Das Three-Strikes-Modell und die Urheberrechtsfalle

copyrightStellt euch vor, das Internet wäre ein Baseball Stadion und durch bloßes Herunterladen einer Datei, steht Ihr an der Base. Euch gegenüber, der Pitcher, in Gestalt eines böse dreinblickenden Urheberrechtsanwalts. Zwei (Vor)würfe habt Ihr von ihm schon einsacken müssen und alles hängt nun von dem dritten Schlag ab. „Alles“ könnte für euch die Ersatzbank heißen. Ihr wisst nicht so recht, wie der Pitcher-Anwalt euch jetzt wieder den finalen Wurf präsentiert. Kommt er direkt? Über die Seiten? Oder überrascht er euch mit etwas nie zuvor Gesehenem?

Es kommt Zweifel auf… Seine Palette an Würfen ist vielfältig und kaum überschaubar. Was tun? Den Schlag wagen oder die Keule fallen lassen und das Feld verlassen, noch bevor der Pitcher-Anwalt zum Wurf ansetzen kann? Dadurch wäre das Spiel jedoch direkt verloren.

„Three Strikes and out!“

Was in diesem Szenario spannend und spielerisch klingen mag, kann im wahren Leben bald zu einem Hausverbot des Baseball Stadions alias des Internets führen. Denn der CDU-Politiker und Rechtsexperte Siegfried Kauder möchte entsprechend des Three-Strikes-Modells aus dem Baseball, ein Verwarn-System für Internetnutzer einführen. Begeht man drei Urheberrechtsverletzungen wird einem das Internet gekappt. Sogar bei der ersten oder zweiten Verwarnung könne man bereits „mit einigen Wochen anfangen“ sagt der Politiker…

Vielen Gelegenheitsnutzern scheint dies eine gelungene Alternative zu teuren Abmahnungen und möglichen Anwaltskosten zu sein. Doch Internetnutzer, die mehr als nur gelegentlich Ramsch auf Ebay verkaufen oder die Bundesliga-Ergebnisse auf ran.de verfolgen, wird es Angst und Bange bei dem möglichen Verlust Ihres Zugangs. Denn es geht auch um die Grundversorgung mit wichtigen Nachrichten. Längst ist das Internet zu einem Ort der Informationsbeschaffung für Jedermann geworden. Für manche sogar der Arbeitsplatz. Das Internet ist schon lange kein Medium mehr einzig und allein für Technik-Nerds und Code-Schreiber. Für viele Nutzer bedeutet es Zugang zu Bildung, zum gesellschaftlichen Leben oder sogar zur Sicherung der Existenz. Wehe dem Gehörnten, der dann in die Urheberrechts-Falle tappt.

Urheberrechtsfallen lauern überall

Eine Urheberrechtsverletzung passiert schneller als man denkt. Vergehen werden momentan durch harte Geldstrafen geahndet. Bei Verletzungen im großen Stil, kommt es auch schon einmal zum Freiheitsentzug. Doch wer weiß eigentlich schon genau, wie weit man sich in diesem Bereich bewegen kann und wo die Grenze zum Illegalen genau verläuft? Ganz eindeutig erscheint die Rechtslage den Opfern oft nämlich nicht.

Nehmen wir das Beispiel digital gekaufter Musik. Till Kreutzer und David Pachali haben dazu vor kurzem einen sehr interessanten Beitrag auf iRights.info veröffentlicht. In diesem Beitrag thematisieren sie, wie unterschiedlich man mit online gekaufter Musik umzugehen hat. Neben dem Urheberrecht greifen nämlich auch oft die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Online-Shops, auf dem das Stück des Begehrens gekauft wird. Die Experten sind sich einig. Wirklich präsent aufgeklärt wird man hier nicht. Die Infos verstecken sich zumeist im „Kleingedruckten“ und entgehen dem Käufer dadurch oftmals. Das größte Problem mit dem Urheberrecht hat man natürlich bezüglich der Weitergabe der Musik. Dateien via Dropbox oder Rapidshare etc. mit anderen zu teilen ist heutzutage leicht gemacht und kaum einer glaubt hier in eine Urheberrechtsfalle zu treten. Till Kreutzer und David Pachali sagen dazu allerdings Folgendes in Ihrem Artikel:

