zwei Punkten: erstens unterscheidet er nicht zwischen gefühlter und wirklicher Sicherheit. Denn er betont die gefühlte Sicherheit, wo es doch in Wahrheit auf wirkliche (das ist nicht totale) Sicherheit ankommt. Und da ist es nun mal so, dass meine „Daten“ in der Wolke seltener von Einbrechern gestohlen werden als aus dem heimischen Schreibtisch. INsofern kann mal allen „Nacktfotobesitzern“ nur raten, Ihre Photos NIHCHT zu Hause, sondern in der WOlke aufzubewahren. Oettinger hat also schon rein statistisch UNrecht.
    Noch schlimmer – und das wird vom Autor gar nicht erkannt – ist aber sein Vorwurf an das Opfer, denn das ist die gleiche Logik, mit der früher regelmässig und heute hoffentlich weniger Vergewaltigungsopfern vorgeworfen wurde, doch zu aufreizend gekleidet gewesen zu sein.
    Sonach offenbart Oettinger mit seinen Worten nicht nur eine diffuse Angst vor den neuen Techniken, sondern argumentiert auch sehr altbacken, indem er auf überwunden gehoffte Argumenationsmuster über angeblich nicht schutzwürdige VErbrechensopfer zurück greift.

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