Crowdfunding für öffentliche Projekte: Krautökonomie mit Beethoven

Wer es mit Transparenz und Demokratie ernst meint, muss öffentliche Vorhaben mittels Crowdfunding finanzieren – auch Beethoven verdient das.

Crowdfunding hat das Potenzial, die Spielregeln der Ökonomie radikal zu verändern – und nicht nur die digitale Variante. „Das Fundraising-Prinzip als neues Paradigma revolutioniert Motivationen und Verhaltensweisen der Marktteilnehmer. Der Anbieter wirbt nicht mehr für den Kauf eines Produktes, sondern für die freiwillige Unterstützung bei der Realisierung (Pre-Order-Modell) und bei der Aufrechterhaltung des Angebots“, schreibt Ansgar Warner in seinem Buch „Krautfunding – Deutschland entdeckt die Dankeschön-Ökonomie“.

Das ist weitaus schwieriger, als im Verborgenen irgendetwas auszubrüten und es dann mit großem Marketing-Geschrei unter die Leute zu bringen. „Um in der Dankeschön-Ökonomie zu bestehen, muss man die Menschen für eine Sache begeistern“, so Warner.

Kunden gehen freiwillig in Vorkasse

Und das schon bei der Ausbreitung der Ideenskizze auf Plattformen wie „Kickstarter“ oder „Startnext“. Jeder Schritt, jeder Fortgang und jede Verfeinerung des Projektes wird mit dem Unterstützerkreis geteilt und durch die Reaktionen der Kunden, die in Vorkasse gehen, verbessert.

Es ist die perfekte Form einer Ökonomie der Beteiligung, die sich im Crowdfunding manifestiert. Es könnte das etablierte Finanzsystem in den Schatten stellen, Unternehmensgründungen beflügeln, als Katalysator für Innovationen fungieren und für eine Demokratisierung der Beziehungen zwischen Unternehmen und Konsumenten beitragen.

Man erlebt dabei immer mehr Menschen, die ohne Zwang, ohne Abo-Modelle, ohne Zahlungsschranken und ohne Schutzgesetze bereit sind, freiwillig für Start-ups, Kunst, Kultur oder Journalismus zu bezahlen. Sie widerlegen damit die Dauerschwätzer des Establishments, die nach staatlichen Hilfen schreien, um nicht durch die vermeintliche Kostenlos-Mentalität der Netzbewohner in den Abgrund gestürzt zu werden.

Viagra-Lobbyismus für Alt-Verleger

Die liebwertesten Lobby-Gichtlinge verrichten dafür das Tagwerk der Mächtigen in den Hinterzimmern der Berliner Republik – wie bei der brachialen Durchsetzung des Leistungsschutzrechtes. Sozusagen die gesetzliche Variante von Viagra, um altersschwachen Medien-Konglomeraten wieder Potenz zu verschaffen. An der Crowd reden sie dabei vorbei.

Wer es ernst meint mit Transparenz, Partizipation und Demokratie, sollte auch größere Vorhaben über Crowdfunding-Prinzipien finanzieren und in der Öffentlichkeit um Zustimmung werben.

In Bonn will man bekanntlich ein Festspielhaus als neuen Musentempel errichten. Vorangetrieben von einem kleinen Honoratiorenkreis über eine nicht wirklich transparente Planung. Das gesamte Verfahren schreit nach einem Beethoven-2.0-Projekt – also liquide Demokratie zulassen und die Menschen einbeziehen.

Der arme Revolutionär Beethoven hätte zu seinem 250. Geburtstag im Jahr 2020 eine Beteiligung 2.0 verdient. Eine Beteiligungslogik, die nicht von oben aus dem Hinterstübchen der Festspielhaus-Ultras und des Oberbürgermeisters gedacht wird, sondern von unten erfolgt. Wie das geht, demonstrierte eine Gesprächsrunde vom Haus der Architektur. Natürlich live übertragen via Hangout On Air – also schön social!

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Als Ergebnis könnte in Bonn allerdings etwas ganz anderes herauskommen. Kein Gigantomanie-Protzbau wie bei der Elbphilharmonie, sondern die Rückbesinnung auf eine vorhandene Perle der Architektur namens Beethovenhalle und eine bessere Unterstützung für die Kleinkunstszene.


Mehr zu Themen des Netzes und dem digitalen Wandel gibt es auch vom European-Kolumnisten Lars Mensel in seinem aktuellen Artikel „hy!-Konferenz in Berlin: Visionen übersetzen“.


Text: Der Artikel „Crowdfunding für öffentliche Projekte: Krautökonomie mit Beethoven“ von Gunnar Sohn ist zuerst erschienen auf www.theeuropean.de


 


ist Diplom-Volkswirt, lebt in Bonn und ist Wirtschaftsjournalist, Kolumnist, Moderator und Blogger. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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