CitizenFour: Glückwunsch zum Oscar – er ist verdient und wichtig

Der Oscar für den Dokufilm „CitizenFour“ über Whistleblower Edward Snowden: verdiente Würdigung der Beteiligten und wichtiges Signal für uns alle. // von Annika Kremer

Der Netzpolitik-Film CitizenFour gewinnt den Oscar

Der Film „CitizenFour“ hat, neben einer Reihe anderer Preise, nun auch den Oscar für den besten Dokumentarfilm gewonnen. Dies ist eine wichtige Anerkennung des Einsatzes aller Beteiligten – aber auch der Relevanz des Themas, der Wichtigkeit der von Snowden aufgeworfenen Fragen. Wir alle täten gut daran, uns zu diesem Anlass noch einmal ins Gedächtnis zu rufen, wie wichtig diese Fragen sind, und die derzeitige mediale Aufmerksamkeit politisch zu nutzen.


Warum ist das wichtig? Der Gewinn des Oscar durch „CitizenFour“ ist für netzpolitisch Engagierte eine wichtige Bestätigung und Anerkennung – und eine wichtige politische Gelegenheit.

  • Das Engagement und der Mut Snowdens und der mit ihm kooperierenden Journalisten werden durch die Verleihung des Oscar für „CitizenFour“ anerkannt.

  • Gerade sind Snowden und die von ihm aufgedeckten Geheimdienst-Exzesse verstärkt in den Medien – ein idealer Zeitpunkt, um zu kämpfen und aufzuklären.

  • Die von Snowden und seinen Unterstützern vertretenen Werte werden durch den Preis mit anerkannt – ein positives gesellschaftliches Signal.


Ein nicht ganz unerwarteter Triumph

In den vergangenen Wochen und Monaten hatte der Dokumentarfilm „CitizenFour“ von Regisseurin Laura Poitras bereits eine Reihe von Preisen (darunter den Leipziger Ring, den „Critics‘ Choice Movie Award“ sowie den BAFTA-Preis) in der Dokumentarfilm-Kategorie gewonnen. Der Sieg bei den Oscars kam daher nicht gänzlich unerwartet, war aber natürlich dennoch eine große Freude und Bestätigung für Poitras und ihr Team.

Snowdens Kommentar und Poitras‘ Dankesrede

Poitras nahm den Oscar zusammen mit Cutterin Mathilde Bonnefoy und Produzent Dirk Wilutzky entgegen. Bei der Preisverleihung war außerdem der Journalist Glenn Greenwald, wie Poitras seit der ersten Minute an der Snowden-Berichterstattung beteiligt und ein unermüdlicher Unterstützer des NSA-Whistleblowers, zugegen. Edward Snowden konnte aufgrund seiner schwierigen juristischen Situation nicht selbst anwesend sein. Er wurde jedoch durch seine Lebensgefährtin Lindsay Mills vertreten. Außerdem kommentierte er den Oscar-Gewinn in einem Interview mit der englischen Zeitung „The Guardian“. Darin sagte er, er sei zunächst skeptisch gewesen, ob es eine gute Idee sei, die Treffen zwischen Poitras, Greenwald und ihm zu filmen. Im Nachhinein sei er aber froh und dankbar, dass Poitras ihn davon überzeugt habe. Citizenfour sei „ein mutiger und brillianter Film, der die Ehre und Anerkennung, die er erhalten hat, verdient„. „Meine Hoffnung ist, dass dieser Preis mehr Menschen ermutigen wird, den Film zu sehen, und sich durch seine Botschaft inspirieren zu lassen, dass normale Bürger, wenn sie zusammen arbeiten, die Welt verändern können„, sagte Snowden.

Auch Poitras betonte in ihrer Dankesrede die gesellschaftliche Relevanz des Films. „Die Enthüllungen, die Edward Snowden aufgedeckt hat, zeigen nicht nur eine Bedrohung für unsere Privatsphäre auf, sondern eine Bedrohung für die Demokratie als solche. Wenn die wichtigsten Entscheidungen, die uns alle angehen, im Geheimen getroffen werden, verlieren wir unsere Fähigkeit, diejenigen Mächte zu überprüfen, die uns kontrollieren„, sagte Poitras. In ihrer Rede würdigte sie nicht nur den Mut Snowdens, sondern auch den Glenn Greenwalds und anderer investigativer Journalisten, die „die Wahrheit aufdecken„.

