Spannend: “ZEIT” öffnet sich für Dritte

Medientrends vergangener Tage ausfindig machen? Mit der ZEIT ONLINE Content API kein Problem.

Spannend: “ZEIT” öffnet sich für Dritte

Wer denkt, es sei heute ein Erfolg, wenn Zeitungen über Open Data berichten, der hat sich noch nicht bei der “ZEIT” und “ZEIT ONLINE” in Hamburg umgesehen. Mal ganz abgesehen vom grandiosen und preisgekrönten “Data Blog“, ist die Redaktion im Bereich neue Medien, Visualisierung und Datenjournalismus seit geraumer Zeit ganz weit vorne. Nun öffnet sie sich für Dritte.

Mit einer Text-API (“application programming interface”), also einer Schnittstelle für Drittprogramme, möchte die “ZEIT” sein Archiv der Allgemeinheit zur Verfügung stellen. So ist es nun möglich, die Texte der Printausgabe seit 1946 und die von “ZEIT ONLINE” seit 1996 zu durchsuchen und mit den Metadaten Autor, Kategorie und Schlagwörter ausgeben zu lassen. Kai Biermann, seit 2007 bei “ZEIT ONLINE”, erklärt die damit verbundene Hoffnung der Redaktion:

„Wir glauben, dass in den hunderttausenden Artikeln noch viele spannende Informationen verborgen sind. Örtliche oder inhaltliche Zusammenhänge, Zeitbezüge – durch eine Verknüpfung können Dinge sichtbar werden, die beim einfachen Lesen nicht unbedingt zutage treten.“ Kai Biermann, “ZEIT ONLINE“

Als Beispiel nennt Biermann China:

„Wie oft tauchte der Begriff “China” in den vergangenen 66 Jahren in unseren Texten auf? Und in welchen Zusammenhängen? Wie hat sich also das China-Bild der Redaktion und vielleicht also auch das deutsche China-Bild in dieser Zeit gewandelt?“ Kai Biermann, “ZEIT ONLINE“

Diese Fragen lassen sich nun mit der “ZEIT ONLINE Content API“, wie die Redaktion sie nennt, und mit Hilfe von Drittprogrammen beantworten. Besonders schnell beim Erstellen einer solchen Anwendung war der Münchner Grünen-Politiker und Programmierer Thomas Pfeiffer, der den meisten auch unter dem Namen @codeispoetry geläufig sein dürfte.

Pfeiffer hat ein Tool geschrieben, dass es den Nutzern ermöglicht, die relative Anzahl eines oder mehrerer Wörter ausgeben zu lassen. Zudem gibt das noch in der BETA-Phase befindliche Programm, das auf den Namen “Begriffe im Wandel der „Zeit“ hört, das Datum des ersten Artikels zum gesuchten Schlagwort aus.

Spannend: “ZEIT” öffnet sich für Dritte

Wer also beispielsweise “Zeitungssterben” sucht, erhält ein Diagramm mit der relativen Häufigkeit und stößt auf einen Artikel aus der gedruckten “ZEIT” vom 15. Februar 1963, indem das Wort offenbar erstmalig vorkam:

„Die Krisis, in der sich die Mehrzahl der New Yorker Tageszeitungen befindet, ist durch den Streik und die damit unweigerlich verbundenen Verluste wahrscheinlich nur ein wenig beschleunigt worden. Es sieht ganz so aus, als ob das große Zeitungssterben, das in den Vereinigten Staaten seit nunmehr vierzig Jahren im Gange ist, noch um einige weitere „Trauerfälle“ bereichert wird. Seit Anfang der zwanziger Jahre ist die Zahl der amerikanischen Tageszeitungen von 552 auf 55 geschrumpft.
“Weltstadt ohne Zeitung”, “Die ZEIT“, 15.02.1963, Ausgabe 7/1963

Derzeit hat sich zwar leider noch ein Fehler bei den Daten ab 2004 im Tool eingeschlichen, allerdings ist Pfeiffers Tool auch noch in der BETA-Phase. “ZEIT ONLINE” wird diese und weitere Projekte zukünftig auch hier vorstellen.

Nun darf man hoffen, dass sich vielleicht die ein oder andere Zeitung am Vorreiter “ZEIT” etwas abschaut. Besser wäre es.


Dieser Beitrag ist zuerst erschienen auf tobiasgillen.de.


war von 2012 bis 2015 Autor der Netzpiloten. Seither arbeitet er als Geschäftsführer von BASIC thinking, schreibt Bücher und pflanzt dadurch Bäume. Zudem hat er das Online-Magazin Finanzentdecker.de gegründet. Am besten ist er über Facebook, Twitter und Instagram zu erreichen.


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