Die Mediathekenumschau vom 29. Juli

Es ist so eine Sache mit den Mediatheken: Für viele Digital Natives sind sie schon Fernsehersatz – alles ist überall abrufbar. Doch nur auf Zeit: Gerade die öffentlich-rechtlichen Programme sind oft nach einer Woche wieder offline. Verlängertes Fernsehen statt digitales Archiv. Bevor sie verschwinden, fischen wir die besten Perlen aus der TV-Flut.

WUNDERSCHÖN: Der Riesentintenfisch

arte +++ Sendung vom 27. Juli: So groß wie in den Schauergeschichten von Hoher See sind sie zwar nicht, doch der Reiz dieser mysteriösen Tiefseeart rührt woanders her: Niemand hat je zuvor einen Riesenkalmar gesehen. Gefundene Exemplare sind meist schon vertrocknet und auch aus dem Wasser gefischte Überreste vermitteln keinen Eindruck von ihrem wahren Aussehen. 2005 gelangen das erste Mal Aufnahmen eines blitzschnell an einer Kamera vorbeihuschenden Exemplares, doch erst im vergangenen Jahr konnte die größte Tintenfischart von einem Tauchboot aus in ihrer natürlichen Umgebung gefilmt werden. So bleibt genug Zeit zum Betrachten des stattlichen Tieres. Der goldene Schimmer überrascht die Forscher, faszinierend sind auch die großen Augen, die ihm ein menschliches Antlitz – einen traurigen Blick – zu verleihen scheinen (Wer die leicht schmalzige Einführung überspringen möchte, sieht die spektakulären Bilder etwa ab Minute 32). Genauso schön wie die seltenen Aufnahmen ist es aber auch, dem Team des japanischen Forschers Tsunemi Kubodera zuzuschauenn. Ein Lebenstraum geht in Erfüllung.

ERNSTHAFTE AUSEINANDERSETZUNG: George

ARD/SWR +++ Sendung vom 24. Juli (Achtung: voraussichtlich nur bis 31. Juli online) : Künstler im Dritten Reich. Die Auseinandersetzung mit den tragischen Lebensläufen der von Hitler und Goebbels hofierten Kulturschaffenden hat unsägliche Flops wie die letzte Jud-Süß-Collage und neue Meisterwerke entstehen lassen. Klaus Manns Mephisto ist ein Klassiker und die mit dem Emmy ausgezeichnete Dokumentation „Die Macht der Bilder“ über Leni Riefenstahl (unbedingt anschauen) von 1993 lässt einen noch heute über die lächelnde Torheit des Filmgenies staunen. Der große Schauspieler Heinrich George war auch so einer. Mit den Mitteln des modernen Dokudramas gelingt es hier jedoch einen Schritt tiefer zu gehen, als es die greise Riefenstahl bis zu ihrem Tod zuließ. So spielt Götz George seinen Vater mit einer preußischen Bärbeißigkeit und porträtiert einen Mann mit dem Drang zum großen Schauspiel. Sein unpolitischer Ehrgeiz macht ihn zu einem willfährigen Helfer der Nazis. Damit kommt diese Teamworx-Produktion dem großen Thema des im letzten Jahr gefeierten Hannah-Arendt-Biopics, der Banalität des Bösen, näher als weichgespülte Schuldhalden wie „Unsere Mütter, unsere Väter“, mit denen uns Nico Hofmanns Produktionsfirma sonst gern beglückt.

AUSSTEIGER MIT FREISCHWIMMER: Boat Punk

arte Tracks +++ Sendung vom 16. Februar: Seit Jahren schippern Tyler Bullock, Swoon und andere Aussteiger durch die Gewässer rund um New York, zumeist auf selbstgebauten Floßen. Einige haben keinen festen Wohnsitz mehr, auf den Flüssen und in versteckten Buchten entziehen sie sich auf ihre eigene Art der Kontrolle durch Polizei und Stadtverwaltung. Arte Tracks stellt diese kurze Reportage aus dem Februar noch einmal online, mitsamt einer tollen Begleit-Webseite, die die Geschichten über die porträtierten Seemänner- und frauen zusammenfasst und mit unerwartetem Bonusmaterial aufwarten kann. Schon verständlich, dass es die Geschichte der exhibitionistischen russischen Greise in einem alten Hafenbecken nicht in den Film geschafft hat. Missen möchte man sie trotzdem nicht.

wanderte schon früh zwischen den Welten, on- und offline. Der studierte Kulturarbeiter arbeitete in der Redaktion eines schwulen Nachrichtenmagazins im Kabelfernsehen, produzierte Netzvideos und stellte eine Weile Produktionen im Cabaret-Theater Bar jeder Vernunft auf die Beine, bevor er als waschechter Berliner nach Wiesbaden zog, um dort am Staatstheater Erfahrungen im Kulturmarketing zu sammeln. Er baute später die Social-Media-Kanäle der Bayreuther Festspiele mit auf und schoss dabei das erste Instagram-Bild und verfasste den ersten Tweet des damals in der Online-Welt noch fremden Festivals. Seitdem arbeitete er als Online-Referent des Deutschen Bühnenvereins und in anderen Projekten an der Verbindung von Kultur und Netz. 


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