Laura Poitras spricht auf dem New York Film Festival 2014 über ihren Film „CitizenFour“:

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Eine wichtige Anerkennung

Zunächst einmal handelt es sich bei diesem Oscar vor allem um eines: eine Würdigung und Anerkennung der Leistung aller Beteiligten. Poitras‘ Kreativität und journalistische Fähigkeiten werden ebenso gewürdigt wie ihr Mut, sich eines dermaßen kontroversen und nicht ganz ungefährlichen Themas anzunehmen.

Ebenso wird indirekt auch die Leistung Edwards Snowdens, der Hauptperson des Films, gewürdigt. Vor allem sein Mut und seine Zivilcourage stechen dabei hervor, hat er doch erhebliche Risiken in Kauf genommen, um die Welt über bis dato geheime Vorgänge zu informieren. Aber auch seine Intelligenz, mit der er seinen Akt des Whistleblowing durchgezogen hat und bis heute die öffentliche Diskussion mit gestaltet, verdient Respekt – und erhält diesen nun durch den Oscar-Gewinn. Snowden hat für seine Üebrzeugungen einige Opfer gebracht. Man kann nur hoffen, dass er eines Tages zu dem Schluss kommen wird, dass es die Sache wert war. Hoffentlich tragen symbolische Gesten wie diese wenigstens ein bisschen dazu bei.

Eine wichtige Chance für Aktivisten

Laura Poitras auf der PopTech 2010 (Bild: Kris Krüg, CC BY-SA 2.0)
Laura Poitras auf der PopTech 2010 (Bild: Kris Krüg, CC BY-SA 2.0])

Neben einer Anerkennung Snowdens ist der Sieg bei den Oscars aber auch eine wichtige Gelegenheit für seine Unterstützer – ja, für alle Aktivisten, die sich Dinge wie den Kampf gegen die Überwachung, staatliche Transparenz und die Bekämpfung von Geheimnistuerei und Machtmissbrauch auf die Fahnen geschrieben haben. Die gesellschaftliche Bedeutung der von Snowden aufgeworfenen Fragen hat gerade eine große Bestätigung erhalten. Wer seine Mitmenschen von den Risiken von Überwachung, Zensur und staatlichem Kontrollwahn überzeugen will, sollte diese Gelegenheit nutzen.

Markus Beckedahl vom Blog Netzpolitik.org kommentierte die Geschenisse folgendermaßen: „Herzlichen Glückwunsch! Damit hat der erste netzpolitische Film den größten Filmpreis gewonnen. Vollkommen verdient.“ Zweifellos geht dieser Kommentar in die richtige Richtung – ist aber ein wenig zu kurz gegriffen. Nicht „das Netz“ ist der relevante Punkt in dieser Diskussion, sondern was durch die Snowden-Diskussion und den Oscar-Gewinn in den Fokus rücken sollte. Bei den von Snowden aufgedeckten Überwachungsprogrammen ist das Internet nur ein Kriegsschauplatz, nur Mittel zum Zweck. Worum es eigentlich geht, ist Macht, ist Kontrolle, ist der Wunsch, die Menschen zu überwachen, einzuschüchtern, zu kontrollieren, ihnen ihre Rechte und Freiheiten zu nehmen. Worum es gehen sollte, ist der Versuch der Bürger, diese Rechte und Freiheiten zurück zu gewinnen. Dafür ist jetzt ein günstiger Moment – nutzen wir ihn.

Denn, last but not least, wurden durch den Oscar-Gewinn auch die von Snowden vertretenen Werte anerkannt. Transparenz, unabhängiges Denken, das Übernehmen von persönlicher Verantwortung für die Gesellschaft. Freiheit statt blindem Gehorsam, Offenheit statt Geheimnistuerei und Angst. Machen wir uns diese Werte zu eigen und lassen wir uns von ihnen inspirieren. Dann kann aus diesem Moment viel mehr werden als nur ein symbolischer Sieg bei einem Filmpreis.

schreibt regelmäßig über Netzpolitik und Netzaktivismus. Sie interessiert sich nicht nur für die Technik als solche, sondern vor allem dafür, wie diese genutzt wird und wie sie sich auf die Gesellschaft auswirkt.


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