Die Wahlplakate im Design-Check

Seit wenigen Tagen hängen überall in Deutschland die Wahlplakate der Parteien. Achim Schaffrinna macht für uns den Design-Check.

Mit der Präsentation der CDU-Plakate am vergangenen Montag haben nun alle im Bundestag vertretenen Parteien ihre Kampagnen vorgestellt, mit denen sie in den Bundestagswahlkampf ziehen. Kein städtischer Laternenmast, der nun bis zum 22. September frei bliebe. Die Chance, ganze Stadtviertel mit dem Partei-eigenen Branding in Form von Printmedien zu überziehen, lässt sich auch im digitalen Zeitalter keine der Parteien nehmen. Es wird wieder bunt.

Die Kampagnen im Einzelnen

Die SPD und die Grünen nehmen den Begriff „Kampf“ in diesem Jahr wörtlich und schießen sich, ungeachtet dessen, dass Bashing und Schlammwerfen in weiten Teilen der Bevölkerung keinen guten Ruf genießt, in einigen ihrer Plakatmotiven auf den politischen Gegner ein. Da zumindest die „Kanzlerin-Verhöhnung“ der SPD von vielen Verlagen und Medienhäusern dankbar aufgenommen wurde, muss man konstatieren, dass sie die Medienwirksamkeit des Themas richtig eingeschätzt hatten. Ob die Merkel-Motive der SPD zur Wählermobilisierung taugen, steht freilich auf einem anderen Blatt, ebenso, ob die Bürger die Plakate überhaupt als von der SPD stammend richtig deuten.

Besser, weil eindeutig die SPD als Absender auszeichnend, sind da schon die WIR-Motive, die „Menschen in ihrem realen Umfeld“ zeigen. (Wahl)Plakate sollten möglichst schnell und unmissverständlich auf den Punkt kommen, und das tun sie. Nur wenige Elemente und eine überschaubare Menge an Text sorgen dafür, dass ein Motiv vom Betrachter schnell erfasst werden kann.

Ähnlich sparsam sind die Plakate von Bündnis90/Die Grünen angelegt. Nicht einmal das Parteilogo wurde abgebildet. Ein Novum in der Wahlwerbung. Die Sonnenblume als Bildmarke und die Farbe Grün reichen aus, um die Identität der Partei zu transportieren. Eine Marke – auch Parteien lassen über eine Markenidentität definieren –, ist mehr als nur ein Logo. Apple, Nike, Coka Cola und viele andere zeigen, dass sich die Werte einer Marke auch über Farben, Typographie und Bildsprache kommunizieren lassen. Auch die Plakatkampagne der Grünen funktioniert in diesem Sinne. Die wie aufgepumpt wirkenden Porträts sind zudem erfrischend und ein echter Hingucker.

Bei den Plakate der Piratenpartei hingegen weiß man aufgrund der Vielzahl an Elementen nicht, wo man zuerst hinschauen soll. Erkennbar ist das Bemühen um eine eigene visuelle Identität, bizarr sind einige Fotos dennoch. Schnutenziehen und Grimassenreißen mag authentisch wirken, besonders vorteilhaft im Sinne der Vermittlung politischer Themen scheinen sie nicht zu sein.

Die größte Stärke der FDP-Kampagne ist, keine offensichtlichen Schwächen zu haben. Die Themenplakate sind, traditionell, simpel und dadurch sehr leicht erfassbar. Kreativität versprühen sie jedoch keine. Auffallen tun sie auch nicht. Genau das allerdings darf man von einem Plakat erwarten.

Wirklich kreativ und anspruchsvoll war die CDU-Plakatkampagne zur Bundestagswahl 2009. Die nun vorgestellten Motive zur diesjährigen Wahl fallen hingegen aus gestalterischer Sicht durch. Die Plakatgestaltung wirkt wenig harmonisch, die Formensprache weniger ausgefeilt und die Typographie weniger präzise. Vor allem aufgrund des verstärkten Einsatzes der Farbe Orange wirken die Plakate weniger wertig als die 2009er-Serie.

