Der Fall Boaty McBoatface: Warum Community-Abstimmungen selten funktionieren

Der britische Umweltforschungsrat hat per Abstimmungstool für sein neues Forschungsschiff einen neuen Namen gesucht. Bei der Abstimmung ist ein eindeutiger Gewinner hervorgegangen. Sein Name: „Boaty McBoatface“. Nachdem der Rat eine Welle der Erregung auslöste, indem er den Namen durch Crowdsourcing-Prozesse finden ließ, sieht es nun so aus, als wolle er den Vorschlag aus der Öffentlichkeit ignorieren und sich stattdessen für etwas entscheiden, „das zur Mission passt und den Geist des wissenschaftlichen Bestrebens erfasst“. Der NERC ist nicht die erste Organisation, die daran scheiterte, die Öffentlichkeit um ihre Meinung zu fragen. Die Befragung der Öffentlichkeit ist einer der am weitesten verbreiteten Trends auf der Agenda gegenwärtiger Managements geworden. Die Empfehlung scheint – unabhängig von der Art der Entscheidung, die getroffen werden muss – zu lauten, Interessenvertreter aus der Gemeinschaft zu „konsultieren“. Sie wollen Ihre Produktlinie erweitern? Fragen Sie die Community um Rat. Sie müssen Ihre Prämisse bedenken? Fragen Sie die Community. Sie denken darüber nach, das Farbkonzept im Sitzungsraum zu ändern? Sie wissen, was zu tun ist… Aber seien Sie darauf vorbereitet, welche Reaktionen Sie aus der Öffentlichkeit bekommen können, wenn sie diese bei organisatorischen Veränderungen um Rat fragen – ansonsten riskieren sie, Ihre organisatorische Glaubwürdigkeit zu verlieren. Die Antwort des NERC auf unpassend alberne, aber eben deshalb beliebte Vorschläge wie „Boaty McBoatface“ oder dem auch „RRS It’s bloody cold here“ empörte diejenigen, die dachten, der Name mit den meisten Stimmen würde wirklich gewinnen.  

— Claire (@pixiepippi) 17. April 2016

Repräsentanten der Organisation hatten verzweifelt darauf hingewiesen, dass sie nur nach Vorschlägen für den Namen des Bootes suchen und betonten konsequent, dass die endgültige Entscheidung von einem vom NERC ausgewählten Gremium getroffen würde. Irgendwie erinnert diese Geschichte an das Debakel von iSnack 2.0 aus dem Jahr 2009, einem Versuch von Kraft, bei der Namenssuche für eine neue Mischung aus dem Brotaufstrich Vegemite und Frischkäse den Rat der Community  heranzuziehen. In diesem Fall resultierte der Entscheid des Gremiums innerhalb der Community-Vorschläge in massiver Entrüstung. Wie auch schon bei Kraft haben einige Zyniker vermutet, dass die Furore um das Verhalten des NERC tatsächlich ein bewusster Versuch war, öffentliche Aufmerksamkeit durch und für die Organisation zu bekommen. Diese Theorie schien umso plausibler, als man entdeckte, dass die Person, die die Kreation „Boaty McBoatface“  vorschlug, zwar nicht beim NERC arbeitet, aber immerhin Experte für Öffentlichkeitsarbeit ist. Trotzdem ist nicht klar, welchen Nutzen der NERC von dieser Publicitywelle haben könnte, von der ein großer Teil Kritik gegenüber dem Verhalten der Organisation symbolisiert.

Lektionen für andere Organisationen

Wie kann eine Organisation also einen solchen Empörungsstrudel vermeiden, in den die NERC gefallen zu sein scheint? Zunächst müssen Sie sich absolut sicher sein, dass Sie wirklich die Community um Rat fragen wollen und nicht einfach bloß ein erweitertes Interesse daran haben, die Neuigkeit zu verbreiten. Konsultation beinhaltet einen Grad an abgegebener Verantwortung und das Teilen von Macht, mit dem man einverstanden sein muss. Organisationen, die sich diesem Unterschied nicht bewusst sind, würden gut daran tun, auf das Spektrum an öffentlicher Partizipation zurückzugreifen, das von der international anerkannten Internationalen Vereinigung für öffentliche Partizipation bereitgestellt wird. Zweitens müssen Sie eindeutig festlegen, welche unpassierbaren Grenzen die Konsultation einschränken. Seien Sie deutlich und wiederholen Sie diese. Hinterher zu behaupten, im Kleingedruckten stehe deutlich, dass die Entscheidung bei Ihnen liegt, ganz egal, was die Mitglieder der Gesellschaft wirklich wollen, hilft rein gar nichts, wenn die vermeintlichen Teilhaber auf die Umsetzung ihrer Ideen warten. Es klingt wie Missgunst und riecht nach elitärem organisierten Treffen von Entscheidungen, was leicht als Widerspruch zum Konzept der Konsultation gesehen werden kann. Bedenken Sie, ob es nicht besser wäre, der Community die Möglichkeit zu geben, eine gezielte Wahl aus einer Menge an Optionen zu treffen, die für Ihre Organisation akzeptabel ist. Das tat schließlich auch Kraft nach dem iSnack-2.0-Fiasko. Und zu guter Letzt, falls Sie sich durch die Konsultation wirklich in die Ecke gedrängt fühlen, denken Sie sorgfältig über ihre Reaktion nach. „Foul“ zu schreien nach dem Ergebnis eines demokratischen Prozesses, den Sie selbst initiiert haben, wird Ihre Organisation nicht gut dastehen lassen. Schlimmer noch, könnte so eine Antwort der generellen Glaubwürdigkeit der Konsultation als wichtiges Werkzeug für Managements schaden. Dieser Artikel erschien zuerst auf “The Conversation” unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.


Teaser (adapted) „DSC00913.jpg“ by Jens Klostermann (CC BY-SA 2.0)


The Conversation

ist Fachbereichskoordinatorin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit an der Universität für Technologien in Queensland, Australien. Sie ist in der Lehre und in der Forschung in den Bereichen Beschäftigung von und Dialog mit Ansprechpartnern sowie Presse- und Öffentlichkeitsarbeit tätig. In letzterem arbeitete sie bereits für Unternehmen in England, bevor sie in Australien ihr Studium absolvierte.


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