Die Rolle des Staates im Internet: Grenzwächter des Internets

Welche Rolle hat Papa Staat im Internet? Autoritäre Staaten wie China und Russland versuchen mit aller Macht, in den Cyberspace einzugreifen. Ausgerechnet der Arabische Frühling ist Auslöser für neue Regulierungsvorstöße.

In großen und kleinen Dingen des Lebens gibt es anscheinend die Sehnsucht nach Kontrollen, Grenzen, Sicherheit und autoritärem Gehabe. Nur keine Risiken eingehen, nur nicht zu viel Offenheit wagen und akzeptieren, dass man nicht der Mittelpunkt der Erde ist. So schlagen sie um sich, die Abmahner, Verbotsapostel, Bedenkenträger, Korinthen-Kacker, Ordnungsfanatiker, Wächter, Aufpasser, Knöllchenjäger, Aktenschieber und Autorisierungs-Kleingeister. Wer von den Regeln abweicht, wird als Störenfried eingestuft und bekämpft. Mit den unterschiedlichsten Instrumenten der Drangsalierung. Im Internet manifestiert sich dieser Streit der „Kulturen“ wie in einem Brennglas.

Nationalstaatliche Mauern im Cyberspace

Auf der Kölner Tagung „Offenheit und Regulierung“ der Landesanstalt für Medien NRW wurden Stimmen laut, die gegen die Untiefen und Wagnisse des Netzes die Eingriffe von Papa Staat herbeisehnen. Wann mache ich aber den Bock zum Gärtner oder rufe Geister, die ich nicht mehr loswerde? Diese Frage konnte auf der Kölner Diskussion keiner so richtig beantworten.

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Wer schwingt sich zum allmächtigen Beschützer meiner Daten und meiner Privatsphäre auf? Ist es der Bundesinnenminister, der mich gleichzeitig über Staatstrojaner ausspioniert oder Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner, die sich über die Notwendigkeit des Vergessens im Netz profilieren will? Bietet sie dann in ihrer Behörde künftig virtuelle Staubsauger an, um Daten zu beseitigen? In welcher Rolle sollte der Staat auftreten? Als persönlicher Hausmeister, Ausputzer, Richter, Ankläger und Kindermädchen?

Das wäre wohl ganz im Sinne von autoritären Staaten wie Saudi-Arabien, Russland oder China, die im Cyberspace wieder nationalstaatliche Mauern einziehen wollen. Ein solches Ansinnen werden die liebwertesten Gichtlinge der Unfreiheit jedenfalls auf der World Conference on International Telecommunications der ITU vom 3. bis 14. Dezember in Dubai vortragen. Hier soll ein aus dem Jahr 1988 stammender völkerrechtlicher Vertrag aktualisiert werden, der die Telekommunikation weltweit regelt: „Einige Regierungen halten das für eine gute Gelegenheit, den Vertrag auf das Internet auszudehnen und zum Beispiel die Zuordnung von IP-Adressen, Fragen des Inhalts von Informationen und der Cyber-Sicherheit in das Abkommen mit einzubeziehen. Das würde eine größere Legitimationsbasis schaffen für mögliche Eingriffe in den Internetverkehr. Damit könnten Teile aus dem Internet herausgebrochen und der Weg gebahnt werden für eine Fragmentierung des Internets entlang staatlicher Grenzen“, so Professor Wolfgang Kleinwächter im Interview mit der „FAZ“.

Er lehrt Communication Policy and Regulation an der Universität von Aarhus in Dänemark und nimmt als Vertreter der deutschen Zivilgesellschaft an der Konferenz teil. Dubai sei erst der Auftakt für eine Serie von Konferenzen in den kommenden Jahren, wo das Thema der staatlichen Kontrolle über das Internet immer wieder aufgeworfen werden wird, erläutert Kleinwächter: „Der Arabische Frühling hat zwar einige autokratische Systeme beseitigt, andererseits hat er aber andere autokratische Systeme muntergemacht, die jetzt viel besser verstehen, welches politische Potenzial ein freies, offenes und grenzenloses Internet hat. Also arbeitet man dort darauf hin, Freiheit, Offenheit und Grenzenlosigkeit wieder einzuebnen und einem nationalstaatlichen Kontrollsystem zu unterwerfen.“

Die Öffentlichkeit abnabeln

Bislang läuft die Ressourcenverwaltung im Internet nach dem Multi-Stakeholder-Modell, bei dem entsprechende Regeln von allen beteiligten und betroffenen Gruppen – Privatwirtschaft, Zivilgesellschaft, technische Community, Regierungen – in einem kollaborativen, transparenten und offenen Verfahren entwickelt werden. Autoritäre Geister fühlen sich in ihren Kabinettsstuben aber nur wohl, wenn die Öffentlichkeit abgenabelt wird. So kann sich Macht besser entfalten. Diese Suppe sollten wir den Hausordnungs-Volkspolizei-Apologeten versalzen – auch in Dubai.


Mehr zu Themen des Netzes und dem digitalen Wandel gibt es auch vom European-Kolumnisten Lars Mensel in seinem aktuellen Artikel „Nahost-Konflikt bei Twitter: Virale Propaganda“.


Text: Der Artikel „Die Rolle des Staates im Internet: Grenzwächter des Internets“ von Gunnar Sohn ist zuerst erschienen auf www.theeuropean.de


 


ist Diplom-Volkswirt, lebt in Bonn und ist Wirtschaftsjournalist, Kolumnist, Moderator und Blogger. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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