„Einzelne Kopien zu machen, um sie an Freunde oder Verwandte weiterzugeben, ist nach der Privatkopie-Regelung erlaubt. Was aber, wenn in den Nutzungsbedingungen steht, dass das nicht erlaubt ist – sondern zum Beispiel nur der Käufer für sich selbst Kopien machen darf? Nach dem bisher Gesagten ist auch eine solche Beschränkung zulässig – Gerichtsentscheidungen gibt es dazu aber aktuell noch nicht.“

Hier kann das Gesetz also von den AGB eines Onlinehändlers ausgeschaltet werden. Und somit hätte man recht schnell seinen ersten Strike auf dem Konto. Ebenfalls interessant ist die Frage, ob man erworbene Musikdateien z.B. auf Ebay weiterverkaufen kann. Quasi wie der Weiterverkauf einer alten CD. Auch dazu ist die Rechtslage nicht sehr eindeutig laut iRights.info.

„Einige Rechtsexperten sind der Ansicht, dass der Kunde bei Downloads ebenso einen Wertgegenstand erwirbt wie bei einer Musik-CD. Einen Tonträger, der einmal ordnungsgemäß auf den Markt gebracht wurde – also keine Raubkopie oder selbst gebrannte CD – dürfte man demnach weiterverkaufen, also zum Beispiel bei Ebay oder anderen Plattformen anbieten. Das Gesetz nennt diese Regel „Erschöpfungsgrundsatz”. Einige Juristen sagen zudem, dass es auch möglich ist, die Datei auf eine CD zu brennen und die CD weiterzuverkaufen, vorausgesetzt, man löscht seine eigene Datei.

Andere Rechtsexperten sind der Ansicht, dass es nicht zulässig ist, unkörperliche Werkexemplare wie Dateien weiterzuverkaufen. Die beiden Fälle seien nicht vergleichbar. Denn wenn man Dateien weiterverkaufen könnte, sei es nicht mehr möglich, den „Gebrauchthandel“ von Musik zu kontrollieren.

Der Bundesgerichtshof hat sich zu dieser Frage noch nicht ausdrücklich geäußert. Nur das Landgericht Berlin hat einmal gegen die Weiterverkaufsmöglichkeit von iTunes-Dateien entschieden; die Entscheidung ist jedoch gerade in der Berufungsinstanz und damit noch nicht rechtskräftig.“

Auch hier kann also eine Urheberrechtsfalle lauern. Strike Zwei?

Von der Legitimation und der Realisierbarkeit mal ganz zu schweigen…

Anhand dieser zwei Beispiele kann man sehen, wie schnell jederman in Fallen tappen kann, die dazu führen, dass man in den Verdacht einer Urheberrechtsverletzung kommt. Um überhaupt eine Legitimation für Herrn Kauders geplanten Gesetzesentwurf gewährleisten zu können, sollte seine Partei u.a. erst einmal die Gesetze und Bestimmungen dieser einzelnen Sachfälle glatt bügeln. Das scheint den Verantwortlichen allerdings zu anstrengend zu sein. Man baut lieber auf eine „globale Insellösung“, die den Einzelfall unberührt und den Nutzer im Dunkeln stehen lässt.

Ein Selbstgänger wird Kauders Gesetz dennoch nicht. Neben den verfassungsrechtlichen Bedenken, gibt es auch technische Hürden. Markus Beckedahl von Netzpolitik.org hat in seinem, vor zwei Tagen veröffentlichten Brief an Siegfried Kauder, um Antworten einiger Fragen gebeten. Eine dieser Fragen zielt auf die technische Umsetzung des möglichen Gesetzes ab. Er sagt, dass diese Idee „unter praktischen Aspekten hochgradiger Unsinn“ ist. Und damit hat er sogar Recht. In Frankreich ist das Three-Strikes-Modell seit 2009 fest im Alltag in Form des „Loi Hadopi“ integriert. Interessieren tut es da allerdings kaum jemanden, denn auch in der Grande Nation ist das Gesetz technisch nicht zuverlässig realisierbar.

schreibt seit 2011 für die Netzpiloten und war von 2012 bis 2013 Projektleiter des Online-Magazins. Zur Zeit ist er Redakteur beim t3n-Magazin und war zuletzt als Silicon-Valley-Korrespondent in den USA tätig.


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