Blind im Web: Ein Hürdenlauf

Relaunch ist ein beliebtes Wort im Web. Kündigt ein Onlineshop, ein Nachrichtenportal oder ein soziales Netzwerk einen Relaunch an, hält sich meine Begeisterung meist in Grenzen. Stattdessen frage ich mich, ob ich die Seite zukünftig noch werde nutzen können. Für blinde und sehbehinderte Menschen ist das Bewegen im Netz nicht Surfen, sondern ein Hürdenlauf. Denn schließlich muss der Screenreader die Website so umsetzen, dass sie mit Vergrößerungssoftware, Braillezeile oder Sprachausgabe gelesen werden kann.

Wenn die Standards der Barrierefreiheit – englisch: Accessibility – nicht eingehalten sind, kommt nur noch Kauderwelsch aus den Lautsprechern. Während sich Behörden-Websites aufgrund rechtlicher Vorgaben zunehmend an die Standards halten, sind es oft ambitionierte Flash-Seiten, interaktive Angebote, aber auch viele Blogger, die keine strukturierenden Überschriften oder aussagekräftigen Alternativtexte bei Bildern verwenden. Ein Beispiel: ein sehender Surfer sieht den neusten Fotoschnappschuss. Ich höre meine Sprachausgabe sagen:

„flickr-photo { border: none; } .flickr-yourcomment { } .flickr-frame { text-align: center; padding: 3px; } .flickr-caption { font-size: 0.8em; margin-top: 0px; }“.

Ein kurzer ergänzender Satz wie „Gunnar isst Schnitzel“ oder „Karla tanzt Tango“ würde schon reichen, um Surfern mit einer Sehbehinderung den Weballtag zu erleichtern und Seiten für sie übersichtlicher zu gestalten.

Gerade im Beruf ist Accessibility gefragt. Karsten Warnke ist Koordinator im Projekt „barrierefrei informieren und kommunizieren“ (BIK). „In jedem Beruf, in dem Internetrecherche erforderlich ist, erhöhen sich die Beschäftigungs-Chancen für Blinde und Sehbehinderte“, sagt Warnke, „Oftmals gibt es dann allerdings wieder Einschränkungen bei nicht webbasierten Anwendungen.“ Die größten Webhürden sieht Warnke Überall da, wo statt Text Grafik benutzt wird und wo auf Internetseiten dynamische Informationen erzeugt werden, ohne Screenreader zu unterstützen. BIK bietet Arbeitgebern Beratung und Unterstützung an, um Intranet und Webanwendungen barrierefrei zu gestalten. Warnke: „Basis der Angebote ist der BITV-Test. Er wird prozessbegleitend für die Qualitätssicherung eingesetzt. Es sollen etwa 15 Partner-Unternehmen bzw. öffentliche Verwaltungen als „Leuchttürme“ gewonnen werden.“ Hoffentlich strahlen die Leuchttürme weit.

Die Netzpiloten nehmen immer mal wieder Gastpiloten mit an Bord, die über ihre Spezialthemen schreiben. Das kann dann ein Essay sein, ein Kommentar oder eine kleine Artikelserie.


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2 comments

  1. Hallo,

    nicht nur für Sehbehinderte ist das ein Greuel. Überall flasht es, aus dem Lautsprecher quakt mich ungefragt Musik an und textuelle Informationen werden durch Bilder und Piktogramme ersetzt. Gruselig. Wann begreifen die „Webdesigner“ endlich, dass accesibility nicht nur (Seh-)Behinderte betrifft, sondern auch „normale“ Menschen und unter anderem auch die „blinden“ Suchmaschinen. Aber Flash ist ja so cooooool.

    Achja, wissen „Webdesigner“ eigentlich, dass ca. 10% der männlichen Bewohner dieses Planeten eine Farbsehschwäche haben und ein Großteil davon es noch nicht einmal weiß? Bei mancher Farbgestaltung habe ich da so meine Zweifel.

    Liebe Grüße

    Erik

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