Weniger laut und aggressiv als zuletzt 2009 sind die Plakate der Linken. Fast puristisch sind die Motive, die meist nur einen politischen Leitspruch sowie das Parteilogo abbilden. Die Einfachheit ist Konzept und gewollt, langweilig und uninspiriert ist sie dennoch.

Print is dead? Nicht in der Politik

Dass trotz Twitter, Facebook, Flickr und den eigenen Webauftritten Printkampagnen nach wie vor einen festen Platz in der Wahlkampfkultur haben, gehört zu den Eigenheiten des politischen Betriebs. Niemand weiß, ob Wahlplakate irgendeinen Effekt auf das Votum der Wähler haben. Selbst wenn einmal die Ineffektivität von Wahlplakaten wissenschaftlich belegt werden sollte, wird wohl keine Partei von dieser Werbeform ablassen. Das zunehmende Gerangel um die besten Plätze und der verschärfte Wettbewerb um den frühesten Auftakt zum Plakatieren lassen eher rückschließen, dass die mit Leitern ausgestatteten, örtlichen Wahlkampftrupps auch noch in 50 Jahren ausrücken werden.

Präsenz zeigen ist in der Politik essenziell. Wahlwerbung, gerade im Umfeld der digitalen Medien, nimmt auch hierzulande an Bedeutung zu. Die Obama-Kampagnen gelten vielen Planern als das Maß aller Dinge. Die Plakatkampagnen der Parteien tragen dieser Entwicklung nicht ausreichend genug Rechnung. Lediglich bei den Plakaten der SPD, der Grünen und der Linken findet sich eine URL. Auf einen QR-Code verzichten alle Parteien, ganz zu schweigen von Anwendungen im Bereich Augmented Reality. Ansätze für cross-mediale Kampagnenführung sind bei den Parteien hier und da vorhanden, wirklich inspirierende und neuartige Ideen sind hingegen Mangelware. Und so obliegt es den Wahlplakaten, ihrer einzig wahren Funktion nachzukommen: Als Weckruf und Wahlankündigung zu fungieren. Nur… dass am 22. September ein neuer Bundestag gewählt wird, wussten wir bereits vorher.

 

ist freiberuflicher Designer und Autor des Design Tagebuch, in dem er seit 2006 über Kommunikationsdesign und artverwandte Themen schreibt. Twitter | schaffrinna.de. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


Artikel per E-Mail verschicken
Schlagwörter: , , ,

3 comments

  1. … nur mit dem Umweltschutz haben es die Grünen wohl etwas übertrieben. Wie heute zu lesen war sind die Druckfarben wohl nicht wasserfest. Schöner Mist :-)

  2. Hier wurde allerdings nur ein kleiner Teil der an Motiven doch recht vielfältigen Plakate gezeigt und kommentiert.
    QR Codes findet man auf fast allen personenbezogenen Motiven.
    Viel übler finde ich allerdings, das mal wieder ein riesiger Anteil der Plakate im Ausland produziert wurde.
    Gerade bei den gern eingesetzten Kunststoffplakaten, deren Wiege in Italien liegt, greifen die Parteien, vielleicht sogar unwissentlich, auf diese Ressourcen zurück.
    Und wenn du dann auf dem Plakat liest „Deutschland stärken“,
    muss ich nur noch kotzen.
    @Jörg: nicht die Farbe hat sich aufgelöst, sondern das Plakat hat sich auf Grund schwerer Regenfälle vollgesogen und ist am Mast runtergerutscht.
    Ist übrigends auch bei der SPD passiert.
    Jämmerlich natürlich die Presse, die so was als Wahlkampfpannen ausschlachtet.
    Das sind „Öko-Plakate“, endlich weg vom Plastik, da
    kann so was mal vorkommen, dann hängt man eben wieder
    ein neues auf.
    Wenn die Jute Einkaufstüte platzt, kauft man doch auch eine neue, oder?

    Achim, aus der Gilde der Plakatmacher

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert